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Drei Buchstaben und ein Groove

Thomas Erni. Senior Director HR, DHL Schweiz. (jh) Der Konzern Deutsche Post DHL beschäftigt weltweit 450 000 Mitarbeitende. In der Schweiz sorgen 2500 Fachleute und Spezialisten rund um die Uhr dafür, dass innovative Logistiklösungen erbracht werden. GS1 network im Gespräch mit Thomas Erni. Als Senior Director HR ist er verantwortlich für das Personalwesen bei DHL in der Schweiz.

GS1 network: Wie sieht bei DHL Schweiz der Rekrutierungsprozess aus?
Thomas Erni: Prinzipiell halten wir uns an einen klassischen Prozess: Alle offenen Positionen werden zuerst intern und dann auch extern ausgeschrieben. Dazu verwenden wir fast ausschliesslich elektronische Medien. Wir schalten selten Inserate in Zeitungen, da diese im Verhältnis zu ihrer Reichweite teuer sind. Je nach Position durchlaufen die guten Bewerber ein bis drei Interviews, wobei zuerst die fachliche Eignung und anschliessend die kulturelle Passung geprüft wird. Wir legen Wert darauf, dass wir Berufseinsteigern, Umsteigern und Wiedereinsteigern eine reelle Chance geben. Bei der Rekrutierung von Spezialisten verfahren wir grundsätzlich nach demselben Schema. Hier ist die bisherige Berufserfahrung wichtig. Wir setzen strukturierte Interviews, aber immer häufiger auch Probetage ein. Da der Arbeitsmarkt im Bereich der Spezialistenfunktionen recht ausgetrocknet ist, sind schnelle Entscheidungen wichtig, wenn man gute und passende Bewerber hat. Im Kaderbereich gehen wir gleich vor wie bei den Spezialisten, zusätzlich kommen häufig Assessment Centers ein Talentmanagementprogramm, das konzernweit zur Anwendung kommt. In der Schweiz erweitern wir momentan das Talentmanagementprogramm und passen es auf unsere spezifischen Bedürfnisse hin an. Im Kader-und Spezialistenbereich, vermehrt aber auch im Bereich der zum Einsatz. Bei der Besetzung von Kaderfunktionen setzen wir aber vor allem auf interne Kandidaten. Wir haben das Ziel, die Mehrheit der KadersteIlen intern zu besetzen. Die Voraussetzungen dazu schaffen wir durch ein gutes Management Development und kaufmännischen Angestellten, wird es aufgrund der tiefen Arbeitslosigkeit und des zunehmenden Fachkräfte-mangels zusehends schwieriger, gute Kandidaten zu finden. Wir sind deshalb darauf angewiesen, aus dem nahen Ausland, vor allem aus Deutschland und Frankreich, rekrutieren zu können. Die Weiterführung und allenfalls sogar der Ausbau der Personenfreizügigkeit ist für eine positive wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz absolute Notwendigkeit.

Und was halten Sie vom Motto: «Gute Leute kennen gute Leute»?
Stimmt nach unseren Erfahrungen nur bedingt. Ein guter Freizeitkollege oder sogar ein Familienmitglied muss nicht unbedingt auch ein gutes Teammitglied im Berufsumfeld sein. Wir unterziehen deshalb auch diese Bewerber unseren normalen Auswahlverfahren.
Gerade aber beim ungelernten Personal, wo wir manchmal auf schnellen Ersatz angewiesen sind, sind wir froh, wenn unsere Mitarbeitenden gute Bewerber vermitteln.

