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Spitäler lernen UDI

Eine zuverlässige und effiziente Identifikation von Medizinprodukten ohne Medienbrüche und manuelle Eingriffe ist in Reichweite. Die neue Anforderung UDI (Unique Device Identification) löst allerdings bei den Herstellern wie auch beim Einkauf und bei der Logistik von Spitälern Lernprozesse aus.

Es ist mehr als nur ein Silberstreifen am Horizont: Der Waren- und Informationsfluss für Medizinprodukte wird künftig für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette massiv effizienter gestaltet sein als heute – dank der Anwendung global gültiger Standards.

Viele Akteure in der Branche beschäftigen sich nun mit der Gestaltung durchgängiger Logistikprozesse. Denn die im Mai 2017 in Kraft gesetzte Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (kurz: MDR) hält die überaus vielfältige Medizintechnik-Branche auf Trab. Nicht nur Hersteller und Lieferanten aus der Europäischen Union, sondern auch aus der Schweiz sind angesprochen. Mit der sehr umfangreichen Verordnung werden der Branche viele neue Verpflichtungen auferlegt. Die eindeutige Identifikation und Rückverfolgbarkeit von Produkten durch eine Produktidentifikationsnum-mer (UDI, Unique Device Identification) ist nur eine davon. Sie ist aber relevant für den künftigen Logistikalltag mit Medizinprodukten.

Mit GS1 ist UDI machbar
Was der Gesetzgeber mit der UDI fordert, hat sein Vorbild in einem breit etablierten Branchenstandard in der Welt der Konsumgüter. Die Erfahrung zeigt: GS1 Standards zur Identifikation und zu maschinenlesbaren Datenträgern bedeuten nicht nur eine eindeutige Referenz auf physische Objekte, sondern schaffen für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette einen Mehrwert.

Mit dem klar strukturierten GS1 System lassen sich die regulatorischen Anforderungen zur Kennzeichnung von Produkten der Medtech-Industrie ebenfalls sehr gut umsetzen; deshalb wurde die international tätige GS1 weltweit als Ausgabestelle für UDI anerkannt.

Das Ziel ist klar ...
Wie überall gilt: Normen und Standards sind nicht dazu da, die Marktteilnehmer mit Vorschriften zu gängeln, sondern Best-Practice-Orientierung zu bieten und die betrieblichen Abläufe wesentlich zu vereinfachen. Allerdings ist mit dem konsequenten Anwenden von Standards immer ein Lernprozess verbunden, der aktuell in der Medtech- Branche stattfindet.

Zwei Supply-Chain-Fachleute des Kantonsspitals Luzern (LUKS) braucht man nicht mehr von der Tauglichkeit des GS1 Systems zu überzeugen. Da ist zum einen Philippe Linder, Leiter Einkauf und Logistik am LUKS, der sagt: «Der GS1 Standard ist die perfekte Antwort auf die Forderung nach allumfassender Standardisierung in der Medizinprodukte-Logistik.» Langfristig werde sich so vieles zum Besseren wenden, ist er überzeugt: «Wir werden unsere Prozesskosten massiv reduzieren können.»

Das Ziel ist klar, der Weg dorthin braucht jedoch viel Ausdauer, Überzeugungsarbeit und Disziplin. Die derzeitige Situation ist offenbar sehr unbefriedigend, wie René Zettel, Leiter Logistik und Philippe Linders Kollege am LUKS, schildert: «Aufgrund von falschen oder nicht vorhandenen Kennzeichnungen sind wir tagtäglich mit Medienbrüchen konfrontiert, die bei uns beständig Zusatzarbeiten auslösen und das Fehlerrisiko erhöhen.»

