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Handwerk im Dienste des Onlinekunden

Der Onlinevertrieb ist für den Kunden Problemlöser bei der Bereitstellung grosser Volumen und ermöglicht, auf das Schleppen schwergewichtiger Artikel zu verzichten.Rund zwei Dutzend Logistikspezialisten von GS1 Schweiz waren Ende April zu Gast im Kommissionierzentrum von coop@home in Spreitenbach. Im Rahmen des Themenfokustages E-Commerce befassten sie sich am Vormittag konzentriert und intensiv mit theoretischen Ansätzen. Am Nachmittag gab es Anschauungsunterricht vor Ort.

(mf) E-Commerce ist ein vielschichtiges Phänomen. Wie Valentin Wepfer und Silje Sartori von GS1 Schweiz an der Tagung darlegten, handelt es sich dabei nicht einfach nur um einen neuen Vertriebsweg. Der Onlinehandel stellt vielmehr eingespielte Beziehungen und Funktionen zwischen Anbietern von Waren und Services sowie Endkonsumenten infrage. So treten neu intermediäre Dienstleister auf dem Markt auf, welche sich auf die physische Heimlieferung online bestellter Güter spezialisieren; sie müssen durch Zuverlässigkeit und eine sehr niedrige Fehlerquote auf der letzten Meile zum Kunden überzeugen.

Individuell und rund um die Uhr
Auch die Sortimentsgestaltung verändert sich. Durch sogenannte Data- Mining-Prozesse können für Onlinekunden individualisierte Angebote am Bildschirm präsentiert werden. Onlinehändler bieten zudem Artikel an, über die sie physisch (noch) nicht verfügen, sondern nur über einen Datensatz des Produkts. Lagerhaltung und Sortimentsbetreuung funktionieren somit nicht mehr kongruent.
Auch für die Online-Zahlungsabwicklung und die Bonitätsprüfung gibt es Spezialisten. Was erstaunt: Rund 80 Prozent aller Bestellvorgänge im Versandhandel werden hierzulande über Internet abgewickelt. Die restlichen 20 Prozent erfolgen per Telefon oder über den Postweg. Bei der Zahlungsabwicklung bleiben Schweizer Konsumenten indes traditionell. Knapp neun von zehn E-Commerce-Usern bevorzugen immer noch den Kauf auf Rechnung.
Jüngst hat sich auch das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) mit anregenden Thesen zur Zukunft des Lebensmitteldetailhandels in die Diskussion eingebracht. Eine aktuelle GDI-Studie thematisiert unter anderem den gesellschaftlichen Trend zur partiellen Auflösung klarer Alltagsstrukturen. Unregelmässige Arbeitszeiten, Wochenend- und Schichtarbeit, unablässige Reisetätigkeit im Job, freiberufliche Tätigkeit oder Zweiverdiener-Familienmodelle führen zu einem Mehrbedarf an Schnellverpflegungsmöglichkeiten und koordiniertem Einkaufen. Betriebsformen, die spontane Kaufentscheide rund um die Uhr online oder via Smartphone entgegennehmen können, sind demzufolge gegenüber dem stationären Handel im Vorteil.
Als wichtigstes Segment im Einzelhandel scheint der Lebensmittelsektor allerdings von radikalen Umbrüchen noch verschont zu sein. Dennoch boomen nach wie vor die Online-Lebensmittelverkaufsformate LeShop und coop@home. Als Teil einer Multi-Channel- Strategie sind sie in die Logistik der längst im stationären Detailhandel dominierenden Migros und Coop eingebunden.

«Der Online-Lebensmittelhandel verdrängt den Standorthandel nicht – er ergänzt ihn.»
Philippe Huwyler, Chef von coop@home

