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«Mehr wissen zur Herkunft –ein echtes Bedürfnis…»

Kunden wünschen mehr Transparenz zur Herkunft von Produkten. Coop will diese Herausforderung anpacken – im Verbund mit allen Partnern in der Wertschöpfungskette. Andreas Dörr, Leiter QS Beschaffung, sieht im Management dynamischer Daten mit Auswirkungen auf Verpackungsdesign, Warenwirtschafts- und Kassensysteme die grosse Herausforderung.

GS1 network: Welchen Stellenwert hat das Thema Rückverfolgbarkeit bei Coop?
Andreas Dörr: Coop steht für Bio, Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität. Alle diese Ansprüche hängen direkt am Thema Rückverfolgbarkeit. Nur wenn die Herkunft und der Ursprung von kritischen und wertgebenden Rohwaren und Produkten bekannt sind und nur wenn die Anforderungen und die Kundenerwartungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette kommuniziert werden, kann auch sichergestellt werden, dass diese erfüllt werden. Mit der verstärkten Bedeutung des Onlinehandels erhält die Auskunftspflicht noch mehr Gewicht.

Es geht dabei nicht nur um den Gesundheitsschutz oder den Schutz vor Täuschung, wie er im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gefordert wird, sondern auch um den Kundenwunsch nach mehr Transparenz in Bezug auf die Herkunft von Produkten und deren Herstellungsbedingungen. Nur durch eine Rückverfolgbarkeit von Warenströmen und Produkten und die Übermittlung zugehöriger, relevanter Informationen kann dies gewährleistet werden. Rückverfolgbarkeit kann nicht mehr nur als Teil des Krisenmanagements verstanden werden. Heute stellt sie zunehmend ein Differenzierungsmerkmal dar.

Die Grossverteiler arbeiten seit Langem an der automatisierten Verfügbarkeit und Vernetzung von Daten hinsichtlich Rückverfolgbarkeit von Gütern. Mit welchen Herausforderungen zum Thema ist Coop in Zukunft konfrontiert?
Eine grosse Herausforderung ist es, die produktbezogenen, dynamischen Daten, also den Informationsfluss, mit dem effektiven Warenfluss zu verknüpfen, sodass immer sichergestellt ist, dass der Kunde auch die Ware erhält, die er erwartet. Bislang sind die Informationssysteme auf statische Informationen ausgerichtet. Wie kann aber sichergestellt werden, dass der Wechsel von Zutaten, Rohwarenherkunft, Jahrgängen nicht nur auf dem Produkt, sondern auch auf einer Onlineplattform ersichtlich ist? Und dies ohne dass ein gigantischer Datenfriedhof generiert wird?

Ein weiterer wesentlicher Aspekt betrifft die Absicherung und das Risikomanagement. Alles ist global vernetzt und verfügbar und somit auch austauschbar. Der Kunde erwartet aber vollkommen zu Recht, dass Versprechungen zu Herkunft und Authentizität eingehalten werden. Mit der Globalisierung ging jedoch ein Teil der Nähe und des direkten Zugriffs auf die Vorstufen verloren und somit auch die Informationstiefe. Eine grosse Aufgabe wird es sein, die diesbezüglichen Risiken zu erkennen und valide Daten und beherrschbare Methoden zu implementieren. Das Management dynamischer Daten schlägt sich zudem auch auf die Codierung von Produkten, das Verpackungsdesign und somit auch auf die Warenwirtschafts- sowie die Kassensysteme nieder. Für umfassende Verbraucherinformation reicht die GTIN (Global Trade Item Number) nicht mehr aus.

Komplexere Codierungen werden erforderlich, Verpackungen müssen angepasst werden, Warenwirtschaftssysteme müssen die Daten lesen und verarbeiten und die Kassensysteme die Produkte scannen können. Das zieht erhebliche Investitionen auf allen Stufen nach sich. Aus Sicht von Coop müssen sämtliche Stufen der Wertschöpfungskette in diese Entwicklung einbezogen werden. Dies ist auch ein Grund, warum sich Coop im Projekt Rückverfolgbarkeit von GS1 Schweiz stark engagiert.

Eine schnelle und einfach handhabbare Chargenrückverfolgbarkeit auf Ebene Verkaufseinheit ist eine grosse Herausforderung. Technische (Data- Bar, QR-Code usw.) und organisatorische Voraussetzungen (möglichst kleine identifizierbare Chargen, Vermeidung von Mischpaletten bei der Distribution) sind dabei die Handlungsachsen. Welche Erwartungen hat Coop an die Arbeitsgruppe «Rückverfolgbarkeit II»? Braucht es ein «Rezeptbuch»?
Coop ist klar der Meinung, dass Insellösungen zu einem nicht zu rechtfertigenden Mehraufwand für alle Beteiligten führen und keine nachhaltige Lösung darstellen. Die Erwartungen an Rückverfolgbarkeitssysteme sind noch zu diffus, und noch sind nicht alle Stufen der Wertschöpfungskette und auch nicht ausreichend viele Sortimentsbereiche «on board». Das Ziel der Arbeitsgruppe muss es sein, diese Erwartungen zu klären und allen Beteiligten wirklich eine Art «Rezeptbuch » zur Verfügung zu stellen, wie diese Erwartungen jeweils in Richtung Sender und Empfänger von Waren möglichst effizient erfüllt werden können. Zudem muss der kleinste gemeinsame Nenner definiert werden, der jedoch auch Raum für individuelle Lösungen lässt.

Neue EU-Bestimmungen zur Kennzeichnung von Produktionslosen, Methoden und Fanggebiet beispielsweise im Bereich Fischerei erwarten eine über mehrere Stufen hinweg sichtbare Rückverfolgbarkeit. Treten wir nun in ein neues Zeitalter der «transparenten Traceability» ein?
Welche Erwartungen der Kunde bezüglich einer vollständigen Transparenz wirklich hat, muss sich erst noch zeigen. Aus unserer Sicht ist das Thema «Herkunft» das wesentliche Bedürfnis. Wie die Ausgestaltung der Transparenz letztlich erfolgt, hängt sicher stark vom Lebensmittel und dem Sortiment ab. Eine umfassende Transparenz dürfte dabei nur schwer darstellbar sein. Für bestimmte kritische Rohwaren, wie zum Beispiel eben Fisch und Fleisch, wird es aber sicher eine weitere Entwicklung in dieser Richtung geben. Aufgrund des erheblichen Aufwands, der hinter einer solchen Transparenz steckt, muss man gut beobachten, ob es sich dabei nur um eine kurzfristige Marketingerscheinung handelt oder ob wirklich ein Mehrwert geschaffen wird.

Die Fragen stellte Manuel Fischer.

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