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„Mit Kollaboration und GS1 Standards meistert man Krisen.“

2015 feiert GS1 Schweiz das 10-jährige Jubliäum. Was der Verband sich für 2015 vorgenommen hat, wo er bei der Umsetzung seiner Strategie 2012-2016 steht und wie er seine Mitglieder in der Euro-Krise unterstützt, verrät CEO Nicolas Florin im Interview.

GS1 network: Herr Florin, wie zufrieden waren Sie mit dem Jahr 2014?

Nicolas Florin: Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden. Wir haben ein gutes Jahresergebnis erzielt und konnten beim Umsetzen der Strategie weitere Erfolge verbuchen. So konnten wir die neuen Supportdienstleistungen etablieren und die Erwartungen übertreffen. Wir haben 2013 auf Anhieb Mandate gewinnen können, die Folgeaufträge generiert haben. 2014 sind neue Auftraggeber dazu gekommen. Ich denke, das ist ein guter Beweis für unsere Glaubwürdigkeit und Akzeptanz im Markt. Und es ist ein Beweis dafür, dass wir die Erwartungen der Kunden erfüllt haben.

 

GS1 Schweiz ist eine Not-for-Profit-Organisation. Widersprechen Sie dem mit diesen Supportdienstleistungen nicht?

Wir haben nicht nur den Auftrag, gemeinsame Standards und Prozessempfehlungen zu entwickeln, sondern wir müssen auch deren Umsetzung fördern. Und genau dazu leisten die Supportdienstleistungen schlussendlich einen Beitrag. Sie werden übrigens nicht aus Mitgliederbeiträgen finanziert, da vor allem einzelne Organisationen davon profitieren. Ausserdem bedeutet Not-for-Profit nicht, dass wir keinen Gewinn erwirtschaften dürfen. Im Gegenteil, wir müssen unsere Aktivitäten und Dienstleistungen langfristig garantieren und Reserven haben, um GS1 zukunftsgerichtet entwickeln zu können. Allerdings ist Gewinnmaximierung nicht das oberste Ziel unseres Schaffens. Denn als Verein müssen wir keinen Aktionären Dividenden ausschütten.

 

In Bezug auf die Verbandsstrategie 2012-2016 ist jetzt Halbzeit. Wo steht der Verband bei der Umsetzung?

Wir sind bereit für die zweite Halbzeit! In dieser Strategie haben wir Konsumgüter und Healthcare als Kernbranchen definiert. Beide unterstützen wir mit umfangreichen Dienstleistungen wie beispielsweise unsere Schulungen zum Thema UDI, Unique Device Identification. Damit machen wir die Hersteller von Medizinalprodukten fit für neue regulatorische Anforderungen. Dann haben wir im Bereich Stammdatenmanagement weitere Weichen gestellt. Mit unserer Produktdatenbank „trustbox“ haben wir das Projekt „Trusted Source of Data“ erfolgreich umgesetzt. Und auch die GLN-Datenbank wird dieses Jahr noch aufgeschaltet werden. GLN steht für Global Location Number. In dieser Datenbank können unsere Mitglieder ihren Partnern Informationen zu Standorten zur Verfügung stellen. Dabei können neben der Adresse weitere Informationen zum Standort erfasst und mit Partnern elektronisch ausgetauscht werden, bis hin zur Anlieferrampe im Lagerhaus. Ich sehe für uns noch Handelsbedarf insofern als wir unsere Mitglieder von der Bedeutung der Stammdaten teilweise noch überzeugen müssen.

 

Mit unserer Produktdatenbank „trustbox“ haben wir das Projekt „Trusted Source of Data“ erfolgreich umgesetzt.

 

Sie haben im Oktober 2014 die Geschäftsstelle neu organisiert. Was hat diese Umstrukturierung gebracht?

