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Unverwechselbar und eindeutig

Unverwechselbar und eindeutigWer ist wer? Im Spital und bei medizinischen Behandlungen muss man das genau wissen. Operationsteams sollten nicht lange nach Patientenidentitäten suchen müssen, und auch bei der Medikamentenabgabe dürfen keine Verwechslungenpassieren.

(as) Somit ist die eindeutige Identifikation von Patienten im Gesundheitswesen besonders wichtig, betont Hansjörg Looser, Leiter eHealth beim Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen, in einem bislang unveröffentlichten Beitrag für die Fachzeitschrift «SIR medical».

Verwechslungen ausschliessen
Die verwechslungssichere Patientenidentifikation hat einen zunehmenden Einfluss auf die Behandlungssicherheit. Denn viele unerwünschte Ereignisse gehen auf Fehler zurück, die durch Verwechslung von Patientinnen und Patienten entstehen. Die zunehmende Komplexität arbeitsteiliger Behandlungsprozesse und die Spezialisierung der Versorgungssysteme steigern die Gefahr einer Personenverwechslung. Erfahrungsgemäss sind auch die gleichzeitige Versorgung vieler Personen, ein grosses Leistungsangebot sowie die zahlreichen Beteiligten am Behandlungsprozess weitere Risikofak toren.

Eine eindeutigen Patientenidentifikation verlangt auch die Fachgruppe «Standards und Architektur», die eines der sechs Teilprojekte des eHealth-Koordinationsorgans Bund und Kantone darstellt. In ihrem Ende Oktober 2008 vorgelegten Zwischenbericht stellte die Fachgruppe ihre Forderungen vor: dezentrale Patienten-Verzeichnisse zur eindeutigen Identifikation der im Schweizer Gesundheitswesen in Behandlung stehenden Personen auf verschiedenen Ebenen (organisationsbezogen, lokal, regional, international) nach gleichen Prinzipien (Master-Patient-Index-Funktionalität mit verschiedenen Identifikationsmerkmalen). Ein solcher MPI verlinkt dabei die verschiedenen vergebenen Identifikationsnummern eines Patienten aus den jeweiligen Anwendungssystemen in unterschiedlichen Einrichtungen.

Ende 2007 legte der Kanton St. Gallen das Grobkonzept eines solchen Master-Patient-Index (MPI) vor. Es zeigt in technischer und organisatorischer Hinsicht auf, wie Patientenidentifikationen aus verschiedenen Unternehmen mit einem zentralen MPI ausgetauscht werden können. Dabei müssen mehrere hierarchisch abgestufte MPI berücksichtigt werden: denn sowohl Spitäler als auch der Verbund wie der Kanton, die Region und die ganze Schweiz bis hin zu internationalen Ebenen könnten eigene MPIs führen. Nach einer Ausschreibung im offenen Verfahren bis September 2008 ging der Zuschlag für die Realisierung an die Zürcher Abraxas Informatik AG als Generalunternehmerin.

Eindeutige Patientenidentifikation
Das Lösungskonzept beschreibt, wie die MPI-Software alle Identifikationsnummern zu einer Person aus den verschiedenen IT-Systemen sammelt und für jede erfasste Person einen Referenzdatensatz mit den aktuellen demografischen Daten erstellt. Der MPI vergibt dann für diesen Referenzpatienten eine zentrale Patientennummer, die MPI-ID.

Die Patientenstammdatensätze aus den verschiedenen Einrichtungen werden im MPI mit diesen Referenzpatienten verknüpft. Allerdings kann dieser Vorgang nur begrenzt automatisch erfolgen, weil für die Gesamtheit aller im Spitalverbund behandelten Patienten derzeit kein eindeutiges Merkmal zur Identifikation einzelner Patienten besteht. Somit stellt man auf die Ähnlichkeit zwischen einem neuen Stammdatensatz und dem Referenzpatienten ab.

Bei beispielsweise mehr als 90 Prozent Ähnlichkeit erfolgt dann eine automatische Zuordnung. Allerdings bleibt noch immer ein «Bodensatz» der nicht zugeordnet werden kann und ein manuelles Clearing erfordern wird. Die kommende neue Versichertenkarte erlaubt aber das elektronische Auslesen der neuen 13-stelligen AHV-Nummer. Damit steht dann ein valides Identifikationsmittel für einzelne Patienten zur Verfügung.

Bestehende Standards einsetzen und fördern
Doch allein ein solcher Index tut es nicht. Im Rahmen der Implementation greift man auch auf die Arbeitsergebnisse zahlreicher internationaler Initiativen zurück, die Standards und Wissen rund um das Thema MPI bereits erarbeitet haben.

