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Dank Robotern konkurrenzfähig bleiben

(bs) Das Institut für Automation gehört zur Hochschule für Technik an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch. Es ist spezialisiert auf Automatisierungsprozesse und federführend im Bereich der Erforschung neuster (Automations-) Technologien und Methoden. Wir sprachen mit Professor Niklaus Degunda und seinem Nachfolger Professor Roland Anderegg.

GS1 network: Welche Bedeutung hat die Automatisierung heute für die Schweizer Wirtschaft? Wie verbreitet ist die Automatisierung heute?

Niklaus Degunda: Die Automatisierung hat unseres Erachtens für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Bedeutung, weil die menschliche Arbeitskraft relativ teuer und knapp ist, Kapital aber zu guten Bedingungen zur Verfügung steht. Wir haben immer noch viele Zulieferer für die Autoindustrie, weil neben der innovativen Produktidee eben auch die automatisierte Fertigung eine konkurrenzfähige Produktion ermöglicht.

Roland Anderegg: Der Einsatz von Robotern in der schweizerischen Industrie ist stark von der jeweiligen Branche und vom Grad der Spezialisierung abhängig: Ein Roboter eignet sich besonders dann gut für die Automation von Handlingaufgaben, wenn weitermittlere Stückzahlen eines Produkts in Serie herzustellen sind. Bei Grossserien eignet sich meist eine spezifische Automationslösung besser, bei Einzelanfertigungen wird das Handling manuell durchgeführt. Roboteranwendungen gibt es insbesondere beim Verpacken von Lebensmitteln, wie kamerageführte Deltaroboter für das Einfüllen von Pralinen, oder beim Bearbeiten von medizinaltechnischen Teilen wie Hüftgelenken. Auch Baumaschinen werden mithilfe von Robotern geschweisst.

«Die Automatisierung hat für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Bedeutung. » Niklaus Degunda, dipl. Ing. ETH, bis Ende 2011 Dozent für Automatisierungstechnik und Leiter des Instituts für AutomationWie hoch schätzen Sie das Automationspotenzial in der Schweizer Wirtschaft ein? Wie viel Automation verträgt die Wirtschaft?

Niklaus Degunda: Das Automationspotenzial ist nach wie vor gross. Es gibt dank neuer Technologie neue Möglichkeiten. So gibt es bei mobilen Robotern (autonom oder halbautonom) neue Anwendungsfelder. Automation kann aber auch auf der Informatikebene noch zulegen. Lernende Maschinen sind ein Stichwort oder die Optimierung komplexer Prozesse.

Welches ist der Hauptgrund für die Installation automatisierter Prozesse in einem Betrieb?

Niklaus Degunda: Natürlich sind Effizienzsteigerung und Kostensenkung Hauptgründe für eine Automatisierung. Daneben gibt es aber auch Prozesse, bei denen die Sicherheit des Personals und der Anlagen eine Automatisierung verlangt: in Atomkraftwerken oder wo menschliche Sinne versagen, zum Beispiel bei sehr hohen Temperaturen oder bei Strahlung. Regelungsaufgaben gehören zu den zuerst automatisierten Aufgaben, weil sie eine ständige Überwachung von Regelgrössen erfordern, was einen Menschen sehr schnell überfordert.

Wann wurden in der Schweiz die ersten Roboter eingeführt bzw. eingesetzt?

Niklaus Degunda: Um 1770 wurden die ersten Androiden, menschenähnliche Roboter, in der Schweiz gebaut, von Vater und Sohn Jaquet-Droz: Puppen, die schreiben oder Klavier spielen. Sie sind heute noch funktionstüchtig und können im Museum in Neuenburg besichtigt werden.

Roland Anderegg: Die Idee, Roboter als Abbild menschlicher Tätigkeiten zu bauen, ist sehr alt, der Name Roboter geht auf die Geschichte des Golems in Prag zurück. Erste Einsätze von Robotern im modernen Sinn fanden nach dem Zweiten Weltkrieg statt, eine massive Steigerung der Einsätze wurde dank der Einführung von Soft-SPS und höherer Rechenleistungen Mitte der 1990er-Jahre möglich. Insbesondere die Bahnplanung des Roboters erfordert eine hohe Rechenleistung der Steuerung.

Stärkster Vorbehalt in der Gesellschaft gegen den Einsatz von Robotern ist nach wie vor das Argument des Jobkillers. Was entgegnen Sie darauf?

Niklaus Degunda: Es geht ja nicht darum, jeden Arbeitsplatz zu erhalten. Roboter übernehmen oft monotone Arbeiten, die von Menschen nicht über lange Zeit mit konstanter Qualität erledigt werden können. Natürlich geht da ein Arbeitsplatz verloren. Aber wenn die Konkurrenzfähigkeit dank automatisierter Produktion aufrechterhalten werden kann, ist für die Gesellschaft längerfristig mehr gewonnen als verloren. So können Unternehmen weiter existieren. An diesen hängen noch andere Arbeitsplätze, vom Unternehmer bis zur Putzequipe.