Das wird sich erst noch zeigen. Diese Massnahme dient dazu, die Strategie besser umzusetzen. Wir haben dort die Wissensvermittlung als einen Schwerpunkt definiert. Bisher hat bei unseren Seminaren und den Praxisveranstaltungen etwas die Durchgängigkeit gefehlt. Indem wir die Bereiche „Events“ und „Bildung“ zusammengeführt haben, möchten wir genau dies fördern. Davon profitieren sowohl Lehrgangs- und Seminarteilnehmer als auch Eventteilnehmer.

 

Im letzten Dezember haben Sie Ihrem italienischen Kollegen Bruno Aceto den Vorsitz von GS1 in Europe übergeben. Was haben Sie in Ihrer zweijährigen Amtszeit bewegt?

Da sind einige Aspekte zu nennen. Zunächst ist GS1 in Europe nun eine eingetragene Organisation nach EU-Recht. Ich war der erste Chairman dieser Organisation – das ist natürlich für mich als Schweizer eine ganz spezielle Ehre gewesen! (lacht) Durch diese Formalisierung konnte GS1 in Europe gegenüber anderen Europäischen Verbänden und EU-Kommissionen an Glaubwürdigkeit gewinnen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der neuen EU-Verordnung 1169/2011. Ich habe mich in den zwei Jahren sehr intensiv mit ihr auseinander gesetzt und dafür gesorgt, dass die verschiedenen Länder innerhalb von GS1 in Europe eine einheitliche Haltung dazu einnehmen. Nur so können wir beispielsweise die Interessen unserer multinationalen Mitgliedsunternehmen bewahren und eine internationale Umsetzung unserer Standards sicherstellen. Und nicht zuletzt hat GS1 Global in diesen zwei Jahren eine neue Strategie erarbeitet. GS1 in Europe hat bei der Gestaltung entscheidend mitgewirkt. Wir waren kritisch, aber konstruktiv. Ich denke, dass ich so dazu beitragen konnte, dass die europäischen Interessen in der Strategie angemessen berücksichtigt wurden.

 

Wie werden nun die Schweizer Interessen auf internationaler Ebene vertreten?

Im Mai findet die Generalversammlung von GS1 Global statt. Ich kandidiere für einen Sitz im GS1 Management Board. Wenn mich die Delegierten wählen, werde ich mich für die Schweiz auf globaler Ebene stark machen.

 

Dieses Jahr feiert GS1 Schweiz den 10. Geburtstag. Was haben Sie sich vorgenommen?

Das 10-jährige Jubiläum wird eine gute Gelegenheit sein, um zurückzuschauen und zu überprüfen, wo wir stehen. Dann können wir wieder neue Projekte in Angriff nehmen und bessere und benutzerorientierte Leistungen bereitstellen. Allerdings muss ich ganz klar sagen: Wir feiern das zehnjährige, nicht das hundertjährige. Wir müssen noch viel beweisen. Und genau aus diesem Grund ist das Jubiläum ein guter Anlass für Selbstreflexion.

 

GS1 Schweiz ist aus drei Verbänden hervorgegangen. Sind die Fusionsnarben verheilt?

Heute vertreten wir die Werte von GS1 Schweiz und damit das Beste aus den drei Verbänden, ganz nach unserem Motto „Zusammen Werte schaffen.“

 

Als die Schweizerische Nationalbank im Januar das Ende des Mindestwechselkurses verkündete, war das für viele Schweizer Unternehmen ein Schock. Welche Unterstützung können die Mitglieder von Ihnen erwarten?

Krisen kann man nur meistern, indem man konkurrenzfähig bleibt. Dafür muss man unter anderem seine Unternehmensprozesse im Griff haben. Aus unserer Sicht sind der Einsatz von Standards und kollaboratives Wirtschaften zwei Erfolgsfaktoren. Ihre Anwendung bietet ein enormes Potenzial. In unserer Studie „GS1 Report“ sind wir bereits 2006 zum Schluss gekommen, dass allein in der Konsumgüterindustrie das jährliche Potenzial rund sechs Milliarden Franken beträgt. Das ist enorm. Die Potentiale umfassen entgangene Umsätze sowie die Reduktion von Verschwendung. Wir sind der richtige Ansprechpartner, wenn es darum geht, diese Potentiale zu heben: Wir helfen unseren Mitgliedern bei der Einführung des GS1 Systems und dabei, Supply Chain Prozesse effizient zu gestalten. Und wir bringen die verschiedenen Unternehmen zusammen und fördern die Kollaboration. Unsere ausgezeichnete und einzigartige Vernetzung macht das möglich.

