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Trendwende in der Verlagerungspolitik

Trendwende in der VerlagerungspolitikDie aktuelle Konjunkturkrise trifft den Gütertransport auf der Strasse weit weniger hart als die Konkurrenz auf der Schiene. Sie bewirkt damit eine Trendwende, die der Verlagerungspolitik des Bundes diametral entgegenläuft.

(bs) Die aktuellen Zahlen des 1. Quartals 2009 machen es deutlich: Der Rückgang der Gütertransporte im alpenquerenden Verkehr ist im Strassengüterverkehr (SGV) deutlich schwächer ausgefallen als im unbegleiteten kombinierten Verkehr (UKV) auf der Schiene.

Das heisst: die gegenwärtige Wirtschaftskrise bewirkt eine Verlagerung der Gütertransporte von der Schiene auf die Strasse, was in klarem Widerspruch zu den Zielen der Schweizer Verkehrspolitik steht.

Wie ist das zu erklären? Und was für Massnahmen müssen ergriffen werden, diesen Trend wieder umzukehren? Der Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St. Gallen, unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle, hat im Auftrag des Bundesamtes für Verkehr (BAV) eine Analyse der Auswirkungen der Konjunkturkrise auf den alpenquerenden unbegleiteten kombinierten Verkehr durchgeführt. Ziel war es, die Entwicklungen des UKV und des Strassengüterverkehrs zu vergleichen, zu analysieren sowie kurz-und mittelfristige verkehrspolitische Handlungsoptionen abzuschätzen.

ÖV stärker betroffen
Beim UKV rechnet die Branche im Jahr 2009 mit einem Minus von rund 13 Prozent und geht von einer Stabilisierung des Marktes ab dem 4. Quartal 2009 aus. Damit ist der UKV deutlich stärker von der Konjunkturkrise betroffen als die Strasse, bei der für das gesamte Jahr 2009 von einem Rückgang um rund 8 Prozent ausgegangen wird. Durch die geringeren Sendungsmengen bestehen derzeit massive Überkapazitäten auf der Strasse, was insbesondere den KMU-Markt stark trifft, für den sich Überkapazitäten existenzgefährdend auswirken. Diese Entwicklung führe – so die Analyse von Stölzle und seinem Team – mittelfristig unweigerlich zu «Kannibalisierungseffekten» im Strassengüterverkehr, denn insbesondere kleine und mittlere Transporteure können den Betrieb im Grenzkostenbereich nicht beliebig lange aufrechterhalten.

Daraus kann aber der Bahntransport keinen Nutzen ziehen, denn aufgrund der hohen Fixkostenintensität der Schiene und vergleichsweise geringer Margen können Operateure des UKV in diesem Preiswettbewerb kaum mithalten.

Wie lange dauert der Trend?
Wie nachhaltig ist dieser Trend? Bedeutet er eine langfristige Kundenabkehr für die Schiene? Und wie kann der UKV in einem solchen Wettbewerb bestehen?

Für Prof. Dr. Wolfgang Stölzle ist klar: Die Verkehrspolitik befindet sich in einer klassischen Dilemmasituation, denn sowohl ein Eingreifen wie ein Nichteingreifen der Politik führen zu Marktveränderungen.

Kurzfristig könnten flankierende Massnahmen (wie beispielsweise verstärkte Kontrollen des Strassengüterverkehrs im Hinblick auf die Einhaltung von Lenk-und Ruhezeiten sowie technischer Vorschriften, neue Maut-Erhöhungen, selektive Fahrverbote oder eine höhere Besteuerung der Diesel-preise) zur Stärkung des UKV führen. Doch deren Wirksamkeit bleibt in Anbetracht bereits bestehender und erst vor Kurzem eingeführter Reglementierungen fraglich.

Denkbar wäre auch eine zusätzliche, gezielte Unterstützung von KV-Operateuren durch den Staat zur Erhaltung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Mittel-und langfristig muss jedoch gemäss Wolfgang Stölzle die gezielte Förderung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des UKV im Vordergrund stehen. Dazu gehören neben der Einführung nutzungsabhängiger Trassenpreise die Vergabe von Trassenprioritäten auch zugunsten des Güterverkehrs sowie die Ausweitung der verfügbaren Containerstellplätze (Slots) auf der Schiene für den UKV.

Optimierungspotenzial besteht zudem in der besseren Abstimmung der Planungen von Verladern und in der übergreifenden Erstellung von Konzepten zur Beschleunigung von Lieferketten. Im Zusammenhang mit dem Infrastrukturausbau bestehen Optionen zur Qualitätssteigerung durch den Ausbau von Umschlagterminals sowie das Anheben von Gewichtslimiten bei Zügen und Zuglängen.

Den Prognosen nach zu urteilen stabilisiert sich der Markt erst langsam gegen Ende des Jahres. Vor diesem Hintergrund beschloss jüngst das Bundesamt für Verkehr, die maximalen Abgeltungssätze für alle Abgangsgebiete konjunkturbedingt von Mai bis Dezember 2009 für Züge auf das Niveau von 2008 anzuheben und für Sendungen sogar zu verdoppeln. Mit diesen zusätzlichen Abgeltungen sollen Operateure die Möglichkeit haben, einen konkurrenzfähigen Preis anzubieten und neue Transporte zu akquirieren. Die Abgeltungserhöhung setzt somit direkt am Preis an. Ob der UKV nun auf gleicher Augenhöhe mit dem SGV mitspielen kann oder sogar gestärkt aus der Krise hervorgeht, wird sich zeigen – eine Chance hat er in jedem Falle erhalten. (Quelle: BAV)

Bernhard Stricker

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