Welche Bedeutung hat E-Recruiting für das Personalmanagement und welche Erfahrungen haben Sie konkret damit gemacht?
Wir setzen bewusst keine E-Recruiting-Plattform ein. Viele dieser Plattformen wirken für die Bewerber abschreckend, da es oft sehr aufwendig ist, seine persönlichen Daten via Webportal in diese Datenbanken einzuspeisen. Man weiss nicht richtig, was mit den eigenen Daten geschieht. Diese sehr anonyme Art der Bewerbung wird unseren Zielgruppen auf dem Arbeitsmarkt nicht gerecht. Wir sind der Überzeugung, dass eine ernst gemeinte Bewerbung eine sehr persönliche Angelegenheit ist, bei der man sich vertrauensvoll bei einem kompetenten Vertreter eines Unternehmens bewirbt. Unser Geschäft lebt von persönlichen Kontakten zwischen unseren Mitarbeitenden und unseren Kunden. Diesem Aspekt wollen wir bereits beim ersten Kontakt die entsprechende Bedeutung geben.
Wir setzen allerdings sehr wohl auf einen elektronischen Bewerbungsprozess. Die Stellen werden fast ausschliesslich in elektronischen Medien ausgeschrieben. Social Communities benutzen wir nicht. Der Betreuungsaufwand ist für uns zu gross und wir sind von der Qualität der Inhalte nicht überzeugt. Lieber publizieren wir unsere Vakanzen auf professionellen Stellenportalen. Wir legen viel Wert darauf, die Bewerbungen per E-Mail zu erhalten. Dies beschleunigt das Verfahren ungemein und es zeigt sich bereits zu Beginn, ob ein Bewerber den Umgang mit elektronischen Medien beherrscht.

«Warum sollen wir gerade Sie einstellen?», fragen Sie angeblich jeden Bewerber. Drehen wir den Spiess um: Warum soll sich jemand ausgerechnet bei DHL bewerben?
Wer gerne in einer schnellen, spannenden, weltumspannenden und einmaligen Firma arbeiten will, wer gerne eine Arbeit hat, bei der es nie langweilig wird und jeder Tag viel zu schnell vergeht, wer gerne täglich weltweit mit den unterschiedlichsten Personen in Beziehung steht und wer gerne eine Stelle mit hoher Eigenverantwortung hat, der ist bei uns genau richtig. Bei uns ist man Teil eines weltumspannenden Netzwerks. Viele unserer Mitarbeitenden bewegen sich tagtäglich mit Bravour zwischen den verschiedensten Kulturen und haben regelmässig Kontakt zu Kollegen in den unterschiedlichsten Ländern. Da entstehen auch Freundschaften, die lange
Im Weiteren legen wir sehr viel Wert auf vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten. Bei uns hat auch ein Mitarbeiter, der bisher wenig Ausbildungsmöglichkeiten gehabt hat, Chancen, Karriere zu machen. Und als Teil eines Zeit halten. Wir sind eine grosse Familie. Gehe ich auf Reisen, treffe ich überall auf der Welt Menschen, mit denen mich etwas verbindet, mit denen sofort eine gewisse Vertrautheit da ist. Es ist schwierig zu beschreiben, was das Spezielle an DHL ausmacht. Ein Mitarbeiter hat mal sehr treffend vom «DHL-Groove» gesprochen. Ein wichtiger Pfeiler unseres Unternehmens ist unser hoch motiviertes Middle-, Senior-und Top-Management. Die meisten Führungskräfte und alle Geschäftsleitungsmitglieder sind langjährige Mitarbeitende und stellen so sicher, dass diejenigen Elemente unserer Kultur, die für den langfristigen Erfolg massgebend sind, erhalten bleiben.

DHL ist weltweit führend in internationalen, innovativen Express-und Logistik-Dienstleistungen aus einer Hand. Als Teil des Konzerns Deutsche Post DHL, der mit rund 450 000 Mitarbeitenden in allen Ländern und Regionen dieses Planeten tätig ist, verbindet das Netzwerk von DHL mehr als 220 Länder und Staatsgebiete in aller Welt. Der Konzern erwirtschaftete 2009 einen Umsatz von mehr als 46 Milliarden Euro. DHL beschäftigt in der Schweiz rund 2500 Mitarbeitende und ist mit fünf Geschäftsbereichen am Markt präsent:
• DHL Express ist der führende weltweite Anbieter von internationalen Kurier-und Expressdiensten für Geschäfts-und Privatkunden per Strasse, Luft und Schiene.
• DHL Freight ist eines der grössten Frachttransportunternehmen im internationalen Landtransportgeschäft per Strasse, Schiene sowie intermodal.
• DHL Global Forwarding bietet als internationaler Marktführer im Luft-und Seefrachtgeschäft ein weltweites Netz für Luft-und Seefrachtanforderungen.
• DHL Supply Chain bietet den Kunden Lagerhaltung und Lagertransport sowie wertsteigernde Lösungen für die gesamte Lieferkette.
• DHL Global Mail bietet auf internationaler Ebene Post-und Kommunikationsdienste mit direkten Verbindungen zu über 200 Ländern in aller Welt.
weltumspannenden Konzerns gibt es auch viele Möglichkeiten, einmal für kürzere oder längere Zeit im Ausland zu arbeiten. Internationale Karrieren sind bei uns keine Seltenheit. Als letzten Punkt möchte ich unsere Dienstleistungsorientierung erwähnen. Wir sind ein reiner Dienstleistungsbetrieb, der von guten Service- und Kundenbeziehungen lebt. Dieser Aspekt zieht sich durch die ganze Firma. Interne Stellen stehen in Dienstleistungsbeziehungen zueinander. Einen guten Service zu leisten, ist für uns überlebenswichtig.

