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Alles verkehrt

Alles verkehrt Die Jahrespublikation «Strassenverkehr 2010» berichtet aus allen Bereichen rund um die Strasse, blickt zurück auf 50 Jahre Verkehrspolitik, liefert Wissenswertes zum Autobahnbau, zur Tunnelsicherheit und geht auf geologische und politische Knacknüsse ein.

(jh) Wir brauchen Mobilität. Sie verschafft uns Zugang zur Arbeit und Freizeit. Die Mobilität wird in Zukunft weiter zunehmen. Immer mehr Verkehrsteilnehmer legen immer häufiger längere Wege zurück. Das Verkehrsaufkommen auf den Nationalstrassen steigt stetig an. Das Strassennetz stösst schon heute an seine Grenzen; dies führt zu zäh fliessendem Verkehr oder Stau.

Mobilität und Wohlstand sind eng miteinander verbunden. Damit es um unseren Wohlstand auch in Zukunft gut bestellt ist, muss die Mobilität zum Nutzen von Gesellschaft und Wirtschaft so gestaltet werden, dass keine Schäden zulasten Dritter oder der Umwelt entstehen. Angesichts des Wachstums der Verkehrsnachfrage stellt das alle Infrastrukturbetreiber vor grosse Herausforderungen.

Dicht und teuer
Das Schweizer Autobahnnetz ist eines der dichtesten der Welt. Aktuell sind 1763,5 Kilometer Nationalstrassen in Betrieb, die alle Landesgegenden erschliessen. Im Endausbau soll das Netz 1900 Kilometer umfassen. Bis zur Fertigstellung im Jahr 2024 belaufen sich die Kosten laut Bundesamt für Verkehr auf 76 Milliarden Franken. Ein Grossteil der Bevölkerung wohnt weniger als zehn Kilometer vom nächsten Autobahnanschluss entfernt. Das schweizerische Nationalstrassennetz verfügt über 420 Anschlüsse, also im Durchschnitt über einen Anschluss alle vier Kilometer. In der Schweiz sind 220 Tunnels mit einer Gesamtlänge von mehr als 200 Kilometern in Betrieb. Jeder neunte Kilometer verläuft unterirdisch. Im Endzustand wird das Netz mehr als 270 Tunnels mit einer Länge von rund 290 Kilometern aufweisen. Mehr als drei Viertel der Nationalstrassen sind mindestens vierspurig. Sie bilden die Hauptachsen des internationalen Verkehrs. Elf Europastrassen führen durch die Schweiz, alle auf Nationalstrassen. Von grosser Bedeutung ist die Verbindung von Deutschland nach Italien durch den Gotthardtunnel. Die Gesamtlänge aller Strassen in der Schweiz beträgt 71 384 Kilometer.

Vier Millionen rollen durch die Schweiz
Das Wachstum der Zahl der Personenwagen ist explosionsartig angestiegen. 1964 wurde eine Million Personenwagen gezählt. Neun Jahre später waren es schon zwei Millionen, 1990 drei Millionen, und heute rollen vier Millionen Autos auf dem Schweizer Strassennetz. Das Bundesamt für Statistik zählte Ende September 2009 4 009 602 Personenwagen. 83 Prozent davon sind Benziner. Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge beträgt acht Jahre. Insgesamt wurden am Stichtag der Erhebung 5,27 Millionen Strassenmotorfahrzeuge gezählt: neben den vier Millionen Personenwagen noch 643 000 Motorräder, 328 000 Sachentransportfahrzeuge, 186 000 Landwirtschaftsfahrzeuge, 56 000 Industriefahrzeuge und 50 000 Personentransportfahrzeuge. Die Statistik führt auch noch gut 360 000 Anhänger auf.

