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Ein Container statt einer Kühlkette

Pharmafirmen beklagen immer wieder hohe Ausschüsse, weil die Kühlkette beim Produkttransport in ferne und heisse Länder unterbrochen wurde. Der neue Container eines Zürcher Start-ups könnte das ändern.

Er ist schick, weiss und aus Plastik: Der Skycell 770c ist aber trotzdem nur ein Container. Doch dieser hat es in sich. Als komplette Neuentwicklung ist er auf die möglichst lange Beibehaltung einer konstanten Innentemperatur von zwei bis acht Grad optimiert worden. Und das mit Erfolg. Auf einer rund 200 Stunden dauernden Testreise von der Schweiz via USA nach Brasilien blieb die Innentemperaturin diesem Bereich, auch wenn es auf dem Tarmac der Flughäfen bis zu 55 Grad heiss wurde. Die Transportkostenlagen zudem 22 Prozent unter dem üblichen Niveau. Ein weiterer Trip nach Dubai verlief ebenfalls problemlos.Nach 144 Stunden hatte der Container eine Innentemperatur von 5,5 Grad und noch 60 Prozent Restenergie im zur Kühlung eingesetzten Gel.

Dieser Container ist das derzeit einzige Produkt des noch jungen Zürche rTechnologie-Unternehmens Skycell mit Sitz im Zürcher Technopark. Formell im November 2013 gegründet, zählt die Firma mittlerweile elf  Mitarbeitende. Die zwei Gründer, Richard Ettl und Nico Ros, sind im Team als CEO und Entwicklungschef tätig. Sie hatten sich an der Universität Fribourg kennengelernt. Mit dem Skycell-Container könnten sie ein permanentes Problem der Pharmalogistik lösen helfen. Die unvorhergesehene Unterbrechung einer als durchgehend geplanten Kühlkette ist im internationalen Transport mit Ziel Emerging Markets oft ein Grund für kostspieligen Produktausschuss von Medikamenten und biotechnologischen Produkten.

Diese Kühl«kette» braucht es beim Einsatz des Skycell 770c nicht mehr. Der Behälter nutzt eine passive Technologie und hat keine Energie verbrauchenden oder störungsanfälligen Kühlaggregate. Seine Wände verfügen über einen mehrlagigen Aufbau mit Schutz- und Isolationsschichten aus PET (Polyethylenterephthalat) sowie Kühlelemente mit einem Gelinhalt. Die ersten Modelle wurden von der Solothurner Bamotec gebaut und bei der EMPA in Dübendorf getestet – mit guten Ergebnissen.

Reges Interesse aus der Pharmabranche
Schon heute nutzen zwei Pharmafirmen den Container zur Auslieferung ihrer Produkte. Skycell hat bereits mehr als 600 Container, die bei Kunden im Einsatz stehen. Bis zum Sommer sollen es über 1000 Stück sein. Skycell verkauft die Container nicht. Sie werden an Pharmaunternehmen vermietet und just-in-time angeliefert. Allerdings wurde mittlerweile auch ein Provisionsmodell für Speditionen geschaffen, die ihren Kunden die Nutzung des Containers schmackhaft machen. Doch auch dann macht Skycell einen Vertrag mit dem nutzenden Unternehmen selbst.

Verkaufschef Markus Bärtschi, SkycellVerkaufschef Bernhard Bärtschi nennt drei Mietpreise, die er als erste Orientierung verstanden wissen will. Geht es in die USA, kostet eine sechstägige Nutzungsdauer 3500 Franken. In den Mittleren Osten werden 4050 Franken, an andere Destinationen 4550 Franken berechnet. Weitere Tage kosten gegen 500 Franken zusätzlich. Im Mietpreis eingeschlossen sind die Nutzung des Containers bis an den Bestimmungsort und die Rückholung durch Skycell.

Der Ausbau des Kundenkreises steht derzeit ganz oben auf der Prioritätenliste.Mit zahlreichen Pharmafirmen sei man bereits in der Validierungsphase, sagt Bärtschi. Die Kunden kommen vor allem aus Europa und den USA, die Transportdestinationen liegen meistens in Emerging Markets wie Brasilien oder dem Mittleren Osten. Skycell wird auch die Containerproduktion noch kräftig ankurbeln müssen. Einzelne Kunden würden über 1000 Container benötigen. Ausserdem sei es eine weitere Herausforderung, ein weltweites Netzwerk an Containercentern aufzubauen. Dann wäre die Anlieferung von Containern aus der jeweiligen Region heraus möglich.

