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In der Füllstation für Manors Shoppingtempel

Bei Manor spielen GS1 Identifikation und RFID eine grosse Rolle in der Supply Chain. Wichtige Zukunftsthemen sind Automatisierung, Robotik, Nachhaltigkeit, saubere Stammdaten und die Steigerung der Effizienz.

Seit knapp 20 Jahren ist Dieter Peltzer schon bei der Manor AG tätig. Heute ist er Leiter Qualitätsmanagement, Nachhaltigkeit und Lieferantenmanagement. Die Geschichte des Einsatzes von GS1 Produkten im Unternehmen kennt er à fond. «Manor und GS1 Schweiz, das ist eine Verbindung mit Tradition», stellt er fest.

Angefangen hat es in den 90er-Jahren mit dem PLU-Scanning in den einzelnen Warenhäusern. Heute hat Manor nahezu alles im Einsatz, was GS1 Schweiz für die Identifikation und den elektronischen Datenaustausch anbietet. Die von Peltzer aufgezählte Palette reicht vom Barcode über GTIN, GLN, SSCC und EDI bis zu E-Invoice. Dabei sind die Erfahrungen im Wesentlichen positiv. Natürlich habe es aber auch Entwicklungen gegeben, die langsamer verlaufen seien als ursprünglich angenommen.

RFID-Tags auf allen Umlaufboxen
Manor gehört zu den GS1 Anwendern der ersten Stunde. Ein Beispiel hierfür ist der umfassende RFID-Einsatz, den man in der Verteilzentrale Möhlin beobachten kann. Schon vor einigen Jahren hat Manor begonnen, alle eigenen Umlaufboxen, aber auch Kartons und Paletten mit RFID-Etiketten auszuzeichnen, die zudem einen Barcode tragen. Wenn nun einzelne Waren in diese Boxen gepackt werden, verbindet das Logistiksystem deren Identifikationsdaten mit denen der Umlaufbox.
Die Boxendaten werden gelesen, während die Transporttürme gebunden oder die Paletten in Schrumpffolie eingewickelt werden, sodass man genau weiss, welche Boxen mit welchem Inhalt in den Versand gehen.

RFID wird im gesamten Nonfood-Bereich auf der Gebindeebene eingesetzt. Die Erfahrungen sind sehr gut und Störungen gibt es nur wenige, erläutert Fredy Guillod, Verantwortlicher für IT und Organisation im Verteilzentrum Möhlin.

Vor den Lastwagen stehen nochmals RFID-Lesegates. Nachdem diese passiert sind, wird die Ware ausgebucht. Analog erfolgt das Einbuchen in den einzelnen Warenhäusern: Kommt die Umlaufbox aus dem Lastwagen durchs Gate, werden die Tags gelesen und die damit verbundene Ware wird im System des Warenhauses erfasst. Manor hat in der Schweiz 64 Warenhäuser, die 30 grösseren arbeiten bereits mit dem RFID-gestützten Wareneingang.

Manor verwendet RFID derzeit im gesamten Nonfood-Bereich auf der Gebindeebene. Die Erfahrungen seien sehr gut, es gebe nur wenige Störungen, erläutert Fredy Guillod, Verantwortlicher für IT und Organisation im Verteilzentrum Möhlin. Eine der grössten Herausforderungen war es, bei der RFID-Tag-Erfassung die Ware in der Wickelmaschine von der davor stehenden zu trennen. Das Problem wurde durch die Installation zusätzlicher Leseantennen gelöst, erklärt Guillod. Diese erfassen gezielt die Ware vor der Wickelmaschine – so kann man diese von der innerhalb der Maschine erfassten Ware abziehen, falls sie dort fälschlicherweise erfasst worden sein sollte. Mittlerweile wird eine hohe Genauigkeit erzielt. In diesen Prozessen wird durch das System auch geprüft, ob alle Ware auf den Transporteinheiten für das gleiche Warenhaus bestimmt ist, und es gibt auch stichprobenhafte Zählkontrollen durch das Lagerpersonal. Der RFID-Einsatz reicht aber noch nicht bis auf die Produktebene hinunter, erläutert Peltzer.

