gs1-neton-header-05.jpg

Mieten oder investieren?

Mieten oder investieren? Hohe Renditen und die zunehmende Mietnachfrage bei Logistikimmobilien locken viele Investoren an. Ende 2009 lag die durchschnittliche Anfangsrendite für Logistikimmobilien an Top-Lage in Europa bei 7,75 Prozent.

(rv) Der Nutzen einer effizienten Supply Chain für die Bauwirtschaft wird durch die vorliegende Ausgabe von GS1 network anhand einiger Themenkreise sichtbar gemacht. Rechtliche Anknüpfungspunkte zwischen den beiden Disziplinen gibt es einige. Ein interessanter Aspekt ist die seit einigen Jahren immer häufiger anzutreffende Aufgabenteilung zwischen Investor/ Generalunternehmer einerseits und Logistikunternehmen andererseits bei der Erstellung und Nutzung von Logistikgebäuden unterschiedlicher Art.

Beweggründe der Aufgabenteilung
Aus der Vergangenheit wie auch der Gegenwart wissen wir, dass eine nachhaltige Globalisierung abhängig ist von einer funktionierenden Logistik zu zahlbaren Preisen. Seit Langem sind deshalb die Dienstleister im Bereich der Logistik weltweit mit Wachstum, technischen Innovationen und einem riesigen Bedarf an Wissenszuwachs konfrontiert, was auch der kontinental, regional und sogar lokal tätige Dienstleister zu spüren bekommt. Wer nicht neue Geografien oder Märkte erschliesst und sich dadurch Spezialwissen, grössere Kapazitäten und Ausrüstungen auf dem neusten Stand beschaffen muss, riskiert, mittel- bis langfristig seine Konkurrenzfähigkeit zu verlieren. Daraus resultiert ein hoher Bedarf an liquiden Finanz-mitteln, die es vorab zu generieren, sekundär durch Aufnahme von Fremdkapital sicherzustellen gilt. Im Rahmen dieser Aufgabe ist die Miete einer Liegenschaft anstelle einer Investition in Eigentum aus mehreren Gründen sinnvoll und nützlich. Hauptsächlich wird kein Kapital gebunden, und nach der festen Mietvertragsdauer ist der Dienstleister wiederum frei, bei Veränderung der Warenströme oder der Kundenstruktur seine eigene Organisation ohne Rücksichtnahme auf getätigte Investionen wiederum zu optimieren.

Beteiligte Parteien und deren Interessen
Die Anzahl beteiligter Parteien ist je nach konkreter Zielsetzung der Partner unterschiedlich. Im Regelfall ist zu beobachten, dass der Verlader mit dem Logistikanbieter eine umfassende oder teilweise Leistung für Teilbereiche seiner Produkte oder Tätigkeiten vereinbart, womit der Dienstleister Ort, Umfang und Ausgestaltung der dazu erforderlichen logistischen Bauten selber definiert. Massgebend sind für die Ausgestaltung der Bauten die Vorgaben des Verladers sowie die Bedürfnisse des logistischen Dienstleisters zur Erfüllung der vertraglichen Leistungspflichten. Für die Realisierung einer solchen Aufgabenteilung sind aus juristischer Sicht folgende Bereiche wesentlich: die Finanzierung der Baute, die Planung und Realisierung derselben sowie die Definition der Anforderungen, die die Baute erfüllen muss. Sofern diese Aufgaben durch unterschiedliche Personen ausgeführt werden, sind dadurch ein Investor, ein Generalunternehmer und ein Logistikdienstleister in verschiedene Vertragswerke, die aufeinander abgestimmt sein müssen, zu integrieren.

Gleiche Interessen – unterschiedliche Standpunkte
Verschiedene Aspekte sind zu unterscheiden: Zum einen muss die zu erstellende Baute Voraussetzungen erfüllen, die dem Logistikdienstleister eine vertragskonforme Leistungserbringung ermöglichen. Wichtig ist dabei nicht nur die Frage von Layout und Qualität der Baute. Im Zentrum steht das Ziel, dank der Baute eine höhere Effizienz und damit bei tieferem Preis eine wettbewerbsfähige Marge erzielen zu können. «Want»-und «Need»-Bedürfnisse sind sorgfältig zu prüfen. Beim Investor steht ebenso wie beim Generalunternehmer und auch dem Logistikdienstleister dasselbe Interesse nach Optimierung der Rendite im Brennpunkt der Überlegungen. Das zeigt, dass eine offene Kommunikation unter den beteiligten Parteien zwingend ist, um Erfolg zu haben. Damit ist aber auch gesagt, dass die einzelnen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten genau analysiert und geprüft werden müssen. Erst auf dieser Basis lassen sich die Vertragsstruktur und die darin zu vereinbarenden Rechte und Pflichten definieren. Der Beizug eines erfahrenen Juristen ist sehr zu empfehlen.

