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«Ein verpackungsfreier Supermarkt … das tut mir weh.»

Er ist kein Freund des radikal verpackungslosen Warenverkaufs: Für Andreas Zopfi, Leiter der Geschäftsstelle des Schweizerischen Verpackungsinstituts (SVI), gehen manche neue Ladenkonzepte zu weit. Schliesslich ist das Innovationspotenzial der schweizerischen Verpackungsbranche weiterhin hoch. Dank umfassender Modernisierungen und Innovationskraft hat sie wirtschaftlich wieder Tritt gefasst.

GS1 network: Wie beschreiben Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage der Branche nach dem ersten Halbjahr 2014?
Andreas Zopfi: Ich hoffe auf eine ansprechende Entwicklung für 2014. Dafür gibt es bereits erste Indizien aus der Branche. Eine treffende Prognose über die ganze Verpackungsindustrie hinweg ist schwierig, da sehr viele Materialien als Verpackung verarbeitet werden. So dürfte sich beispielsweise Aluminium gut entwickeln, da in der Ostschweiz eine grosse Dosenfabrik gebaut wird. Auch bei Kunststoff und Karton erwarte ich eine positive Entwicklung. Hingegen gibt es beim Blech starken Konkurrenzdruck aus dem Ausland, weshalb hier eher eine Stagnation absehbar ist. Die Verpackungsmaschinenhersteller wiederum entwickeln sich gut und stellen Personal ein. Der Export läuft vor allem über den EU-Raum hinaus erfreulich. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass sich die Branche nach der Finanzkrise 2008 gesundoptimiert hat. Es wurde viel Geld in die Automation der Produktion investiert. Allerdings haben einige Unternehmen den Betrieb auch eingestellt.

Lean Production war in den vergangenen Jahren ein wichtiges Thema der Industrie. Auch in Ihrer Branche?
Als der Euro nach 2008 auf Tiefststände gegenüber dem Franken fiel, spürte unsere Industrie einen extremen Preisdruck durch die ausländische Konkurrenz. Auch wenn der Materialeinkauf gleichfalls vom Wechselkurs profitierte, zwang das die Branche zu einer starken Modernisierung. Fertigung und Produktion wurden verbreitet optimiert, und man setzte stark auf Automatisierung. Wir haben diesen Trend seitens des SVI mit einschlägigen Informationsveranstaltungen unterstützt. Viele Betriebe wurden optimiert, teils verlagerten Unternehmen ihre Rohstoffproduktion auch ins Ausland. Heute sind wir deshalb gut aufgestellt und können konkurrenzfähig produzieren.

Haben alle Betriebe diese Entwicklung überlebt?
Es gab natürlich auch eine gewisse Bereinigung oder Konsolidierung. Gerade bei flexiblen Verpackungen kam es in den vergangenen Jahren zu Übernahmen. 2011 kaufte beispielsweise die US-Firma Ampac die Elag Verpackungen AG in Kirchberg BE. Der Standort blieb zwar erhalten, der Firmenname verschwand dadurch jedoch.

Welches sind aktuell wichtige Projekte für das SVI?
Eines unserer zentralen Projekte ist die Joint Industry Group on Packaging for Food Contact. Es gibt sie schon seit 2007; damals stellte die Verwendung von mineralölhaltigen Druckfarben auf Lebensmittelverpackungen ganz neue Anforderungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Heute fokussiert sich die Arbeit dieser Gruppe unter anderem auf die Verwendung rezyklierter Materialien für Lebensmittelverpackungen. Bisher sind dafür frische, neu hergestellte Papier- und Kartonmaterialien nötig. Wir arbeiten an Lösungen, die das Migrieren von Schadstoffen aus rezykliertem Verpackungsmaterial in die Lebensmittel unterbinden. Der Gesetzgeber ist hier nicht eindeutig, es wird lediglich die Unbedenklichkeit gefordert. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Konformitätsarbeit – die Hersteller müssen den einwandfreien Charakter von Ware und Verpackung und damit deren gesetzeskonformen Zustand bestätigen können. Wir haben auch viele Empfehlungen zum gezielten, anwendungsgerechten Einsatz von Materialien entwickelt.