Das Wareneingangsteam schneidet die Umverpackungen so zurecht, dass die Rüster problemlos auf die Artikel zugreifen können.Online als Problemlöser für schwere Artikel
Eine gute Bewirtschaftung des Onlineversandkanals gelingt gemäss Philippe Huwyler, Chef von coop@home, wenn der Anbieter seinen Kunden auf Dauer einen Mehrwert bieten kann: «Der Onlinevertrieb ist für den Kunden Problemlöser bei der Bereitstellung grosser Volumen und ermöglicht, auf das Schleppen schwergewichtiger Artikel zu verzichten.» Als Beispiele nannte er in seinem Referat Wein und Getränke (6er-Pack), Waschmittel, Holzkohle, Katzensand sowie Toilettenund Haushaltpapier – alles in Grosspackungen.
Ein zweiter Vorteil des Onlineversandhandels: Ladenöffnungszeiten fallen weg. Bestellungen können rund um die Uhr getätigt werden. Damit komme man Familien mit Kleinkindern entgegen. Auch bedingt durch die Mindestbestellmenge von 100 Franken decken sich vorwiegend grössere Haushalte mit dem vielfältigen Angebot an Non-Food-Artikeln und Lebensmitteln aus Spreitenbach ein. Auch Firmenkunden (kleine Gastrobetriebe, Kantinen) kaufen so Kaffee, Kaffeerahm, Zucker, Servietten und ähnliche Utensilien ein.
Bei gewissen Warengruppen geht coop@home über das Angebot stationärer Verkaufspunkte noch hinaus. Bei der Betriebsbesichtigung in Gruppen fiel das sehr breite Wein- und Spirituosensortiment auf. Gemäss Geschäftsführer Philippe Huwyler ist ein spezifisches Segment von Kunden auszumachen, das vorwiegend Wein einkauft; die betriebseigenen Camionnettes beliefern Haushalte im urbanen Siedlungsstreifen zwischen Genf und Zürich. Das Onlineversandhaus arbeitet bei der Distribution der Güter mit der Schweizerischen Post zusammen; das heisst, etwas abseits wohnenden coop@home-Kunden übergibt der Postbote die Taschen aus einem Mehrwegbehälter. Somit deckt das Liefergebiet von coop@home die gesamte Schweiz ab.

Zuschneiden, Picken, Aussteifen
Der logistische Aufwand im Detail und das emsige Treiben auf den verschiedenen Etagen des Verteilzentrums regten manche Experten aus der Konsumgüterindustrie zu Fragen und zu genauem Hinsehen an:

  • Kommissioniert wird mit mobilen Datenerfassern, die mit Barcodescannern ausgerüstet sind. Die Angestellten lesen die Pick-Aufträge am Datengerät ab und stellen den Einkauf im Auftrag des Kunden zusammen. Anstelle von klassischen Einkaufswagen werden Rollbehälter (jeder einem Kunden zugeordnet) befüllt. Im Tiefkühlbereich wird nach dem Pick-by-voice-Verfahren kommissioniert.
  • Die Rollbehälter mit den Kundentaschen durchlaufen eine Reise durch mehrere Etagen; zuerst werden schwere Artikel kommissioniert, zuletzt leichte Produkte. Im Zentrum wird zudem für die sorgfältige Anlieferung von Frischwaren viel Aufwand betrieben. So werden die Einkaufstaschen mit Versteifungskartons verstärkt, sodass auch Frischwaren, wie etwa Tomaten, noch heil ans Ziel kommen.
  • Tiefkühlprodukte über den Postweg werden mit Mehrwegbehältern geliefert, deren Deckel mit Trockeneis ausgestattet ist.
  • Am Freitag werden jeweils die meisten Bestellungen ausgeführt; die ganze Belegschaft des Zentrums wird dann aufgeboten.
  • Während des Rundgangs gaben die Umverpackungen (meist in Karton) viel zu reden, die aus den Verteilzentren an die Wareneingangszone gelangen. Das Wareneingangsteam sorgt dafür, dass die Handelseinheiten so zurechtgeschnitten sind, dass das Zugreifen auf die Artikel überhaupt möglich wird.

Das Lagergebäude stösst schon jetzt an seine Kapazitätsgrenzen. Häufig wird der Nachschub – meist in Paletten – an einem freien Platz im Lager deponiert. Die Sammelstelle aus leeren Rollbehältern wurde als Mieterausbaute an die Decke einer Etage montiert. Mit dem erwarteten jährlichen Umsatzwachstum von mehr als zehn Prozent wird eine Dislozierung von coop@home unvermeidlich. Läuft alles nach Plan, kann coop@home in absehbarer Zeit in eine grössere Verteilzentrale mit weit höherem Automatisierungsgrad umziehen.

Manuel Fischer

Steckbrief coop@home
• 13 000 Artikel
• 4 Camion-Anlieferrampen
• 100 Fahrzeuge Intralogistik
• 29 Artikelpositionen pro Einkauf
• 2011: 85 Millionen Franken Umsatz
• 2012: 96 Millionen Franken Umsatz
• 250 Franken beträgt der durchschnittliche Betrag pro Online-Einkauf.
• 16 Prozent der Kunden tätigen ihre Bestellungen mittels Apps für iPad, iPhone oder Android Mobile.
• Neu: An zwei Drive-in-Stationen können Pendler ihre Online-Einkäufe abholen.

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