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«Ich hab den Vorteil des kurzen Drahtes…»

Werner Gliem, LIHH-Geschäftsführer: «Die Logistik führt zu einer hohen Wertschöpfung und schafft Arbeitsplätze.»Die Logistik-Initiative Hamburg (LIHH) ist weit mehr als nur ein Branchenverband. Im Gespräch mit GS1 network schildert Werner Gliem, LIHH-Geschäftsführer, wie zahlreiche Akteure an praxisnahen Lösungen für morgen arbeiten, um die Logistik als Schlüsselbranche im Grossraum Hamburg zu stärken.

GS1 network: Wie gestaltet sich die Finanzierung eines Public- Private-Partnership-Projekts? Werner Gliem: Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich entschlossen, branchenbezogene Wirtschaftsförderung in erster Linie über eine institutionalisierte Form des Cluster-Managements voranzutreiben. Deswegen finanzierte die öffentliche Hand in der Startphase des Cluster-Managements unsere Geschäftsstelle fast vollständig allein. Inzwischen werden gut drei Viertel der Projekt- und Betriebskosten von Mitgliedern des Vereins Logistik-Initiative Hamburg getragen. Das heisst aber nicht, dass die Behörden sich zurückziehen. Die Stadt Hamburg will weiterhin ihre Anliegen im Logistikcluster platzieren und wird deswegen auch in Zukunft einen finanziellen Beitrag an unsere Projekte leisten.

Hilft das Konzept der Public-Private- Partnership, dass Lösungen für branchentypische Probleme schon früh mit den Behörden diskutiert werden können?

Ja, ein gutes Beispiel ist hier unser Arbeitskreis Verkehr. Es wird zwar anerkannt, dass die Logistik in hohem Masse zu einer hohen Wertschöpfung führt und Arbeitsplätze schafft. Gleichzeitig werden die negativen Aspekte der Branche von der Öffentlichkeit stark wahrgenommen, so etwa der zunehmende Lkw-Verkehr im Grossraum Hamburg. Die Akteure des Arbeitskreises treten mit den Behörden in Kontakt, um auf die Ganzjahres- Baustellenplanung Einfluss zu nehmen. Hierbei geht es um ganz konkrete Vorschläge, Staus zu verhindern. So sollen beispielsweise Reparaturarbeiten an Autobahnen ohne Spurverringerungen durchgeführt werden und während Spitzenverkehrszeiten ruhen.

Die LIHH setzt stark auf das Engagement der Mitglieder innerhalb von Arbeitskreisen. Was sind die Gründe?

 Der erste wichtige Aspekt unserer Arbeit ist, dass wir die Schnittstelle zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft sind und Projekte umsetzen, die sowohl unseren Mitgliedern wie auch der Gemeinschaft zugutekommen. In den Verkehrsarbeitskreisen geht es zum Beispiel darum, die bestehende Infrastruktur intelligenter zu nutzen und den Modalsplit der Hinterlandverkehre zugunsten der Schiene und der Binnenwasserstrassen zu optimieren.
Ein zweiter vordringlicher Aspekt ist, dass wir für aktuell formulierte Probleme Lösungsansätze bereitstellen wollen, die möglichst viele unserer Mitglieder umsetzen können. Unter diesen sind Kleinunternehmen mit weniger als zwanzig Beschäftigten, aber auch grosse Logistikunternehmen wie Kühne & Nagel. So ist es beispielsweise für kleine Mitglieder schwierig, den Überblick über sich häufig ändernde Rechtslagen im Seerecht, bei der Luftsicherheit oder bei versicherungsrechtlichen Fragen zu behalten. Grosse Unternehmen erstellen beispielsweise einen Compliance-Leitfaden, das ist Kleinunternehmen nicht möglich. Deswegen unser Arbeitskreis «Risiko und Recht», der Neuerungen im Recht schnell allen Mitgliedern zugänglich macht.

Infrastrukturprojekte haben im dicht besiedelten Deutschland wohl einen schweren Stand. Betreibt die Logistik-Initiative verkehrspolitisches Lobbying?

