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Mit individuellen Logistikkonzepten zum Erfolg

Oskar Kramer, Gebrüder WeissNach einem schwierigen Jahr 2015 sind die Wirtschaftsaussichten für 2016 wieder verhalten positiv. Die Konjunkturforschungsstelle KOF der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich sagte in ihrer Frühjahrsprognose immerhin ein bescheidenes Wachstum des Bruttoinlandprodukts von einem Prozent voraus, für 2017 rechnet sie mit zwei Prozent. Nichtsdestotrotz: Die Aufhebung des Mindestkurses bleibt für viele Branchen weiterhin negativ spürbar und drosselt das Wachstumstempo. Auch in der Logistikbranche sieht man der weiteren Entwicklung vielerorts skeptisch entgegen. Kein Grund zum Jammern, meint Oskar Kramer, Landesleiter bei Gebrüder Weiss Schweiz. Er glaubt an die Stärken und die Unverzichtbarkeit der Logistik für Industrie und Wirtschaft.

GS1 network: Die Aufhebung des Mindestkurses im Januar 2015 hat viele Unternehmen hart getroffen. Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Lage?
Oskar Kramer: Ohne Frage hat sich der «Frankenschock» insgesamt stark auf das Wachstum in der Schweiz ausgewirkt. International orientierte Firmen haben neuerliche Standortüberprüfungen vorgenommen und teilweise ihre Produktion ins Ausland verlagert. Vielerorts wurden Rationalisierungsmassnahmen eingeleitet, die zur Entlassung von Mitarbeitenden führten. Zusätzlich sind viele Unternehmen noch stärker auf ausländische Zulieferer ausgewichen. Im Transport- und Logistiksektor ist durch den Rückgang der Exporte eine Überkapazität an Laderaum entstanden, was den Kostendruck immens verstärkt hat. Hinzu kamen grosse Währungsverluste, da Inlandsleistungen teilweise in Franken statt in Euro fakturiert wurden. Neben dem starken Franken hat sich übrigens auch der sinkende Ölpreis auf unsere Branche ausgewirkt: Der Lkw-Transport wurde gegenüber dem Bahntransport günstiger, sodass teilweise eine Verlagerung von der Schiene auf die Strasse zu beobachten ist.

Mit welchen unmittelbaren Auswirkungen hatte Gebrüder Weiss zu kämpfen?
Von heute auf morgen waren viele unserer Kunden nicht mehr konkurrenzfähig, da Preis und Qualität in keinem Verhältnis mehr zueinander standen. Die daraus resultierenden Absatzschwierigkeiten haben sich natürlich in der Folge auch auf uns negativ ausgewirkt. Wir mussten plötzlich mit einem doch merklichen Rückgang von Mengen und Gewichten umgehen. Die Kursverluste haben dann noch zusätzlich auf die Margen gedrückt.

Haben sich die Anforderungen Ihrer Kunden seither geändert?
Ja. Oder anders ausgedrückt: Die Prozesse haben sich vielfach geändert. Viele der Kunden, die ihre Produktion nach dem «Frankenschock» ins Ausland verlagern, wollen einen Logistikpartner, der sie extern vor Ort unterstützt, zugleich aber in der Schweiz als Ansprechpartner verfügbar ist. Das heisst also: Entschieden wird im Land, das Handling der Warenströme passiert aber ausserhalb der Schweiz. Darüber hinaus hat sich in unserer Branche generell viel getan. Es geht nicht mehr nur um reine Transportlösungen. Logistik ist zu einem wichtigen Qualitätsfaktor für das Produkt selbst und dessen Wettbewerbsfähigkeit geworden. So wirken wir beispielsweise bei Optimierungsprozessen unterstützend mit oder bieten IT-Lösungen für Datensicherheit sowie für die Sicherheit bei Transport und Lagerung an. Ausserdem haben unsere Kunden zunehmend den Anspruch, dass wir bei allen unseren Prozessen sehr sorgfältig und nachhaltig mit dem Thema Umwelt umgehen. Und last but not least bringt der Personalabbau bei Ämtern und Behörden immer neue Aufgaben und Verantwortung mit sich.

Wie geht Gebrüder Weiss mit diesen geänderten Rahmenbedingungen um?
Unser Vorteil ist, dass wir als international agierendes Transport- und Logistikunternehmen sehr breit aufgestellt sind, geografisch wie auch von unserem Portfolio her. Insofern können wir auf spezielle Kundenwünsche flexibel reagieren, Auslagerungsprozesse begleiten und die Logistik für die neuen Standorte ebenfalls im Gebrüder-Weiss-Netzwerk durchführen. Gerade in Osteuropa, wohin zahlreiche Produktionsstandorte abwandern, sind wir sehr stark vernetzt und können dort auf viele eigene Niederlassungen zurückgreifen. Aber auch jenseits des Schwarzen Meeres sind wir immer häufiger vertreten und arbeiten daran, die Verbindung zwischen Europa und China noch weiter auszubauen. Gerade erst haben wir einen wöchentlichen Sammelgutverkehr in den Iran etabliert. In China, Kasachstan, Russland, Georgien und der Türkei hat Gebrüder Weiss bereits eigene Niederlassungen, in Turkmenistan gibt es ein Partnerbüro.

Sehen Sie den starken Franken als belastende Herausforderung oder als Chance?
Beides. Sicher ist der starke Franken eine belastende Herausforderung, der wir uns aber stellen und die wir annehmen. Wir weichen trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht von unseren eingeschlagenen Wegen ab, verfolgen weiterhin konsequent unsere Ziele und investieren vor allem jetzt azyklisch in eine eigene Infrastruktur sowie in die Ausbildung von Personal. Die Chance sehe ich darin, dass wir gezwungen sind, neue Wege zu beschreiten und Logistik immer wieder ein Stück weit neu zu erfinden. Für mich heisst das vor allem: individuelle Beratung und individuelle Logistikkonzepte, genau abgestimmt auf das, was der Kunde braucht und möchte. Und ganz wichtig: erstklassige Servicequalität, die jedoch für den Kunden leistbar ist.

Viele befürchten einen zunehmenden Stellenabbau in der Schweiz. Wie sehen Sie die Entwicklung in der Logistikbranche?
Für unsere Branche ist es nicht ungewöhnlich, sich laufend neuen Situationen anzupassen. Ein wichtiger Entwicklungsschritt muss sein, dass wir unser Image stark verbessern. Denn in Zukunft wird es wettbewerbsentscheidend sein, Produkte mit einer dazu passenden Logistiklösung zu verkaufen. Dank unserer schnellen Anpassungsfähigkeit und unserem lösungsorientierten Arbeiten können wir beweisen, dass Industrie und Wirtschaft ohne eine funktionierende Logistik nicht auskommen. Deshalb sehe ich die wirtschaftliche Entwicklung eher gelassen und glaube, dass die Schweiz generell stark genug ist, mit den Herausforderungen der Gegenwart positiv umzugehen. Grundvoraussetzung dafür ist aber natürlich, dass Industrie und Wirtschaft auch zukünftig in den Standort Schweiz investieren.

Redaktion GS1 network

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