Wiederaufladbares Kühlgel
Der Skycell 770c kann im Temperaturbereich zwischen minus 35 und plus 65 Grad eingesetzt werden. Der Container schützt den Inhalt sowohl vor Kälte wie vor Wärme und kann damit in gemischten Transportszenarien zum Einsatz kommen, bei denen hohe und tiefe Temperaturen abwechseln. Seine mehrlagige Hülle reflektiert 96 Prozent der externen Wärmestrahlung. Auch wenn sich die Aussentemperaturen zwischen minus 20 und plus 55 Grad Celsius bewegen, wird die Innentemperatur von zwei bis acht Grad Celsius über einen Zeitraum von bis zu 200 Stunden stabil gehalten. Lagert man den Container – das kann auch unterwegs sein – bei Temperaturen unter fünf Grad ein, lädt sich das verwendete Kältespeichermittel wieder auf, was die Transportdauer nochmals verlängern kann. Die Innentemperatur wird durch Sensoren aufgezeichnet. Diese Daten werden durch Gateways mit GPS und GSM-Anbindung online verfügbar gemacht.

Der Container ist 100 × 120 × 149 Zentimeter gross und hat damit die Masse einer US-Palette. Auf einer eigens angefertigten, elf Zentimeter hohen Palette stehend erreicht er eine Gesamthöhe von 160 Zentimetern, was für Flugzeug-Laderäume passend ist. Das Leergewicht des Behälters beträgt 270 Kilogramm. Der Container fasst ein Frachtvolumen von bis zu 770 Litern. Im Vergleich zu herkömmlichen Produkten,die bis zu 750 Kilo wiegen, erhöht er laut Angaben des Unternehmens die Volumeneffizienz um 50 Prozent pro Kubikmeter. Das Design und die Leichtbauweise sollen zudem die Transport-Gesamtkosten um mindestens ein Fünftel und die CO2-Emissionen um die Hälfte reduzieren.Das System erfüllt ferner die Richtlinien der neuen EU Good DistributionPractice (GDP). Da der Container aus PET besteht, kann er am Ende seiner Lebensdauer überall auf der Welt ins bestehende PET-Recycling-Netz eingespeist werden. Kostspielige Rücktransporte entfallen.

Im Durchschnitt macht ein Container zwischen vier und sieben Transportzyklen mit. Bärtschi nennt die mechanische Beanspruchung während desTransports als Hauptgrund für die Ausmusterung;die Container würden oft nicht gerade sanft behandelt.

Swiss Logistics Award für bahnbrechende Innovation
Eine neue Version des Containers hat statt einer Holzpalette einen Unterbau aus Aluminium, und es gibt auch eine Version mit einem inneren Aluminiumbehälter zum mechanischen Schutz der Ware. Geplant sind ferner ein grösserer Container, der eine ganze US Palette aufnehmen kann, und Behälter für höhere (15 bis 25 Grad) und tiefere (minus 20 Grad) Transporttemperaturbereiche.

Die Produktion der Skycell-Container erfolgt vollständig in der Schweiz. Neben der manuellen Herstellung bei Bamotec besteht eine automatisierte Fertigungsstrasse bei der Firma Robotec in Gossau. Nach Fertigstellung werden die Container auf minus 20 Grad gekühlt und dann auf plus fünf Grad akklimatisiert, was auch als Qualitätscheck dient. Bis zur Auslieferung an den Kunden werden sie von der Sennwalder Bischof Lagerhaus AG bei einer konstanten Temperatur von 4,5 Grad eingelagert.

Ob der Container auch wirklich die richtige Lösung für die jeweiligen Transportanforderungen ist, kann man auf der Website von Skycell herausfinden. Dort steht ein Simulationstool namens Skycell Transport Planner (SCTP) zur Verfügung. Man trägt für einen mehrteiligen Transportweg ein, wie viele Stunden der Container welcher Aussentemperatur ausgesetzt sein wird. Anschliessend errechnet das Tool, wie lange die Innentemperatur unter diesen Umständen konstant tief bleibt.

Mit dem Container hat Skycell im Jahr 2013 den renommiertesten nationalen Logistikpreis gewonnen, den SwissLogistics Award. Die Jury-Mitglieder beurteilten den Container als zukunftsweisendes Modell für eine neue Container-Generation, welche die Anliegen der Pharmabranche und die Sicherstellung der Produkteperformance optimal erfüllt. Die eingesetzte Kältetechnik stelle für die Anwendungin der Logistik eine bahnbrechende Innovation dar, hiess es in der Begründung der Jury weiter. Besonders beeindruckten die gelungene Verbindung von Bestehendem, der Mut zu Neuem unter Berücksichtigung steigender gesetzlicher Anforderungen in der Pharmabranche und die Erfüllung ökologischer Aspekte. Dem jungen Start-up-Unternehmen sei es gelungen, ein Produkt zu entwickeln, das der wachsenden Nachfrage nach pharmazeutischen Produkten und einer schnellen, sicheren und nachhaltigen Distribution vom Pharmawerk bis hin zum Verbraucher gerecht werde.

Alexander Saheb

 

Weitere Informationen zum Swiss Logistics Award: www.swisslogisticsaward.ch

 

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