POS-Scanning und EDI-Cockpit
Jährlich laufen gegen 64 Millionen Stück Ware durch die Verteilzentralen. Egal ob Eigenmarke oder Handelsmarke: Ziel ist, dass alle Artikel so ausgezeichnet werden, dass sie an der Kasse identifiziert und verarbeitet werden können. In den Lieferantenbeziehungen legt Manor Wert auf die kassenscanfähige Auszeichnung. Die Scanningrate am POS ist Teil der Qualitätssicherung. Sie soll bei über 99 Prozent liegen. Deshalb wird erhoben, bei welchen Waren noch eine manuelle Kasseneingabe nötig war. Es gebe jedoch immer noch Waren, die man selbst auszeichnen müsse, stellt Peltzer fest.

Neben der Qualitätssicherung an der Kasse liegt ein weiteres Augenmerk auf dem elektronischen Datenaustausch via EDI. Insgesamt werden bei Manor 16 verschiedene Nachrichtentypen eingesetzt, wobei die Bestellung (Orders) die wichtigste ist. Weit über 700 Lieferanten sind weltweit an das elektronische Bestellsystem angebunden, mehr als 600 schicken die elektronische Liefermeldung (DESADV). Allerdings gibt es unter den gegen 6000 Lieferanten noch sehr viele kleinere, die mangels Grösse nicht am elektronischen Datenaustausch teilnehmen können.

Den korrekten Ablauf der EDI-Kommunikation überwacht ein zweistufiges Kontrollcockpit. Es prüft einerseits die Verbindung, auf der die Daten reisen. Andererseits zeigt es an, wenn eine Meldung nicht weiterverarbeitet wurde. Früher sei es durchaus vorgekommen, dass Nachrichten nicht weiterverarbeitet wurden oder nicht ankamen. Dann hätten Informationen zu vorhandener Ware gefehlt. Die Ursache dafür seien oft lückenhafte Stammdaten gewesen, wenn etwa der Lieferant nicht alle benötigten Daten mitgeschickt habe. Dank dem Kontrollcockpit könne man solche Situationen heute erkennen und manuell nachbearbeiten.

Einheitliche Stammdatendefinition erwünscht
Die Stammdaten sieht man bei Manor mittlerweile als eine der grössten Herausforderungen im Handel für die kommenden Jahre. Derzeit fehle vor allem eine einheitliche Definition, was Stammdaten im Einzelnen beinhalten sollten. Die Komplexität dieser Datensätze nehme nicht nur weiter zu, sie würden auch von Firma zu Firma anders gehandhabt. Gerade im Zusammenhang mit dem Onlinegeschäft seien beispielsweise Nachhaltigkeitsschlüssel oder Farbcodes zu wichtigen Themen geworden. Auch die Revision des Lebensmittelgesetzes bringe wieder neue Vorgaben. «Es gibt zwar bei allen Akteuren eine Lernkurve, aber die Anforderungen steigen immer weiter», meint Peltzer. Manor erhält die notwendigen Artikelstammdaten mit dem Nachrichtentyp PRICAT, teilweise über Datenpools wie GDSN, oder aber die Lieferanten stellen ihre Daten in Manor- CSV- oder Excel-Files bereit.

Steigende Anforderungen beobachtet Peltzer auch in Sachen Ethik und Nachhaltigkeit. Ein Unternehmen müsse seinen Kunden sehr detailliert über die Produktionsbedingungen der verkauften Waren Auskunft geben können. Manor erhalte eine steigende Anzahl Anfragen von Konsumenten, Schulklassen, NGOs oder Universitäten zum Verhalten als Unternehmen. Mittelfristig werde man dem noch besser Rechnung tragen müssen, ist Peltzer überzeugt. Mit einer guten Selektion, Entwicklung und Auditierung von Lieferanten könne man da schon entscheidende Schritte tun. Als ideales Modell schildert er die Lage beim Frischfisch: Da einige Fischtrawler ausschliesslich für Manor auf Fangfahrt gehen, könne man die Ware vollständig zurückverfolgen. Mit Blick auf die insgesamt von Manor angebotene Warenvielfalt dürfte das in gleichem Detailgrad aber nicht möglich sein.

