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Barcode, Data Matrix und viel Aufmerksamkeit

Barcode, Data Matrix und viel Aufmerksamkeit Lückenlose Transparenz, so lautet das Motto für die Produktion und Rückverfolgung von Blutplasmaprodukten. Ohne einwandfreie Identifikation läuft bei CSL Behring in Bern deshalb nichts durch die Anlagen. Das zu einer australischen Firmengruppe gehörende Unternehmen zählt zu den grössten seiner Branche.

(as) Immunglobulin und Albumin sind die Hauptprodukte von CSL Behring in Bern. Immunglobulin wird bei Immunmangelkrankheiten eingesetzt. Albumin dient in der Intensivmedizin der Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs.

«Produktqualität und -sicherheit sind fundamentale Aspekte», wie Andreas Wicki, stellvertretender Produktionsleiter, betont. Entsprechend reflektiert sich das Qualitäts-und Sicherheitsbedürfnis in der Produktionskette dieser Eiweisssubstanzen. Weil der Rohstoff Blutplasma vergleichsweise teuer ist, besteht keine umfangreiche Lagerhaltung. Das Just-in-time-Konzept gilt idealerweise ab der Plasmaspende und auch in der Produktion. Für diese ist eine langfristige und sorgfältige Planung wichtig, da es mehr als einen Monat braucht, bis aus der einzelnen Spende ein fertiges Arzneimittel geworden ist.

Ausgangsmaterial der Prozesse bei CSL Behring sind Blutplasmaspenden. Blut besteht aus einem flüssigen Anteil, dem Plasma, und den Blutzellen bzw. Blutkörperchen. Die Separierung des Plasmas erfolgt bei der Vollblutspende bereits unmittelbar nach der einzelnen Blutspende mittels Zentrifugation. Bei der reinen Plasmaspende, der zweiten Art der Blutplasmagewinnung, erhält der Spender die Blutzellen beim Spendevorgang direkt wieder zurück und kann deshalb wesentlich öfter spenden als Vollblutspender, die einen halben Liter Blut pro Spende abgeben. CSL Behring betreibt über ein Tochterunternehmen ein eigenes Netz von über 70 Plasmaspendezentren in Deutschland und den USA. Zusätzlich wird auch von anderen Organisationen wie beispielsweise dem Roten Kreuz eingekauftes Plasma verarbeitet. Via zwei Lagerhäuser kommt das auf minus 30 Grad tiefgekühlte Plasma in eines der weltweit drei Verarbeitungszentren: Bern, Marburg und Kankakee in den USA.

Eine australische Behörde geht an die Börse
Die weltweite Vernetzung des Unternehmens liegt in der Geschichte der Firmengruppe begründet. Aus den 1916 als Teil des australischen Gesundheitsministeriums gegründeten Commonwealth Serum Laboratories (CSL), wurde 1991 eine Aktiengesellschaft und 1994 verkaufte der australische Staat seine Anteile. Seither werden die Aktien der Holdinggesellschaft CSL Limited an der australischen Börse gehandelt. Im Jahr 2000 übernahm man das 1949 vom Schweizerischen Roten Kreuz gegründete ZLB Zentrallaboratorium Blutspendedienst SRK, das heute CSL Behring AG heisst. 2004 wurde vom deutsch-französischen Pharmakonzern Aventis die Einheit Aventis Behring gekauft, mit dem Unternehmen in Bern zusammengelegt und dann zur CSL Behring umfirmiert. Ihre Wurzeln sind die 1904 vom deutschen Nobelpreisträger für Medizin Emil von Behring gegründeten Behringwerke, dessen Forschungsarbeit die moderne Immuntherapie erst ermöglichte. Die Firmengruppe erzielte in den Jahren seit 2004/05 ein stetiges Wachstum ihrer Umsätze von 2,7 auf über 5 Milliarden australische Dollar. Die Gewinne stiegen von 235 Millionen auf 1,146 Milliarden Dollar und die Dividende von 15,7 auf zuletzt 70 australische Cents an. Die CSL-Firmengruppe mit den operativen Gesellschaften CSL Behring und CSL Biotherapies fokussiert ihre Aktivitäten auf «Behandlung und Prävention ernster Erkrankungen des Menschen», wie es im Jahresrückblick 2008/09 heisst. Insgesamt werden weltweit mehr als 10 000 Personen beschäftigt, in Bern zählt man 950 Mitarbeitende.