... der Weg dorthin dauert
Nicht wenige Hersteller von Medtech- Produkten zeichnen zwar ihre Verpackungen inzwischen mit ein- oder zweidimensionalen Codes aus. Doch damit sind die Probleme für die Empfänger solcher Sendungen meistens nicht gelöst; vielmehr beginnen sie erst. Beobachtet wird zurzeit eine Vielfalt an mangelhaft gekennzeichneten Paketen am Wareneingang von Spitälern:
• Ein Grosshändler von Gaze-Binden, -Kompressen und -Tupfern, Gipsbinden, elastischen Binden, Wundschnellverbänden, Pflastern und Gelenkbandagen teilt einer Dispenserbox eine GTIN in Form einer Datamatrix zu. Zusätzlich wurde eine Klebeetikette mit einer anderen GTIN (in Form eines EAN-13- Codes) auf dem Verschluss derselben Box angebracht. Die eindeutige Produktkennzeichnung ist somit nicht gegeben.
• Eine Versorgungseinheit mit Instrumenten für die Kieferchirurgie ist zwar mit zwei Barcodes versehen. Diese sind aber nicht lesbar, da sie aufgrund eines betriebsinternen Nummernsystems vergeben wurden. Wenn der Lieferant die Kennzeichnung seiner Produkte nicht gemäss der Syntax von GS1 versieht, ist die Kennzeichnung für alle anderen Beteiligten in der Wertschöpfungskette nicht verständlich und nicht verwertbar.
• Ebenso stellt man fest: Verpackungsetiketten auf Handelseinheiten mögen mit einem GS1-konformen Strichcode versehen sein. Dieser macht sich jedoch den Platz streitig mit anderen Symbolen aus firmeninternen oder branchenspezifischen Nummerierungssystemen.

Grosse Mühe bereitet der Branche die Vorgabe, sowohl das Produkt als auch höhere Verpackungsebenen (ohne Versandeinheit) mit einer UDI (GTIN) zu versehen. Eine Verbrauchseinheit – beispielsweise einer Einwegspritze – verfügt über eine eigene GTIN, ebenso die Kleinverpackung à 10 Verbrauchseinheiten und genauso die grosse Um– verpackung à 10 Kleinverpackungen.

Die unbefriedigende Praxis: Gewisse Lieferanten teilen sowohl der Einzelpackung als auch der Umverpackung dieselbe GTIN zu. «Die Systematik wird von den Herstellern häufig nicht verstanden », so die Einschätzung von Zettel und Linder. Die Folgen: Verwechslungen gelangen in die Materialbedarfsplanungs- Software (ERP) des Spitals und unter Umständen werden fehlerhafte Bestellungen ausgelöst. So wird beispielsweise anstelle eines Kartons nur eine einzelne Verbrauchseinheit zugestellt.

Problembewusstsein, Ausbildung
Damit solche Umtriebe nicht an der Spitallogistik hängen bleiben, muss das Problembewusstsein in die Breite der Branche getragen werden. Dazu sagt Philippe Linder: «Die Einkaufsorganisationen der Spitäler, die solche Güter einkaufen, schenken dem Thema UDI noch zu wenig Gewicht.» Und die Dringlichkeit ist nicht zu übersehen. Denn je nach Risikoklasse sind hinsichtlich UDI-Kennzeichnung Fristen einzuhalten. «Es genügt nicht, die Lieferanten in die Pflicht zu nehmen. Die Spitäler selbst müssen sich mit der Systematik gründlich auseinandersetzen und proaktiv handeln. Bei uns am LUKS ist das Thema UDI fester Bestandteil jedes Lieferantengesprächs», so Linder weiter. Ein zentraler Hebel, um sich mit der UDI-Thematik vertraut zu machen, sei die Ausbildung der Mitarbeitenden entlang der Supply Chain, wie beide LUKS-Logistiker betonen.

Ein konsequent angewendetes UDI System bietet viele Vorteile. So hilft es den Spitälern, Vigilanzmeldungen zu fehlerhaften Fabrikaten, die einmal in den Warenfluss gelangen, präzise und viel effizienter nachzuverfolgen, als dies heute der Fall ist.

Eine weitere Baustelle in der Medtech- Lieferkette besteht im Aufbau eines automatischen elektronischen Stammdatenaustausches. Die standardisierte Aufbereitung solcher Stammdaten wird spätestens dann für alle Marktteilnehmer zum Thema, wenn die von der EU betriebene Datenbank zur zentralen Verwaltung von Medizinprodukten (EUDAMED) ihren Betrieb aufnehmen wird.

Die genaue Zuordnung von Vigilanzmeldungen zu Produkten und deren Chargen wird mit der Inbetriebnahme der UDI-Datenbank als Teil der EUDAMED den Informationsfluss zwischen allen Marktteilnehmern bedeutend erleichtern.

Manuel Fischer

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