Zudem schafft ja die Automatisierung auch Arbeitsplätze. Und zwar interessante und anspruchsvolle. Die Automatisierungstechnik muss entworfen, entwickelt, gebaut, verkauft und unterhalten werden. Ihr Einsatz muss projektiert werden. Es gibt Umrüstungen und Weiterentwicklung.

 «Die Idee, Roboter als Abbild menschlicher Tätigkeiten zu bauen, ist sehr alt.» Roland Anderegg, Dr. sc. techn. ETH, Dozent für Mechatronik und seit 2012 Leiter des Instituts für AutomationWie viele Schweizer Roboterunternehmen gibt es heute, und wie konkurrenzfähig sind diese im internationalen Vergleich?

Roland Anderegg: Die swissT.net- Sektion 42 swissRobotics.net zählt etwa 25 Mitglieder. Dazu gehören Produzenten von Industrierobotern, wie ABB, Kuka, Stäubli, Bosch, aber auch Engineeringfirmen, welche die Automationsprojekte abwickeln. Während der Roboterhersteller ein Serienprodukt entwickelt und anbietet, integrieren die Engineeringfirmen diese Produkte in die spezifischen Anwendungen der Produktionsfirmen. Dabei entstehen teilweise eigenständige Technologien, wie zum Beispiel beim robotergestützten Schleifen.

Wo liegen die Grenzen der Automatisierung? An der menschlichen Fähigkeit, Bewusstsein entwickeln und flexibel auf unvorhergesehene Situationen reagieren zu können?

Niklaus Degunda: Ja, natürlich, das ist spezifisch menschlich. Meines Erachtens kann man bei Automaten nicht von Bewusstsein sprechen. Zwar gibt es lernende Maschinen, und sie können auf unvorhergesehene Situationen eventuell gut reagieren, aber von Bewusstsein mit Selbstreflexion ist das noch meilenweit entfernt. Im Moment liegen die Grenzen beim Erkennen von komplexen Situationen. Menschen können sehr schnell eine Situation erfassen, zum Beispiel im Verkehr, und entsprechend handeln. Ein Computer schafft das einfach noch nicht. Ob das in einigen Jahren anders sein wird?

Wie steht es um die Lehre und Forschung an Schweizer Hochschulen im Bereich der Automation? Wie hoch sind das Angebot und die Nachfrage nach entsprechenden Studienplätzen? Welche zukünftige Entwicklung erwarten Sie?

Niklaus Degunda: Es gibt meines Wissens keinen Studiengang Automation an Schweizer Hochschulen. Aber in verschiedenen Studiengängen wird Automation als Vertiefungsrichtung angeboten. Nahe bei der Automation sind die Studiengänge Systemtechnik, die an verschiedenen Schweizer Fachhochschulen angeboten werden, wie an der FHNW in Windisch oder an der FHO (Fachhochschule Ostschweiz) in Buchs. An der FHNW gibt es unser Institut für Automation, wo auch an wendungsnah geforscht wird. An der ETH bestehen ebenfalls Institute, die sich der Automation widmen. Die Nachfrage nach Studienplätzen in der Systemtechnik nimmt leicht zu, und wir erwarten, dass diese Tendenz bleibt oder verstärkt wird. Aber das ist wohl eher Hoffnung als seriöse Prognose.

«Automation ist mehr als messen, steuern und regeln einer Anlage », heisst es auf Ihrer Website. Was noch?

Niklaus Degunda: Intelligente Signalverarbeitung. Immer mehr geht es darum, Prozesse auch zu optimieren, effizienter zu machen. Und das nicht nur mit einfachen PID-Reglern. Bei komplexen Prozessen kann man mit mathematischen Methoden Kenngrössen ableiten, die dem Betriebspersonal, den Schichtführern gut verständliche Informationen zum Prozesszustand liefern. Oder noch einen Schritt weiter: Die Maschine lernt aus den analysierten Daten und passt ihre Parameter an. Da liegt ein Schwerpunkt der Tätigkeit unseres Instituts.

Welche Zukunft sehen Sie für die RFID-Technologie?

Niklaus Degunda: Aus unserer Sicht werden noch einige Prozessverbesserungen dank RFID auf uns zukommen. Aber in unserem Institut haben wir eher wenig mit RFID zu tun – momentan in einem Projekt, bei dem es um das Erkennen und Zählen von Fischen geht. Eine aussagekräftigere Antwort könnte da unser Partnerinstitut an der FHNW, das IBE (Institut für Business Engineering), liefern.

Zu den Aufgaben von GS1 Schweiz gehören auch das Vereinheitlichen und Beschleunigen von Prozessen und das Identifizieren von Partnern, Lieferstellen, Produkten und logistischen Einheiten. Haben Sie entsprechende Erfahrungen? Was kann das Institut für Automation dazu beitragen?

Niklaus Degunda: Am IBE wird an diesen Themen gearbeitet. Dort sitzen unsere Spezialisten für die Logistik. Wir am Institut für Automation beschäftigen uns eher mit den damit verbundenen technischen Fragen, zum Beispiel «Wie wird das Hochregallager energieeffizient betrieben?» oder «Lohnt es sich, beim Bremsen zu rekuperieren?». Entsprechende Untersuchungen wurden von uns schon durchgeführt.

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