Stichwort Führungskräfteentwicklung – wie gehen Sie bei DHL vor?
Aus-und Weiterbildung sind bei uns ganz wichtige Themen. Eine gute Ausbildung ist eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben. Genauso wichtig ist aber, dass jeder seine Ausbildung ein Leben lang weiter treibt. Aus-und Weiterbildung wird von uns aktiv unterstützt, denn nur mit gut ausgebildeten Mitarbeitenden haben wir Erfolg. Wer seine Karriere aktiv in die eigenen Hände nimmt, findet bei uns immer Unterstützung. Das Management Development erfolgt bei uns mehrstufig. In der Schweiz bieten wir firmeninterne Lehrgänge für Stellvertreter, Teamleader und Abteilungsleiter an. Für das Senior Management bietet die Deutsche Post DHL sehr gute Ausbildungen auf europäischer und internationaler Ebene. Wichtig ist auch die Ausbildung on the Job, wobei Mitarbeitende, die neu eine Führungsposition bekleiden, einen «Götti», allenfalls sogar einen «Mentor» erhalten, der sie in den ersten Monaten sehr eng betreut. Inhaltlich orientiert sich unser Management Development an der Konzernstrategie sowie den Werten und Führungsgrundsätzen der Deutschen Post DHL. Aber auch das typisch Schweizerische kommt dabei nicht zu kurz: Jeder Lehrgang wird von einem Geschäftsleitungsmitglied begleitet.

Wie schwer ist es, den Richtigen zu finden?
In zwei Fachbereichen stellen wir fest, dass es zunehmend schwieriger wird, gute Fachleute zu finden. Dies ist einerseits bei den Speditionskaufleuten der Fall und andererseits bei den Zolldeklaranten. Bei beiden Funktionen ist der Arbeitsmarkt sehr ausgetrocknet. Hier setzen wir auch mit unserem Berufsbildungsprogramm an. DHL offeriert in der Schweiz rund 90 Lehrstellen als Speditionskaufleute, Zolldeklaranten sowie Logistiker in den Fachrichtungen Lager und Distribution. Vielen Lehrabgängern bieten wir im Anschluss an die Ausbildung eine feste Stelle an. «Den Richtigen zu finden» ist aber auch vom kulturellen Aspekt her nicht immer einfach. Wer gerne in einem schnellen, abwechslungsreichen, unkomplizierten und internationalen Umfeld arbeitet, ist bei uns richtig. Und wer zu uns passt, wer vom «DHL-Groove» angesteckt ist, der bleibt oder kehrt wieder zu uns zurück. Viele Dienstjahre sind bei uns keine Seltenheit. Eine stabile Belegschaft ist ein wichtiger Pfeiler unseres lang anhaltenden Erfolgs in der Schweiz.

Welche fachlichen und persönlichen Voraussetzungen müssen Bewerber für den Bereich Logistik/Supply Chain Management mitbringen?
Das ist natürlich stark abhängig von der Funktion. Im betrieblichen Bereich sind vor allem der unkomplizierte, direkte Umgang miteinander, die Freude am «etwas Bewegen», schnelles, präzises und konzentriertes Arbeiten, die Bereitschaft zu Schichtarbeit, körperliche Fitness sowie Erfahrung im Speditionswesen gefragt. Dagegen sind im Managementbereich eine speditionskaufmännische Ausbildung, Erfahrung im internationalen Speditionsumfeld Luft-/See-/Landfracht, Erfahrung im Einkauf von Frachtkapazitäten und je nach Einsatzgebiet gute Sprachkenntnisse notwendig. Deutsch und Englisch sind aber Voraussetzung. Zollerfahrung können wir immer gebrauchen.

