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Weiterbildung Betriebswirtschaft versus Logistik

Noch immer geniesst der Abschluss in Betriebswirtschaft ein höheres Ansehen in unserer Gesellschaft als jener der Logistiker und Logistikerinnen. Dies, obwohl die Logistik stetig attraktiver und anspruchsvoller wird.

Die  heutige   Arbeitswelt  ist  geprägt von zunehmend raschen Veränderungen, einer Globalisierung der Wirtschaftsmärkte und dem beschleunig- ten technologischen Fortschritt. Der verschärfte Wettbewerbsdruck verlangt den Unternehmen immer mehr Leistungen ab. Gleichzeitig werden die Kundenwünsche immer differenzierter und die Produktlebenszyklen kürzer. Die dadurch entstehende Komplexität bedroht die Wettbewerbsfähigkeit. Dies zwingt die Unternehmen, die Produktevielfalt besser zu steuern und Kosten zu sparen. Laut der Studie «Mastering product complexity» von Roland Berger Strategy Consultants könnten allein durch gezieltes Komplexitätsmanagement die Maschinenbau-Unternehmen weltweit bis zu 54 Milliarden Euro einsparen.

Motivation ist entscheidend
Die berufliche Weiterbildung wird daher immer wichtiger, denn alleine mit den Kompetenzen und Fähigkeiten aus der obligatorischen Schulzeit, der Berufslehre oder dem Studium können die heutigen sowie auch zukünftigen Probleme nicht mehr bewältigt werden.

Dabei ist das Potenzial von Weiterbildung gerade in KMUs längst nicht ausgeschöpft. Kurse werden oft zufällig ausgewählt; diejenigen Mitarbeitenden, die sich selber organisieren und danach fragen, werden zwar an Kurse geschickt, der Nutzen einzelner Kurse aber wird nicht hinterfragt oder neues Wissen zu wenig in der Praxis eingesetzt.

Die  Motivation, warum sich jemand weiterbilden möchte, fällt jeweils sehr unterschiedlich aus. Bei der beruflichen Weiterbildung stehen die Karriere und die damit verbundenen Möglichkeiten, mehr Verantwortung, interes- santere Aufgaben, Erhöhung der Arbeitsmarktfähigkeit sowie ein besseres Einkommen zu erzielen, im Vordergrund. Bei der Wahl des Studiums spielen der Abschlusstitel im Diplom und der damit verbundene Stellenwert in der Gesellschaft und Arbeitswelt eine zentrale Rolle.

Betriebswirtschaft HF vs. Technik HF Unternehmensprozesse
Die Zahlen der Diplomabschlüsse 2013 sprechen eine eindeutige Sprache: In der Fachrichtung Betriebswirtschaft erhielten 907 Absolvierende das Diplom. In der Fachrichtung Logistik hingegen waren es gerade einmal 18.

Tätigkeiten
Betriebswirtschafter/in HF

  • Mittleres bzw. oberes Management von Banken, Versicherungen, öffent- licher Verwaltung, Treuhandbüros,
  • IT-Betrieben, Non-Profit-Organisationen, Industrie- und Handelsfirmen
  • Umsetzung Gesamtstrategie auf
  • Ebene Abteilung oder Team
  • Accounting und Controlling
  • Entwicklung von Marketingprojekten
  • Optimierung Leistungserstellungsprozesse
  • Einhalten von Qualitätssicherung, Arbeitssicherheit und Umweltschutz
  • Datenorganisation, Datensicherheit und Datenschutz
  • Human Resources – Personalplanung, Personalbeschaffung; wirtschaftliche und soziale Ziele im Personalmanagement


Logistiker/in HF

  • Fach- und Führungsaufgaben in allen Logistikbereichen von Handels-, Industrie- oder Dienstleistungsbetrieben (u. a. Banken, Versicherungen, Speditionsfirmen, Logistikdienstleister)
  • Steuerung, Gestaltung und Betrieb von Netzwerken und Wertschöp- fungsketten
  • Befassen sich mit allen Logistikbereichen (wie Beschaffung, Pro- duktion, Distribution, Lager, Entsorgung) vom Lieferanten bis zum Endkunden
  • Einhalten von Qualitätssicherung, Arbeitssicherheit und Umweltschutz inklusive Recyclingkonzepte
  • Projektleitung von der Entwicklung bis zur Implementierung von Logistikprojekten
  • Personalplanung

Beide Bildungsgänge sind «Generalistenausbildungen».