Zukunft zwischen Ethik und Automation
Ein weiteres Zukunftsthema ist bei Manor die Effizienz in der Supply Chain. Man könne es sich heute schlicht nicht mehr leisten, zu langsam, zu teuer oder zu fehlerbehaftet zu sein. Dazu setzt man auf eine zunehmende Automatisierung der Supply Chain. Hierzu dienen unter anderem zwei Eigenentwicklungen: Beispielsweise gibt es einen Roboter, der 40-Fuss-Container selbstständig entladen kann. Diesen hat Manor zusammen mit einer Industriefirma entwickelt. Der Roboter schafft die rund 700 Kartons aus einem Container in etwa 75 Minuten. Für diese Schwerarbeit seien sonst zwei bis drei Personen mehrere Stunden im Einsatz. Ein anderer Roboter erledigt Verteilaufgaben in der Kommissionierung, wenn es etwa darum geht, 2000 Pullover, die in drei Farben und fünf Grössen geliefert werden, auf die Versandboxen für verschiedene Manor-Warenhäuser zu verteilen.

Das Pufferlager mit 9600 Behälterstellplätzen für kommissionierte Artikel steht kurz vor der Fertigstellung. Regalbediengeräte werden dafür sorgen, dass die Ein- und Auslagerung der Filialbehälter reibungslos funktioniert.

Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme in Hochdorf im Jahr 2014 wird schliesslich derzeit im Untergeschoss des Lagers in Möhlin ein weiteres Swisslog-AutoStore-Lager eingerichtet. Dieses ist mit 27 000 Fächern dimensioniert. Auf der Oberseite werden sich per Mitte Jahr 82 Roboter bewegen, die die einzelnen Artikel zu den seitlich angebrachten Kommissionierstationen transportieren. Peltzer nennt das verdichtete Lagern, schnellere Abläufe und den geringeren Personaleinsatz als Vorteile dieses weitestgehend automatisierten Lagersystems. Auch im Erdgeschoss wird noch geschraubt. Dort entsteht ein Pufferlager mit 9600 Behälterstellplätzen für fertig kommissionierte Artikel. Eine Behälterförderanlage wird die AutoStore-Anlage mit dem Pufferlager verbinden. Sieben Regalbediengeräte werden dafür sorgen, dass die Ein- und Auslagerung der Filialbehälter reibungslos funktioniert. In den vergangenen Jahren wurde kontinuierlich in Transportanlagen, RFID für die Kommissionierung und Robotik investiert.
Damit verfolgt der Warenhauskonzern konsequent den Weg von Excellence und Innovation; dies ist ein klares Bekenntnis zu den Standorten Möhlin und Hochdorf sowie insgesamt zur Strategie von Manor.

Joachim Heldt
Alexander Saheb

 


Manor AG
Die Manor AG mit Hauptsitz in Basel ist Schweizer Marktführerin im Sektor Warenhäuser mit einem Marktanteil von rund 60 Prozent. Das Unternehmen beschäftigt 10 400 Mitarbeitende, bildet aktuell 450 Lernende aus und erwirtschaftete 2015 mit seinen 64 Warenhäusern, 33 Manor-Food-Märkten sowie 40 Restaurants einen Umsatz von 2,64 Milliarden Franken. Die rund 600 Mitarbeitenden der Supply Chain von Manor sind dafür verantwortlich, dass mehr als eine Million Artikel von weltweit rund 6000 Lieferanten ihren Weg über die drei Verteilzentralen in die Regale der Manor-Warenhäuser finden.

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