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Logistikerin mit Herzblut

Logistikerin mit Herzblut Statt Medikamente zu verkaufen, organisiert Rita Geiger heute den Warenfluss der Arzneimittel im Berner Inselspital. Ihr kombiniertes Pharma-und Logistikwissen kann die ehemalige Pharma-Assistentin täglich einsetzen.

(sw) Wenn Rita Geiger wie jeden Morgen ihre erste Runde durch das Medikamentenmagazin dreht, hat sie ein zackiges Tempo drauf.

Denn erstens ist das Lager mit rund 3000 verschiedenen Produkten, unzähligen Regalen und einigen Kühlschränken weitläufig, und zweitens hat die Logistikleiterin des Instituts für Spitalpharmazie des Berner Inselspitals keine Zeit zu verlieren: Ihr Tag ist gut gefüllt mit vielfältigen Aufgaben. Derzeit stehen die jährlichen Mitarbeitergespräche an. Dass sie eines Tages elf Mitarbeitende führen würde, die allesamt älter sind als sie, hätte sich die 32-Jährige noch vor ein paar Jahren nicht träumen lassen. «Anfangs hatte ich schon etwas Bedenken, weil ich als Jüngste das Team führe. Aber das war unbegründet, mein Team respektiert mich», zieht Rita Geiger Bilanz.

Karriere mit Umwegen
Zur Logistik kam die gelernte Pharma-Assistentin auf Umwegen: Nach ihrer Lehre in einer Apotheke sammelte sie einige Jahren Berufspraxis beim Ärztegrossisten, der dem Lehrbetrieb angeschlossen ist, und absolvierte eine Weiterbildung als Pharma-Betriebsassistentin. Dass sie die Leitung der Spedition ihrer Lehrfirma übernehmen konnte, kam ihr sehr gelegen. Denn schon damals realisierte Rita Geiger, dass sie nicht mehr in einer öffentlichen Apotheke im Verkauf arbeiten wollte. Doch auch als Speditionsleiterin hatte sie das Richtige noch nicht gefunden. Auf ihrem Weg zur Traumstelle half ihr schliesslich ein Berufsberater, an den sie sich gewendet hatte. Er fragte sie beiläufig, ob der Bereich Logistik etwas für sie wäre. «Da wurde mir bewusst, dass ich schon mitten in der Arbeit einer Logistikerin steckte und mir nur noch der Fähigkeitsausweis fehlte.» Während der berufsbegleitenden einjährigen Ausbildung zur Logistikfachfrau spürte sie, dass die Branche – im Gegensatz zur Arbeit in einer Apotheke – männerlastig ist: In der Klasse waren sie und eine Kollegin die einzigen weiblichen Wesen unter 21 Männern. Auch mit ihrem kombinierten Pharma- und Logistikwissen war Rita Geiger bereits in der Ausbildung eine Besonderheit. «Selbst die Prüfer erklärten mir, die Verknüpfung Pharma-Assistentin und Logistikerin sei ihnen bisher noch nie begegnet», sagt die junge Frau schmunzelnd. Auch sie selbst hätte nicht gedacht, dass sie ihr Pharmawissen bei ihrer nächsten Arbeit brauchen könnte. Tatsächlich war es diese seltene Kombination, die sie zu ihrem Traumjob am Inselspital führte. Als sie das Inserat sah, wusste sie, dass die – tatsächlich neu geschaffene – Stelle wie für sie gemacht war. Seit Juni 2009 ist Rita Geiger für sämtliche logistischen Abläufe im Institut für Spitalpharmazie an einem der bedeutendsten Krankenhäuser des Landes verantwortlich. Zu ihren Aufgaben gehören das Bestellwesen, die Führung der Mitarbeitenden, die Zusammenarbeit mit der Informatik und den SAP-Verantwortlichen sowie die ganze Warenbewirtschaftung inklusive Jahresinventur. Auch nach über einem Jahr schwärmt Rita Geiger geradezu von ihrer Tätigkeit: «Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich, interessant und fordernd. Ich brauche das, es ist mir wohl dabei.»