In der Regel kann das Bundesland Hamburg Infrastrukturprojekte nicht selbst vorantreiben. Ein Beispiel: Seit vielen Jahren ist im südlichen Raum Hamburgs eine Verbindung der Autobahnen A 1 und A 7 geplant – die südliche Querspange, wie wir sie nennen. Hamburg kann als Bundesland zwar seinen Einfluss in der einen oder anderen Stossrichtung geltend machen. Der Bau von Autobahnen ist aber Bundessache, die entsprechenden Entscheidungen werden in Berlin getroffen. Lobbying-Arbeit ist nicht primäre Zielsetzung unserer sehr breit aufgestellten Plattform.

Auch kein Lobbying in Bezug auf die geplante Elbvertiefung, welche die Hamburger Hafenwirtschaft herbeisehnt?

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Oktober letzten Jahres einem Eilantrag der Naturschutzverbände zum Aufschub der Fahrrinnenanpassung zugestimmt. Ich kann nur feststellen, dass die Hamburger Politik alles versuchte, um die verschiedenen Interessengruppen im Vorfeld an einen Tisch zu bringen und ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen. Die Fahrrinnenanpassung wird ja nicht einfach durchgeboxt, sondern es sind ökologische Kompensationsmassnahmen vorgesehen, die allen Anrainern und Beteiligten zugutekommen.

Wer setzt die grossen Themen wie Nachhaltigkeit oder Fachkräftemangel?

Hamburg trug 2011 als zweite Stadt nach Stockholm den Titel «Umwelthauptstadt Europas». Die Auszeichnung war das Ergebnis eines EU-Wettbewerbs. Wir von der Logistik-Initiative griffen das Thema auf, um einer breiteren Öffentlichkeit darzustellen, welche Strategien und Massnahmenpläne in Zukunft eine «grünere» Logistik ermöglichen. Dies stiess auf positive Resonanz, sodass wir beschlossen, für jedes Jahr ein Handlungsfeld als Jahresthema zu definieren, um Lösungsansätze für unsere Mitglieder zu skizzieren. Die Ende 2011 veröffentlichte Studie der technischen Universität Hamburg- Harburg zur Qualifizierung in der Logistik gab den Anstoss zu unserem Jahresbericht 2012 unter dem Titel «Menschen machen Logistik».

Im schön gestalteten Jahresbericht kommen Frauen in Führungspositionen von Logistikunternehmen zu Wort. Schöner Schein?

Der Frauenanteil in der Logistikbranche im Raum Hamburg liegt bei 17 Prozent, was teilweise auf spezifische Arbeitsbedingungen wie Schichtarbeit zurückzuführen ist und die damit zusammenhängenden Probleme des Wiedereinstiegs junger Mütter. Angesichts der Nachfrage nach mehr qualifiziertem Personal artikuliert sich der Wunsch, mehr Frauen mit höherer Fachbildung anzusprechen. Dies ist auch eine Massnahme, dem zukünftigen Fachkräftemangel in der Logistik zu begegnen. Es gab das Jahr durch zahlreiche Veranstaltungen beispielsweise zu Diversity-Management, zur Bedeutung der Mitarbeiterbindung bei kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch zum Thema «Frauen in Führungspositionen». Vielversprechend ist die Tatsache, dass über 50 Prozent der Logistikstudierenden in der Metropolregion Hamburg weiblich sind.

Was unterscheidet die LIHH von ähnlichen Logistikclustern in anderen Grossregionen Deutschlands?

Gegenüber anderen Initiativen habe ich als LIHH-Geschäftsführer den Vorteil des «kurzen Drahtes» zu den Verantwortlichen, da Hamburg ein Stadtstaat ist. Wir treffen uns vierzehntäglich mit den Verantwortlichen des Logistikreferats der Wirtschaftsbehörde, viermal im Jahr mit namhaften Logistikchefs unserer Region, die im Kuratorium der LIHH organisiert sind. Zudem besprechen wir unsere laufenden Projekte zweimal jährlich mit dem Wirtschaftssenator Hamburgs. Das schafft Vertrautheit mit den Themen unseres Netzwerks.


Die Fragen stellte Manuel Fischer.

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