Planen, bauen und betreiben
Während Sie auf den Strassen durch die Schweiz rollen, überlegen Sie sich mal, was es heisst, in einem dicht besiedelten Land mit so vielen topografischen und geologischen Besonderheiten Strassen zu bauen. Wie werden Sumpfgebiete durchquert, wie unstabile Berghänge durchbohrt? Wie kann dabei die Lebensqualität der Einwohner erhalten oder gar verbessert werden, ohne die Natur zu zerstören? Im Jahrbuch «Strassenverkehr 2010» werden die drei grössten Baustellen des Nationalstrassennetzes vorgestellt. Die Umfahrung BielBienne (N5), die Fertigstellung des Netzes im Oberwallis (N9) und die Umfahrung Roveredo (N13). Jedes dieser Projekte bietet besondere Herausforderungen, denen mit alten und neuen Techniken begegnet wird. An den Baustellen setzen unzählige Menschen alles daran, die Schwierigkeiten zu meistern, damit sichere Verkehrswege zur Verfügung stehen werden. Der Strassenbau ist demokratischen Spielregeln unterworfen. Bevor die Baumaschinen auffahren können, laufen langwierige politische Prozesse ab. Verschiedene Linienführungen werden geprüft und wieder verworfen, Einsprachen eingereicht und gerichtlich beurteilt. Ein umfangreicher Entscheidungsprozess inklusive Mitwirkungsverfahren muss bewältigt werden. Das benötigt Zeit und Geld. Die Schweizer Bevölkerung ist bereit, für diese demokratischen Findungsprozesse die notwendigen Mittel einzusetzen – auch wenn diese Prozesse turbulente Auseinandersetzungen verursachen können.

Zu Fuss, auf Rädern und Rollen
Bis vor Kurzem waren die Strassen die Domäne des motorisierten Verkehrs. Das Denken verändert sich aber langsam. Heute wird angestrebt, den Fussgängern und Radfahrern ihren Anteil zurückzugeben. Die Strassen sollen für den Langsamverkehr sicherer gemacht werden. Auch das benötigt lange Prozesse des Planens und Politisierens, denn der Raum in den Städten und Dörfern ist belegt. Es braucht daher ein Umdenken, einen Wertewandel. Die Fortbewegung zu Fuss, auf Fahrrädern oder Rollen geniesst zwar politische Unterstützung, aber für dauerhafte Massnahmen reicht es trotzdem nicht. Bei den Strassen und Schienen sind Investitionen eine Selbstverständlichkeit, aber für die Radfahrer werden nur einzelne Verbesserungen wie spezielle Markierungen oder bestenfalls getrennte Radwege eingerichtet. Die Publikation zeigt Beispiele auf, wo der Gleichlauf von motorisiertem und nichtmotorisiertem Verkehr bereits umgesetzt wurde. Der Mensch rückt wieder in den Vordergrund, und das ist gut so.

Mehr Sicherheit
Wenn vom Strassenbau die Rede ist, darf die Technik nicht vergessen werden. Mit innovativen Methoden wird dem Ruf nach Effizienz und Nachhaltigkeit Folge geleistet; und dies in den Bereichen Strassenbau, Sicherheit und Automobilbau. Dem Thema der Sicherheit ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Verschiedene Beiträge zeigen auf, was unternommen wird, um Menschen beim Bau von Strassen und als Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen. Im Jahr 2008 verloren 357 Menschen auf Schweizer Strassen ihr Leben. Knapp 5000 wurden schwer verletzt. Im Rahmen von «Via sicura» will das Bundesamt für Strassen (Astra) die Verkehrssicherheit auf den Schweizer Strassen erhöhen. Die 60 Massnahmen verteilen sich auf acht Handlungsfelder. «Via sicura» wird die öffentliche Hand 300 Millionen Franken kosten. Der Betrag wird durch die Einsparungen ausgeglichen, die dank der vermiedenen Unfälle realisierbar sind. Die Personenund Sachschäden, Polizeiund Gerichtskosten betragen heute jährlich 840 Millionen Franken. 

Joachim Heldt

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