Bewerber werden meistens zu mehr als einem Gespräch eingeladen. Welche Erfahrungen haben Sie mit Lunch-Jobinterviews?
Gespräche mit Bewerbern führen wir meistens im klassischen Setting durch. Die Anzahl und die Ausgestaltung der Interviews sind dabei natürlich von
der Position der Vakanz abhängig. Ich persönlich benutze das Instrument der Lunch-Jobinterviews sehr gezielt, um bei einem sehr guten Kandidaten spezielle offene Punkte zu klären. Es geht dabei meistens darum, ob der Kandidat zu einem Team passt und ob die Zusammenarbeit mit einer Schlüsselperson klappen wird. Das gemeinsame Essen ist dann auch nicht Teil des Interviews und findet in einem lockeren Rahmen zusammen mit einem oder zwei zukünftigen Kollegen im Anschluss an ein Interview statt. Die Resultate eines solchen Settings sind äusserst valide.

Wo überschätzen sich Ihrer Meinung nach die meisten Bewerber?
Die meisten Bewerber schätzen ihre Erfahrungen und Fähigkeiten recht gut ein. Natürlich erhalten wir auch Bewerbungen von Personen, die für die ausgeschriebene Stelle nicht die geringste fachliche Voraussetzung mitbringen. Wenn Sie mich aber nach konkreten Beispielen fragen, dann machen wir die Erfahrung, dass sich Bewerber aus dem EU-Raum und auch aus dem weiteren Ausland in ihrer Lohneinstufung überschätzen. In das Hochlohnland Schweiz kommend, erwarten sie eine massive Steigerung ihres Einkommens. Ausserdem haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass gut ausgebildete, junge und erfahrene Fachspezialisten häufig ihre Führungsfähigkeiten überschätzen. Natürlich benötigt Führung auch gutes Fachwissen, aber vor allem viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen.

Worauf sollen Bewerber auf alle Fälle achten? Und was sollten sie unterlassen?
Wichtig ist, dass Bewerber ehrlich sind und nicht versuchen, ein geschöntes Bild von sich zu zeichnen. Authentizität ist hier das Stichwort. Eine Bewerbung ist keine Prüfung, bei der man schlechte Noten erhalten kann. Es geht darum, eine möglichst gute Passung von Job, Person und Berufsumfeld zu erreichen. Nur wenn die Anforderungen zu den Fähigkeiten und Erfahrungen des Bewerbers passen und die Kultur sowie die Umgangsweise in der Firma zur Persönlichkeit und Verhaltensweisen des Mitarbeiters, kann für beide Seiten eine erfolgreiche, langfristige Beziehung entstehen. Als Bewerber sollte man es unbedingt unterlassen, dem Gegenüber im Bewerbungsprozess etwas vorspielen zu wollen oder sich so darzustellen, wie man meint, sein zu müssen. Früher oder später kann das «Schauspiel» nicht mehr aufrechterhalten werden und es wird zum Bruch mit dem Arbeitgeber kommen. Dasselbe gilt übrigens auch für den Arbeitgeber. Vollständige und gepflegte Bewerbungsunterlagen sind natürlich eine Selbstverständlichkeit, Fotos können aus unserer Sicht getrost weggelassen werden.

Mit welchen Herausforderungen müssen sich Personalmanager in Zukunft verstärkt auseinandersetzen?
Es gibt zwei Trends, an denen niemand vorbeikommen wird: die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel. Durch den demografischen Wandel wird es immer schwieriger, junge Mitarbeitende zu finden. Die Unternehmen müssen sich älteren Mitarbeitenden gegenüber öffnen und die Arbeits-und Anstellungsbedingungen so gestalten, dass die guten Mitarbeitenden über lange Zeit, möglichst bis zur Erreichung des Pensionierungsalters, in der Firma bleiben. Dem Fachkräftemangel muss aus meiner Sicht dringend begegnet werden, indem einerseits in den wichtigsten Rohstoff der Schweiz, die Ausbildung, verstärkt investiert wird sowie die Ausbildungsgänge auf die Anforderungen der Wirtschaft in der Schweiz angepasst werden. Und andererseits, indem mit einer Weiterführung der Personenfreizügigkeit ausreichend und genügend gut ausgebildete Personen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Die Fragen stellte Joachim Heldt.

 

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