 

Für ein erfolgreiches Wirtschaften braucht es eine gemeinsame Sprache. Ohne Standards geht das nicht.

 

Welche Schwerpunkte legen Sie dieses Jahr?

Für mich gibt es dieses Jahr drei Schwerpunkte: trustbox, Supportdienstleistungen und unser neuer Standort. Fangen wir mit trustbox an. Mit dieser Datenbank können Unternehmen vertrauenswürdige und sichere Produktinformationen bereitstellen. Wir bieten unseren Mitgliedern damit eine Lösung, mit der sie die EU-Verordnung 1169/2011 erfüllen können. Die Verordnung ist seit Dezember 2014 in Kraft. Viele Mitglieder haben bereits Daten auf trustbox publiziert. Dieses Jahr wird sich da noch einiges tun. Die Digitalisierung wird uns ohnehin in den nächsten Monaten und Jahren noch beschäftigen. Der zweite Schwerpunkt liegt auf den Supportdienstleistungen, die wir dieses Jahr noch weiter ausbauen möchten. Vor kurzem hatten wir das Kickoff zu einem umfangreichen Projekt. Dabei geht es darum, die Supply Chain des UNHCR zu optimieren. So können Mittel effizient eingesetzt und Verschwendung reduziert werden. Transparenz ist dabei ein wesentlicher Punkt. Eine transparente Supply Chain ermöglicht nicht nur die effiziente Versorgung sondern ist gleichzeitig die Grundlage für eine saubere Rechenschaft gegenüber den Geldgebern.

 

Sichtwort neuer Standort: Warum zieht GS1 Schweiz um und wohin geht die Reise?

Wir bleiben in Bern! Genauer gesagt ziehen wir in die Monbijoustrasse. Der Umzug hat mehrere Gründe. Erstens sind wir in den zehn Jahren kontinuierlich gewachsen. Seit 2005 beschäftigen wir 50 Prozent mehr Mitarbeiter. Die Räumlichkeiten in der Länggasstrasse sind einfach zu klein geworden. Zweitens möchten wir einen noch besseren Kontakt zu unserer Community pflegen. Aufgrund der begrenzten Räume in der Länggasse müssen wir für die Sitzungen unserer Gremien leider immer mehr auf andere Örtlichkeiten ausweichen. Mit dem neuen Standort werden wir das auf ein Minimum reduzieren können. Und drittens möchten wir so die Wissensvermittlung stärken. Wir werden Seminare und die Berner Lehrgänge bei uns durchführen, was bisher nicht möglich war. Mit dem neuen Standort geben wir der GS1 Academy ein „Zuhause“.

 

„Industrie 4.0“ ist derzeit in aller Munde. Wird GS1 Schweiz zum Fachverband für digitalisierte Wertschöpfungsnetzwerke?

In gewisser Weise sind wir das schon. Digitalisierung wird immer wichtiger und über kurz oder lang wird sich jedes Unternehmen damit auseinandersetzen müssen. Industrie 4.0 beinhaltet eine stärkere Delokalisierung von Produktion und Entwicklung Informationen müssen deshalb in Sekundenschnelle ans andere Ende der Welt übermittelt werden. Diese Informationen müssen von allen Beteiligten, häufig Maschinen, verstanden werden. Und damit sind wir wieder bei unserem Kernthema: Für ein erfolgreiches Wirtschaften braucht es eine gemeinsame Sprache. Ohne Standards geht das nicht.

 

Die Fragen stellte Katharina Birk.

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