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Krise und Zuversicht

Krise und ZuversichtDie Aussichten für die Branche «Detailhandel» sind 2009 nicht besonders rosig. Die Konsumentenstimmung trübt sich zunehmend ein, Ausgaben werden reduziert. Neu in den Markt eintretende Player werden besonders im Lebensmittelhandel den Konkurrenz- und Verteilungskampf fortführen. Insgesamt haben dank dem verhaltenen wirtschaftlichen Umfeld Discounter gute Karten, etablierte Player müssen mit neuen Strategien die Kunden umgarnen.

(as) Anfang 2009 präsentierte die Credit Suisse eine zusammen mit der Beratungsfirma Fuhrer & Hotz erstellte Studie: «Retail Outlook 2009» identifiziert wichtige Trends und Entwicklungen für die Branche.

Neben einem ausführlichen Blick in die Untersuchung haben wir vier verschiedene Experten aus Wissenschaft und Praxis zu ihren Prognosen für den Detailhandel 2009 befragt.

Umsatzwachstum geht zurück
Gemäss «Retail Outlook 2009» muss der Detailhandel mit einem deutlich nachlassenden Umsatzwachstum rechnen. Teils dürfte es stagnieren oder gar negativ ausfallen. Zudem verortet die Bank den Detailhandel unter den Schweizer Wirtschaftsbranchen mit einem geringen mittelfristigen Chancen- Risiken-Profil. Gemäss dem «Branchenhandbuch 2009» findet sich der Detailhandel auf dem fünftletzten von insgesamt 31 Rängen, der Grosshandel figuriert auf Platz 14.

Im Lebensmittel-Detailhandel dürfte sich die Situation mit dem im ersten Halbjahr erwarteten Markteintritt von Lidl akzentuieren und den Strukturwandel anheizen. Schweizer Grossverteiler leiden dabei weiter an ihrer fallenden Flächenproduktivität und immer unkomfortableren Margen. Mittelfristig erwartet man Rabattschlachten, die letztlich den etablierten Anbietern schaden werden. Gelinge es den Schwergewichten, ihre Vorteile im Sortiment, bei Standorten und Konsumentenbindung mit einer klareren Positionierung zu vereinen, dürfte der Abstand gegenüber den künftigen Nummern 3 und 4 «langlebig, wenn auch nicht ungefährdet» sein. Die Studie sieht Migros und Coop in der Beweislast, wie gut man sich den veränderten Verhältnissen anpassen könne. Bis Aldi und Lidl jedoch auf einen von  IHA-GfK als kritisch bewerteten Marktanteil von 5 Prozent kämen, brauche es bis 2010 insgesamt 220 Standorte. Das Finden attraktiver Standorte werde für die zwei Discounter die «grösste Knacknuss», heisst es.

Langfristig weniger Beschäftigte
Insgesamt zeigt sich ein Trend zu grösseren Flächen mit weniger Beschäftigten. Die Automatisierung geht mit Ausnahme weniger Nischen, wie etwa bei Luxusprodukten, weiter. Auf lange Frist sieht die Studie einen anhaltenden Rückgang der Beschäftigtenzahlen in der Branche, auch wenn 2007 und 2008 gegenläufige Entwicklungen zeigten. Ausserdem verlaufe das Flächenwachstum «unverhältnismässig schneller» als das der Umsätze. Der daraus resultierende Kostendruck könne kaum noch bei den Personalkosten oder bei den Zulieferern ausgeglichen werden, heisst es in der Studie.

Immerhin darf man in den kommenden Jahren mit geringeren Mieten rechnen. Denn die Schweiz ist mit 1,6 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner europäischer, wenn nicht gar weltweiter Spitzenreiter. Im EU-Schnitt liegt die Zahl bei 1,1 Quadratmetern. Vor diesem Hintergrund bestehe «ganz offensichtlich kein Nachholbedarf bei Verkaufsflächen», der Markt ist vielmehr gesättigt. Jeder Neubau sei a priori risikobehaftet. Deshalb könnten die Mieten 2009/2010 unter Druck kommen, vor allem an weniger rentablen Lagen, aber auch im einen oder anderen grösseren Shoppingzentrum.

Konsumenten weniger verwirren
Die Detailhändler reagieren auf das veränderte Marktumfeld mit neu ausgerichtetem Marketing. Dabei geht es vor allem darum, die «steigende Konsumentenverwirrung » zu reduzieren. Denn die überwiegende Mehrheit aller Detailhändler im Food- und Non- Food-Bereich hat in den vergangenen Jahren mit einer massiv erhöhten Artikelanzahl pro Geschäft auch das Informationsaufkommen am POS gesteigert. Gemäss einer Umfrage unter Marktteilnehmern und deren Lieferanten- Partnern hat der Wunsch nach «Überschaubarkeit» am POS bei fast 80 Prozent der Befragten sehr grosse oder grosse Bedeutung. Für knapp 70 Prozent ist die Orientierung sehr wichtig. Etwas mehr als die Hälfte wünscht sich «Berechenbarkeit», und gut 40 Prozent stufen «Geborgenheit» als bedeutsam ein. Zudem erwartet man, dass die Bedeutung der Händlermarke am POS steigen wird, weil erfolgreiche Retail- und POS-Konzepte eng mit Vertrauen, aber auch Erlebnis, Convenience und Wohlfühleffekten verbunden sind. Im Handelsmarketing werden dagegen Punkte wie «Produkt-/ Sortimentspolitik», «Preispolitik» am höchsten gewichtet, während Themen wie Category Management oder Efficient Consumer Response im Mittelfeld und darunter angesiedelt sind. Die Mehrheit der befragten Experten erwartet, dass der Trend zu Nachhaltigkeit weitergeht. Vor allem auf Seiten der Hersteller machte Credit Suisse noch grosses Potenzial aus: «Vieles ist geplant, einiges eingeleitet », heisst es. Die kommenden Jahre würden zeigen, ob man an den Megatrend glaube und agiere oder nur auf Druck von aussen reagiere.

Zerrieben zwischen Marken und Discountern
Zudem gelte es Konsumenten vermehrt mit preisorientierten, aber dennoch trendbewussten Angeboten zu gewinnen. Beispiele im Non-Food- Sektor seien die stark vertikalisierten Unternehmen H & M und Zara, die für preis- und trendbewusste Kunden schnell wechselnde Angebote machten. Sogar Premiumanbieter müssten strategisch nachziehen. Unter Druck zwischen Handelsmarken und Discountern geraten vor allem diejenigen, «die weder den emotionalen, funktionalen oder technischen Mehrwert des neuen Luxus bieten noch mit den Preisen der Billiganbieter mithalten können ». Einzig durch Differenzierung könne man sich zwischen diesen Polen neu definieren. So hätten sich im Non- Food-Detailhandel zahlreiche grosse, oft ausländische Anbieter auf Kosten kleiner unabhängiger Anbieter etablieren können. Man rechnet damit, dass sich nun auch im stark regulierten Zweig der Apotheken, aber auch bei Drogerien, grosse Ketten vermehrt um Marktanteile bemühen werden.

Alexander Saheb 

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