Zulassung zum Studium
Zum Bildungsgang Betriebswirtschaft HF zugelassen ist, wer unter anderem über ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis Kaufmann/Kauffrau Profil M oder E verfügt. Für Logistik zugelassen sind alle kaufmännischen Abschlüsse. Somit sind die Zulassungsbedingungen zum Studium weitgehend identisch.

Dauer des Studiums und Anzahl Lernstunden
Bei beiden Bildungsgängen dauert das Studium sechs Semester und ist meistens berufsbegleitend. Gemäss Mindestvorschriften müssen sowohl bei Betriebswirtschaft als auch Logistik 3600 Lernstunden (inklusive 720 Lernstunden Berufstätigkeit) ausgewiesen werden. Auch dieses Kriterium ist identisch.

Vertiefungsrichtungen
Beim dipl. Techniker/in HF Unterneh- mensprozesse kennen wir die beiden Vertiefungsrichtungen Logistik und Betriebstechnik. Im Rahmenlehrplan dipl. Betriebswirtschafter/in HF wird die Möglichkeit einer Vertiefungsrichtung mit 270 Lernstunden ausgewiesen. Von dieser Möglichkeit wird durch die Institutionen rege Gebrauch gemacht. Stellvertretend nachstehend einige Beispiele:

  • dipl. Betriebswirtschafter/in HF in Finance
  • dipl. Betriebswirtschafter/in HF in General Management
  • dipl. Betriebswirtschafter/in HF in Marketing
  • dipl. Betriebswirtschafter/in HF in E-Business
  • dipl. Betriebswirtschafter/in HF in Spedition und Logistik
  • dipl. Betriebswirtschafter/in HF im Detailhandel
  • dipl. Betriebswirtschafter/in HF in SAP


Modulvergleich
Da die Rahmenlehrpläne Technik und Betriebswirtschaft unterschiedlich aufgebaut sind, ist ein Modulvergleich nur schwer möglich. Die Tabelle gibt dazu einen groben Überblick.

Kosten
Inklusive Lehrmittel investiert man in die Weiterbildung Logistik HF rund 21 000 Franken. Im Vergleich dazu starten die Kosten für Betriebswirtschaft HF, je nach Bildungsinstitut und Kantonalbeiträgen, bei 11 500 Franken. Natürlich stellt sich die Frage, weshalb das Studium in Logistik signifikant weniger attraktiv ist als jenes in Betriebswirtschaft. An den Rahmenbedingungen, den Kostenfaktor ausgeschlossen, kann es nicht liegen, denn gerade bei den Bildungsinhalten braucht die Logistik den Vergleich nicht zu scheuen.

Ein Grund mag sein, dass sich das Image der Logistik in den letzten Jahren nicht stark verändert hat. Für eine breite Öffentlichkeit ist der Begriff – zu Unrecht – immer noch mit Umweltverschmutzung, Lärm, Lastwagenrennen, schlechten Arbeitsbedingungen und Billiglöhnen behaftet. Demgegenüber geniesst die Betriebswirtschaft in Gesellschaft und Arbeitswelt einen höheren Stellenwert, was den Abschluss als Betriebswirtschafter/in HF für die Interessierten somit lohnender erscheinen lässt.

Dass jedoch ohne Logistik nichts mehr geht, wurde noch nicht überall wahrgenommen. Die Unternehmen beklagen sich einerseits über den Fachkräftemangel, andererseits sind sie oft nicht in der Lage, die Kompetenzen für eine bestimmte Stelle klar zu formulieren. Nach welchen Anstellungskriterien entscheiden Sie beispielsweise, ob für die offene Stelle in Ihrem Unternehmen ein dipl. Betriebswirtschafter HF mit Vertiefungsrichtung Spedition und Logistik oder ein dipl. Techniker HF Unternehmensprozesse Vertiefungsrichtung Logistik die idealen Voraussetzungen mitbringt?

Beide Bildungsangebote haben ihre Berechtigung. Die Frage, die sich sowohl Interessierte als auch HR-Verantwortliche stellen sollten, ist, welche
Kompetenzen und Fähigkeiten für eine bestimmte Stelle den grösstmöglichen Nutzen für das jeweilige Unternehmen bringen.

Beat Schlumpf
ABB Technikerschule, Bereichsleiter
Betriebstechnik und Logistik




Beat Schlumpf
ABB Technikerschule, Bereichsleiter
Betriebstechnik und Logistik

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