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Die Einkaufstüte auf Rädern

In Zukunft werden wir der Weiterentwicklung von R2-D2 auf unseren Trottoirs begegnen. Autonome Lieferroboter stellen eine echte und ernst zu nehmende Alternative zur Flugdrohne dar. Die rollenden Kisten könnten bald die letzte Meile revolutionieren.

Die letzte Meile ist das Nadelöhr im E-Commerce. Das Sendungsvolumen nimmt laufend zu, immer öfter bleiben Lieferfahrzeuge im dichten Grossstadtverkehr stecken, und erfolglose Zustellversuche kosten Geld und Zeit. Start-up-Unternehmen, Logistiker und Händler entwickeln immer mehr Konzepte für eine schnelle und zuverlässige Auslieferung an den Endkunden. Egal ob Elektro-Cargofahrrad, Paketabholstationen, Zustellservice in den Autokofferraum, mobile Depots oder Versandzentren an bester Innenstadt-lage – der Kampf um die letzte Meile ist in vollem Gang.

Delivery on demand auf Rädern
Geht es nach dem europäischen Tech-Start-up Starship, rollen bald selbstfahrende Lieferroboter auf den Trottoirs der Grossstädte. Anders als bei Amazon und Google, die in Zukunft Pakete mit Drohnen ausliefern wollen, sollen die kleinen sechsrädrigen Roboter eine Auslieferung an den Endkonsumenten innerhalb von 30 Minuten ermöglichen. Getestet werden die Fahrzeuge in England, Deutschland, der Schweiz und den USA.
Starship Technologies ist das neuste Unternehmen der beiden Skype-Grün-der Janus Friis und Ahti Heinla. Am 2. November 2015 gaben sie den Startschuss für das Projekt. Ziel von Star-ship ist die Verbesserung der Logistik auf der letzten Meile. Statt der kosten- und zeitintensiven Haus-zu-Haus-Lieferung durch Zustelldienstleister können sich die Kunden ihre Waren vom Liefer-roboter bis vor die eigene Haustür bringen lassen.

Delivery on demand, innerhalb von 30 Minuten, gesteuert, verfolgt und überwacht per App. Dabei fallen laut Starship nur ein Bruchteil der bisher für die Zustellung üblichen Kosten an. «Unsere Vision dreht sich um drei Nullen – null Kosten, null Wartezeit und null Auswirkungen auf die Umwelt», so Ahti Heinla, CEO von Starship. Das Unternehmen will die letzte Meile so verändern, wie vor 13 Jahren Skype die Telekommunikationsbranche auf den Kopf gestellt hat.

Sicher unterwegs
Der Lieferroboter bewegt sich auf sechs Rollen mit einer Geschwindigkeit von maximal sechs Kilometern pro Stunde. Er ist 50 Zentimeter hoch, 70 Zentimeter lang und das gesicherte Fach hat ein Fassungsvermögen von 15 Kilogramm. Das entspricht in etwa zwei gefüllten Einkaufstüten. Dank eingebauten Kameras, Sensoren und GPS-System soll das Gefährt seinen Weg vom regionalen Hub oder Detail-handelsgeschäft zum Ziel selbstständig und ohne Umwege finden. Selbst auf rote Ampeln, Fussgänger und spielende Kinder reagiert der Roboter, und speziell entwickelte Räder sollen das Überwinden von Bordsteinkanten ermöglichen.

Der Kunde kann sich mittels einer App zwischen unterschiedlichen Lieferzeiten entscheiden. Auch lässt sich die eigentliche Anlieferung in Echtzeit verfolgen. Die Sendung im Transport-fach ist per Sicherheitsschloss, Überwachungskamera und PIN-Code-Ab-frage vor unbefugtem Zugriff gesichert. Bei Ankunft erhält der Besteller eine Nachricht und kann die Ware über die App mittels PIN-Eingabe freischalten. Wird trotzdem eine gewaltsame Öffnung des Transportfachs versucht, löst der Roboter umgehend Alarm aus und verständigt den Operateur. Dank des konstanten GPS-Signals lässt sich die Position des Fahrzeugs jederzeit feststellen. Im Hintergrund überwacht ein Mitarbeiter bis zu hundert solcher Fahrzeuge; er kann im Notfall eingreifen und über eingebaute Lautsprecher mit der Umgebung kommunizieren. Befahren werden ausschliesslich Fussgängerwege, Fussgängerzonen und innerstädtische Plätze.

Tests auch in Bern
Zeitgleich mit dem europäischen Lebensmittel-Lieferservice Just Eat testen die Metro-Group, der deutsche  Paketzusteller Hermes und der Start-up-Lieferdienst Pronto.co.uk aus London die rollenden Lieferroboter. Bei Metro erfolgt der Pilotversuch in Zusammenarbeit mit der Media-Saturn-Unternehmensgruppe. Dort ist man überzeugt, dass die Lieferung zum Wunschtermin sowie die Schnelligkeit des Lieferprozesses immer wichtiger werden. «Deshalb testen wir neue und innovative Dienste, die unseren Kunden einen Mehrwert bieten und mit denen wir ihnen noch näherkommen können», erklärt Martin Wild, Chief Digital Officer bei Media-Saturn. Auch in der Schweiz sollen bald Roboter rollen. Die Schweizerische Post führt ab September 2016 erste Tests mit den selbst- fahrenden Lieferrobotern durch, um deren Eignung für die Warenzustellung auf der letzten Meile zu prüfen. Die Lieferroboter könnten in Zukunft die Zustelllogistik der Post ergänzen und eine Marktlücke füllen.

Die beiden Skype-Gründer Janus Friis und Ahti Heinla sind überzeugt, dass ihr Konzept eine Zukunft hat. So liegen die rechtlichen Hürden, die der Lieferroboter überwinden muss, deutlich tiefer als bei den fliegenden Drohnen. Hinzu kommen ein deutlich geringerer Energieverbrauch, ein grösseres Transportvolumen sowie minimale Verletzungsgefahr. Zwar liegt die Reichweite der rollenden Einkaufstüten mit fünf Kilometern unter jener von Drohnen, dafür soll in Zukunft das Konzept um die Fähigkeit erweitert werden, Lieferungen bis in den fünften Stock zu bringen. Seit Beginn der ersten Tests haben die Roboter 8000 Kilometer zurückgelegt und sind über 400 000 Menschen begegnet.

Joachim Heldt

Die Post testet selbstfahrende Lieferroboter
In den kommenden Monaten testet die Schweizerische Post die rollenden Roboter von Starship Technologies. Die Lieferroboter werden bei der Post im Rahmen von Same Day Delivery und One Hour Delivery für die Auslieferung von Lebensmitteln und die rasche Zustellung von medizinischen Produkten eingesetzt. Die Tests werden in den Gemeinden Bern, Köniz und Biberist durchgeführt.

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