Planung, Realisierung, Nutzung
In zeitlicher Hinsicht müssen die Vertragswerke berücksichtigen, dass es eine Phase der Planung und der Erstellung der Baute gibt sowie eine anschliessende Phase, in welcher der Logistikdienstleister die Baute als Mieter zur Nutzung übernimmt. Diese Unterscheidung ist insofern wichtig, weil sich entlang der Planung und Realisierung seitens des zukünftigen Mieters Änderungswünsche ergeben können, die sich sowohl auf die Gestehungskosten der Baute als auch auf die künftige Miete auswirken. Entsprechende Mechanismen sind in den Vertragswerken vorzusehen. Nur so kann unter anderem sichergestellt werden, dass der Investor sein finanzielles Engagement betragsmässig begrenzen, der Generalunternehmer seine Planungs-und Vorleistungskosten im erträglichen Rahmen halten und der Logistikdienstleister die Auswirkungen von Abänderungen des Projekts, sei es aufgrund seiner eigenen Wünsche oder derjenigen seines Kunden und Verladers, auf die Miete und damit seine «Produktionskosten» sichtbar machen kann.

Viele Instrumente, ein Orchester
Der Bau einer Logistikanlage ist nicht nur meist eine Investition in zweistelliger Millionenhöhe, sie führt auch Menschen unterschiedlicher Branchen, Kulturen und mit eigenen Interessen zusammen. Das Interesse des Logistikdienstleisters ist die Vermeidung von substanzieller Kapitalbindung ohne Verlust auf diejenige Individualität der Baute, die am Markt Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu vermitteln vermag. Das gelingt durch die Miete einer Baute, die nach den eigenen Vorgaben erstellt, nicht aber finanziert wird.
Das Interesse des Investors kann je nach dessen Branchenherkunft und Tätigkeit stark variieren. Der reine Geldgeber – und daran müsste sich auch ein Investor orientieren, der aus einer anderen als der Finanzbranche kommt – hat ein überwiegendes Interesse an Sicherheiten für das langfristig investierte Kapital. Dabei spielt die weitere Nutzung nach Ablauf der ersten Mietdauer eine ebenso wichtige Rolle wie die risikogerechte Verzinsung. In den mir bekannten Fällen stiess dieser Fokus auf rein finanztechnische Betrachtungsweisen vielfach auf Unverständnis bei den anderen Beteiligten. Ein entsprechendes Verständnis kann das Projekt durchaus positiv beeinflussen, stehen am Ende bei allen beteiligten Parteien doch Renditeüberlegungen an vorderster Stelle. Schwierigkeiten bereitet in den meisten Fällen eines derartigen Unterfangens die Rolle derjenigen Partei, die den Bau planen und anschliessend realisieren muss. Konsequenterweise kann ausschliesslich der Investor Auftraggeber für die Realisierung sein. Wäre dem nicht so, müsste nicht eine Investition, sondern vielmehr die Gewährung eines Hypothekarkredits vermutet werden. Das aber ist genau nicht die Absicht der beteiligten Parteien, denn das Eigentum an der Baute soll beim Investor und nicht beim Logistikunternehmen anfallen. Diese Feststellung führt dazu, dass aus rechtlicher Sicht allein der Investor Aufträge für Planungen, Änderungen sowie Ergänzungen derselben an den Planer und/oder Realisator der Baute geben kann. Auch zeitliche Vorgaben und Anforderungen bedürfen zwingend eines Konsenses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, will heissen Investor und (meistens) Generalunternehmer. In der Realität kann demgegenüber der reine Finanzinvestor zu den Einzelheiten der Baute keinerlei Aussagen machen, da ihm meist die Fachkenntnis fehlt, aber vor allem die Anforderungen für die Leistungserbringung des Logistikers gegenüber seinem Kunden unbekannt sind.

Abstimmen und koordinieren
Das führt dazu, dass die Zusammenarbeit insbesondere in der Planungsphase zwischen Logistikunternehmen und derjenigen Partei, die die Planung und Realisierung übernimmt, sehr intensiv ist. Sehr häufig werden dabei unter rechtlichen Gesichtspunkten Aufträge durch den Logistiker an den Planer und Realisator erteilt, die eigentlich der Investor vornehmen müsste. Dieser duldet jedoch die auf Sachbearbeiterebene stattfindende Kommunikation im Wissen, dass er dazu nichts beitragen könnte. Regelmässige Schwierigkeiten treten dabei auf, wenn die Parteien, insbesondere der Investor, realisieren, welche Zusatzkosten aus dieser direkten, meist technischen Zusammenarbeit resultieren. Im Vordergrund stehen in den meisten Fällen die zeitlichen Vorgaben des Logistikers, der, gedrängt von seinem Kunden, die Baute eigentlich seit gestern nutzen sollte. Dieser Druck wird meist an den Generalunternehmer weitergegeben, was diesen zusätzlich zu reinem Planungsaufwand auch zu vertraglichen Verpflichtungen im Sinne von Reservationen für Produktionskapazitäten oder gar Produktionsaufträgen für Elemente veranlassen kann, die eine gewisse Vorlaufzeit benötigen. Ohne eine konsequente Kommunikation und Koordination dieser Tätigkeiten und deren Auswirkungen für das Projekt, aber auch die beteiligten Parteien, sind Differenzen zwischen den Parteien bis hin zu jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen nur eine Frage der Zeit. Wichtig ist es, den professionellen «Dirigenten» zu finden, der die Tätigkeiten aufeinander abstimmt, sodass am Ende eine wunderschöne Melodie entsteht, oder mit den Worten von Rev. Halford E. Luccock, Professor of Homiletics an der Yale’s Divinity School: «No one can whistle a symphony. It takes an orchestra to play it.»

Robert Vogel, lic. jur. Rechtsanwalt
LL.M. Internationales Wirtschaftsrecht

Nach oben