Strikte Identifikation vor der Produktion
Für die Verarbeitung wird das Plasma tiefgefroren in den Spendeeinheiten angeliefert. Dabei ist jede einzelne Spendeeinheit bereits mit einem EAN128-Barcode versehen. Dies erlaubt es, die vom jeweiligen Spender erhobenen Informationen via Software direkt mit der Spende zu verknüpfen. Vom Spender werden Daten und Ereignisse abgefragt, die auf die Qualität der Spende Einfluss haben können. Das sind beispielsweise Aufenthalte in afrikanischen oder asiatischen Staaten oder ein Sexualverhalten mit erhöhtem Infektionsrisiko. Nachgelagert erfolgt zudem für jede Spende ein Labortest auf verschiedene Parameter. Sollte dabei ein Ausschlusskriterium erfüllt werden, muss schliesslich nicht nur die aktuelle Spende selbst, sondern auch alles Material, das jemals von dieser Person gespendet wurde, aus dem Kreislauf entfernt werden. Die Spendezentren erfassen zu jeder Spende die angefallenen Informationen in einer Datenbank. Während die Spendezentren ein System namens SPI (System for Plasma Identification) nutzen, wird von CSL Behring sowohl dieses SPI als auch SAP verwendet. Das SPI dient der Identifikation der Plasmaeinheiten, die Chargenidentifikation und Rückverfolgbarkeit leistet SAP. Die einzelnen detaillierten Angaben des Spenders und die Laboranalysen zur jeweiligen Einzelspende sind nur im SPI verfügbar. Eingangs der Verarbeitungskette werden die einzelnen Plasmaeinheiten auf einem Fliessband im Zweisekundentakt von einem automatischen Scanner erfasst. Dieser liest den Barcode ein und es erfolgt ein automatischer Vergleich mit dem hinterlegten Datenbestand zu dieser Spende. An diesem kann es auch nach der Spende noch zu Änderungen kommen, wenn beispielsweise zeitverzögert zur eigentlichen Spende ermittelte Laborwerte eine Abweichung von den erlaubten Parametern zeigen (Post Donation Information PDI). Sollten mittlerweile Ausschlusskriterien vorhanden sein oder ist ein Lesefehler aufgetreten, wird die Spende aussortiert. Es erfolgt ein erneuter Lesevorgang zur Kontrolle, wie Cornelis Rijneveld, Assistent des Produktionsleiters, erläutert. Die Einheiten, die das Tor passiert haben, werden von einem Roboter automatisch in Barcode-etikettierte Kisten gepackt, die jeweils 50 Einheiten fassen. Nach dieser Eingangskontrolle ist die Ware bereit zur weiteren Verarbeitung. Weil die Ware aber eventuell über Nacht oder übers Wochenende nochmals gelagert wurde, erfolgt vor der definitiven Verarbeitung ein erneuter Scan der Codes auf den Kisten. Es wird geprüft, ob mittlerweile eine zusätzliche die Weiterverarbeitung blockierende Information zu einzelnen in der jeweiligen Kiste enthaltenen Spendeeinheiten eingegangen ist.