Die Verpackung erfüllt zahlreiche überaus wichtige Funktionen, wie beispielsweise den Schutz eines Produkts.


Diese Arbeit wird von der Öffentlichkeit jedoch nicht sehr stark beachtet.
Der Einkauf von Verpackungen ist oft eine stark vom Preis gesteuerte Angelegenheit; deshalb kommt oft Importware ins Land. Wenn man dem Konsumenten vermitteln könnte, dass es gesundheitlich nicht einwandfreie Verpackungen gibt, würde das unserer Wirtschaft guttun. Dann würden die Grossverteiler auch weniger rein preisgesteuert Verpackungen kaufen. An die Verpackung von Budgetprodukten kann man auch keine hohen Anforderungen bezüglich Convenience stellen. Allgemein hat die Verpackung leider mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. Dies zeigen auch jüngste Artikel aus der Tagespresse. Dabei erfüllt die Verpackung zahlreiche überaus wichtige Funktionen, wie beispielsweise den Schutz eines Produkts. Diese Funktionen sind den meisten Konsumenten leider zu wenig bekannt, und hier wollen wir ansetzen.

Von der gesunden zur nachhaltigen Verpackung ist der Weg nicht mehr weit. Wie steht die Branche da, was ist Ihr Statement?
Kunststoff wird zu Unrecht verteufelt. Kunststoffverpackungen bieten das höchste Innovationspotenzial. Wenn das Downcycling stimmt und der Kunststoffsack im Abfall landet und verbrannt wird, ist die Ökobilanz besser als die einer Papiertragetasche. In der Schweiz sollte es unser vorrangiges Ziel sein, den Kunden dazu zu bringen, dass er nicht littert, die Verpackung also nicht in die Landschaft wegwirft. Sie gehört zurück in den Wertstoffkreislauf, in die Abfalltonne. Zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt engagieren wir uns im Rahmen der Revision des Umweltschutzgesetzes für eine Kreislaufwirtschaft. Bei PET, Karton oder Glas gibt es schon sehr hohe Recyclingquoten. Ziel wäre, dass noch mehr Verpackungen wieder
eingesammelt werden, beispielsweise Hohlkörperverpackungen von Weichspülern oder Tetrapaks.

Wir müssen den Kunden dazu bringen, dass er nicht littert, die Verpackung also nicht in die Landschaft wegwirft. Sie gehört zurück in den Wertstoffkreislauf, also in die Abfalltonne.


In anderen Ländern gibt es bereits verpackungsfreie Läden. Ist das nicht die einfachste Lösung des Problems?
Ehrlich gesagt, mir tut das weh. Eigentlich darf die Verpackung ja nie im Vordergrund stehen. Es geht immer um das Produkt. Die Produkte werden in diesen Läden ungeschützt verkauft. Sie werden bulk angeliefert und sind damit schon verletzt, wenn sie ankommen. Eine kleine Cellophanhülle auf den Äpfeln würde deren Lebensdauer verlängern. Dass die Verpackung in diesem Ausmass als negativ besetzt wahrgenommen wird, ist für mich nicht nachvollziehbar. Durch den verpackungslosen Verkauf von Lebensmitteln steigt zudem auch die Quote verdorbener Lebensmittel, die weggeworfen werden. Das ist sicher keine erstrebenswerte Entwicklung.

Der Swiss Packaging Award wird 2014 zum ersten Mal in neuen Kategorien vergeben. Welcher Gedanke steht dahinter?
Wir möchten mit dem Swiss Packaging Award eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit erzielen. Der von GS1 vergebene Swiss Logistics Award ist für uns sicher eine erstrebenswerte Dimension. Unsere neuen Kategorien wie Convenience oder Design sind darauf ausgerichtet, eine bessere Publikumswirksamkeit zu schaffen. Die Innovationen sind ja immer breit verteilt. Oft kommen gute Ideen aus der Kartonindustrie, manchmal ist aber nicht alles auf den ersten Blick sichtbar, beispielsweise wenn es um minimierten Materialverbrauch geht. Das sind dann Innovationen, die man sich erklären lassen muss.

Die Fragen stellte Alexander Saheb.

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