So engagiert sich die weltweite Initiative IHE (Integrating the Healthcare Enterprise) dafür, die immer wiederkehrenden Integrationsprobleme beim Vernetzen von Computersystemen zu verbinden. In Deutschland, Frankreich und Österreich bestehen eigene IHE-Vereinigungen, die in einer europäischen Dachorganisation zusammengefasst sind. Allerdings existiert noch kein schweizerisches Pendant hierzu.

IHE will nicht eigene Standards entwickeln, sondern den Einsatz der bestehenden fördern. Das geschieht durch die Entwicklung eines technischen Rahmenwerks (IHE Technical Framework). Dieses liefert zum einen präzise Definitionen von system- und abteilungsübergreifenden Arbeitsabläufen und beschreibt zum anderen, wie die existierenden Kommunikationsstandards eingesetzt werden sollten, um einen fehlerfreien Datenaustausch zu ermöglichen. Integrationsprofi le beschreiben Anwendungsszenarien, welche die Interaktion zwischen mehreren Computersystemen beinhalten.

Technologie im Dienst der Gesundheit
Bezüglich der Patientenidentifikation existiert das Integrationsprofil eines «Patient Identifier Cross-Referencing» (PIX). Es beschreibt den Umgang mit Patientenidentifikationen in grossen Gesundheitsinstitutionen. Dort besteht die Möglichkeit, dass ein Patient in mehreren Informationssystemen registriert ist, ohne dass ein zentrales System eine eindeutige Patientenidentifikation vornimmt.

Deshalb wird ein Akteur namens «Patient Identifier Cross Reference Manager» definiert. Diese Dachinstitution kann einerseits neu erstellte Patientendatensätze registrieren und allen angeschlossenen Teilnehmern nachfolgend zur Verfügung stellen. Sie kann andererseits auch bereits gespeicherte Identifikationen zur Verfügung stellen, was im Rahmen einer Abfrage oder Aktualisierung geschehen kann.

Eine andere Knowledge-Base ist die Initiative «Intersektorale Kommunikation des Verbandes der Hersteller von IT-Lösungen für das Gesundheitswesen» (VHitG). Sie will den Austausch von Nachrichten und strukturierten Dokumenten im medizinischen Kontext ermöglichen. Aufbauend auf den Ergebnissen von IHE PIX, beschreibt der «VHitG Leitfaden zur eindeutigen Patientenidentifikation» die Kommunikation zwischen den Primärsystemen und einem sogenannten Master Patient Index (MPI).

eKOGU, MeDIswiss und PMS
Im Kanton St. Gallen sind mittlerweile verschiedene eHealth-Projekte wie das elektronische Kostengutspracheverfahren (eKOGU), MeDIswiss (Medical Data Interchange) und die Einführung eines Patientenmanagementsystems (PMS) in allen öffentlichen Spitälern gestartet worden.

All diese Projekte erfordern den systemübergreifenden Datenaustausch. Mithin bekommt auch von dieser Seite her die Frage nach einer eindeutigen Patientenidentifikation eine zentrale Stellung. Von Bedeutung ist aber gleichzeitig auch die Definition von Standards für den Austausch dieser eindeutigen Patientendaten zwischen verschiedenen Computersystemen unterschiedlicher Leistungserbringer.

MPI in St. Gallen
Bei Drucklegung dieses Heftes hat der St. Galler MPI seine Feuertaufe bereits hinter sich. In der letzten Aprilwoche erfolgte bereits der Altdatenimport, und seit Anfang Mai steht die Anwendung den Fachapplikationen zur Verfügung. Das auf SAP basierende Administrativsystem ist in Interaktion mit dem MPI. Zunächst werden Anwendungen wie die Radiologie eingebunden, berichtet Hansjörg Looser. Gerade hier fi nden Untersuchungen oftmals anderswo statt als die übrige Behandlung, und ein elektronischer Befund- bzw. Datenaustausch bringt administrative Erleichterungen. Die jeweiligen Befunde stehen dann auch systemübergreifend zur Verfügung.

Schliesslich möchte man auch die EDV-Systeme zuweisender Hausärzte einbinden können. Damit werden die Patientenanmeldung und das Retournieren jeweiliger Berichte vereinfacht. Auch wenn der Patient beim Hausarzt Nr. 35 ist und im Spital Nr. 12 war – dank dem MPI werden die relevanten Informationen künftig reibungslos und richtig zugeordnet.

Alexander Saheb

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