Bis zu 60 000 einzelne Spenden fliessen in ein Produkt
Ist das nicht der Fall, werden jeweils 10 000 Plasmaeinheiten aufgetaut, geöffnet und das Plasma als Batch gepoolt. Dieser wird dann in die Fraktionierung weitergeleitet. Hier werden in mehreren nacheinander ablaufenden Stufen unterschiedliche Proteine aus dem Plasma gewonnen. Das geschieht mit diversen Hilfslösungen zur Veränderung des pH-Wertes, aber auch mit Alkohol. CSL Behring betreibt mehrere parallele Produktionslinien. Der Link von den so gewonnenen pastenförmigen Eiweissen zum vorhergehenden Batch bzw. Plasmapool ist im SAP festgehalten. Jeweils nach der Verarbeitung eines Batches werden die Einrichtungen umfassend gereinigt, um keine Vermischungen zwischen den einzelnen Batches zuzulassen. In den weiteren Produktionsschritten werden dann die in Pastenform vorliegenden Fraktionen je nach Bedarf weiter miteinander vermengt. Allerdings besteht als Sicherheitslimite die international gültige Vorschrift, dass insgesamt nicht mehr als 60 000 einzelne Plasmaspenden in einem Produktionsgang zusammenkommen dürfen. Dies soll gewährleisten, dass bei einem allfälligen Rückruf nicht zu viele Produkte betroffen sind. Grundsätzlich kann es wegen nur einer fehlerhaften Spende zum Rückruf des gesamten Volumens kommen und es müssen alle Produkte, die aus den mit der fehlerhaften Spende vermengten anderen 59 999 Spenden gewonnen wurden, bis zum Abnehmer verfolgt werden können.

Data Matrix wird ohne Serialisierung eingesetzt
Am Ende der Produktion werden die gewonnenen Substanzen vollautomatisch und unter Reinraumbedingungen in Flaschen verschiedener Grösse verbrauchsfertig abgefüllt. Auf den Bördelrand der Kappe wird die Nummer des laufenden Fillings aufgebracht. Nach einer optischen Kontrolle aller Produkte kommt die Ware ins Lager. Anschliessend erfolgt das Labelling, bei dem je nach Zielmarkt ein Etikett mit einem EAN-128-Barcode (5–15 Prozent der Produkte), dem US-amerikanischen RSS-Code (60–70 Prozent der Produkte), einem GS1 Data Matrix oder anderen landesspezifischen Barcodes aufgebracht wird. Im Data Matrix werden die GTIN, Lotnummer und Verfalldatum erfasst. Eine Serialisierung wird mangels internationaler Einigung über das anzuwendende Format derzeit noch nicht flächendeckend vorgenommen, sondern nur in den Ländern, wo dies heute bereits gefordert wird, wie etwa Italien oder Belgien. Ausserdem folgt aus der Serialisierung ein deutlich grösserer Aufwand für das Zurücklesen der Daten und für das entsprechende Auszeichnen der einzelnen Labels. Bezüglich RFID ist man derzeit eher skeptisch. Hier stehen Kostenaspekte und die vermutlich sehr anspruchsvollen Anforderungen der US-amerikanischen Food and Drug Administration im Raum, die eine Verwendung derzeit nicht nahelegen. Des Weiteren müssten auch Datenschutzaspekte und letztlich die Tauglichkeit von RFID im speziellen Umfeld überhaupt erst evaluiert werden. Basis für die reibungslose Rückverfolgung der hergestellten Erzeugnisse über die gesamte Produktionskette vom Plasmaspender bis zum fertigen Immunglobulin in der Infusionsflasche ist die Software. Dort werden nicht nur von Anfang an Spende und Spenderdaten miteinander verknüpft. Diese Daten werden mit den PDIs auch nach der Spende selbst noch laufend aktualisiert. Bei CSL erfolgt die rigide Eingangskontrolle mit Blick auf die Verwendbarkeit der Spenden. Im weiteren Verarbeitungsprozess gilt eine strikte Erfassung der im jeweiligen Batch eingeflossenen Plasmaspenden. Bis ans Ende der Produktionskette ist lückenlos nachvollziehbar, welche Spenden in welchen verbrauchsfertigen Produkten enthalten sind. Alle Prozess-schritte und alle dafür verbrauchten Materialien werden von der IT dokumentiert. Dadurch lässt sich kontrollieren, welche Materialien wann und wo in den Prozess eingebracht wurden. Die Kontrolle reicht bis zu den flüssigen Hilfslösungen und den jeweiligen Filterelementen. Teilweise müssen sich auch Mitarbeitende durch Abscannen eines persönlichen Barcodes oder Vorlage eines elektronischen Schlüssels identifizieren, bevor sie Prozessschritte auslösen können. Das System prüft dabei im Hintergrund die Berechtigung der Person, die teilweise an notwendigen Qualifikationsmassnahmen hängt.

Alexander Saheb

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