Trotz Hektik – ruhig und besonnen
In einem Krankenhaus mit jährlich rund 220 000 Patienten sind jeden Tag enorme Mengen an pharmazeutischen Produkten im Fluss. Täglich gehen Bestellungen hinaus und kommen mehrere Anlieferungen herein. Das Pharma-Fachwissen ist für Rita Geiger besonders im Umgang mit heiklen Medikamenten sehr wertvoll. Gewisse Präparate, wie beispielsweise Krebsmedikamente oder Betäubungsmittel, unterstehen strengen Sicherheitsbestimmungen. Zur Chefsache erklärt hat die Logistikfachfrau auch die Verarbeitung der Medikamente, die von den Abteilungen zurückgeschickt worden sind, weil sie angebrochen sind und nicht mehr benötigt werden. Rita Geiger kümmert sich persönlich um die Sortierung dieser Ampullen und Fläschchen, die häufig noch Reste enthalten, beispielsweise von Betäubungsmitteln. «Der Vormittag vergeht meistens viel zu schnell. Je nach Tagesgeschäft stehen tägliche Gespräche mit Mitarbeitenden an. Häufig helfe ich bis vor der Mittagspause meinen Kolleginnen beim Kommissionieren der ausgehenden Ware», erklärt Rita Geiger. Auch in der Spitalpharmazie ist der turbulente Alltag eines Krankenhauses zu spüren. «Feuerwehrübungen» gibt es deshalb immer wieder. Normalerweise bewegen sich die dringenden Medikamente mithilfe des weit verzweigten Rohrpostsystems durch das Inselspital. In besonders dringenden Fällen kommen die Leute persönlich an den Schalter, um die Medikamente abzuholen. Rita Geiger: «Das kann geschehen, wenn jemand ein Medikament für eine seltene Krankheit braucht, wie es bei Kindern oft der Fall ist.»

Zum Ausgleich gibt’s Sport  
Flexibilität wird auch weiterhin sehr wichtig sein für die Arbeit von Rita Geiger. Denn es steht eine Zügelaktion des Medikamentenlagers und des ganzen Instituts an. Wegen Renovationsarbeiten befinden sich die Büros, die Produktion und das Lager der Spitalpharmazie derzeit in einem Provisorium. Rita Geiger ist deshalb auch mit der Planung des neuen Lagerlayouts beschäftigt – eine zeitraubende Arbeit, die ihr jedoch sehr gefällt. Das Faszinierendste an ihrem Job ist für die junge Frau die Möglichkeit, mit wenig Aufwand etwas zu verändern. Etwa wenn es darum geht, Arbeitsabläufe, den Warenfluss, das Bestellwesen oder die Bestellmengen zu optimieren. Rita Geiger schätzt es sehr, selbstständig zu entscheiden und Rund 7000 Mitarbeitende sorgen im Inselspital täglich für einen reibungsfreien Ablauf des Spitalbetriebs und das Wohl der Patienten. Jährlich werden rund 220 000 Patienten behandelt. Das Institut für Spitalpharmazie am Berner Inselspital ist die zentrale Anlaufstelle für die Abteilungen, wenn es um Arzneimittel geht. Pro Jahr verarbeitet das Institut 23 000 Aufträge, was 110 Aufträgen pro Tag entspricht. Das Lager umfasst rund 3000 verschiedene Medikamente.

Die zwölf Meter lange Anlage wird in der Lage sein, rund 70 000 Medikamentenpackungen zu fassen und zu verarbeiten. Als Ausgleich zum Alltag betreibt Rita Geiger viel Sport: Zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehören Rennradfahren, Inlineskaten, Krafttraining und über Gestaltungsspielraum zu verfügen. «Es ist befriedigend, dass meine Vorgesetzten diese Initiative auch von mir erwarten. Und dass mein Fachwissen gefragt ist.» Die nächste Herausforderung wird die neue, vollautoma-Skifahren. Um an den meist hektischen Arbeitstagen die Übersicht nicht zu verlieren, hat die energiegeladene Logistikerin von Anfang an einige Vorsätze gefasst: Sich die Hektik nicht anmerken zu lassen beispielsweise. Dies scheint ihr gut zu gelingen: Rita Geiger führt die Besucherin ruhig, aber bestimmt durch das Gebäude. Ganz wichtig ist es ihr auch, den Druck nicht an den Mitarbeitenden auszulassen. «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen mir sehr am Herzen. Ich bin auf sie angewiesen, aber auch die Leistung muss stimmen», so Rita Geiger. Den direkten Kontakt zu den Patienten, wie sie ihn damals als Pharma-Assistentin erlebt hatte, vermisst sie nicht. Zu vielseitig ist der Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen im Inselspital, mit ihren eigenen Mitarbeitenden wie auch mit jenen aus anderen Abteilungen. Und wenn sie durchs Inselspital geht und Patienten mit rollenden Infusionsständern sieht, freut sie sich darüber, dass die Medikamente aus «ihrem Warenmagazin» kommen.

Susanne Wagner 

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