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Güterverkehr in neuen Dimensionen

Cargo sous terrain soll 2030 bereit sein.Cargo sous terrain tritt an, um der Schweiz eine neue Transportinfrastruktur zu verschaffen. Das Projekt ist ehrgeizig, besticht aber durch eine bedarfsgerechte Neuinterpretation logistischer Abläufe.

Cargo sous terrain (CST) möchte eine neue Gütertransportinfrastruktur in der Schweiz aufbauen. Diese besteht aus einem System unterirdischer Transporttunnel und einer anschliessenden Feinverteilung von Gütern in den städtischen Zentren. Das ganze CSTSystem soll privat finanziert und auch als Privatunternehmen betrieben werden. Laut Peter Sutterlüti, Präsident und Delegierter des Fördervereins CST, ist CST nicht einfach ein Transporttunnel. Es handelt sich vielmehr um ein Gütertransportsystem, welches Ware über die ganze Transportkette befördert – vom Lager bis in die Cityläden und anschliessend Retouren und Recyclingmaterial aus der Stadt heraus. Ein Haupteffekt von CST besteht in der Entlastung des bestehenden Strassensystems.

Laut einer vom Förderverein CST erarbeiteten Machbarkeitsstudie ist das System sowohl in technischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht realisierbar. Ab 2030 soll ein erster Teil des Transportnetzwerks in Betrieb gehen, vorgesehen ist dafür eine Strecke von Härkingen-Niederbipp bis Zürich. Die Investitionskosten für die Realisierung der ersten Etappe liegen bei 3,5 Milliarden Franken. In dreispurigen Tunnels fahren dann Transportfahrzeuge auf Rädern mit konstanter Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern. An den Zugangspunkten (Hubs) können Güter auf Paletten und Kleinbehältern vollautomatisch eingespeist oder entnommen werden. In städtischen Zentren verteilt CST die Güter mit gebündelten Fahrten in umweltfreundlichen, leisen Fahrzeugen.

Ein eigenes Gesetz muss her
Auf den grossen Strecken ersetzt CST gebündelte Lastwagenfahrten durch den laufenden Abtransport von Einzelpaletten und Behältern. Das wird dem Förderverein zufolge die Logistikströme massiv verändern und den Bedarf an Lagerflächen ebenso senken wie den Aufwand für Handling und Bereitstellung der Paletten und Behälter für Anhängerzüge. Im Vergleich zum konventionellen Transport ist der CO2- Ausstoss pro transportierte Tonne Güter um 80 Prozent tiefer. Das System soll mit erneuerbarer Energie betrieben werden.
Sutterlüti streicht heraus, dass die Machbarkeitsstudie eine Gesamtbetrachtung war, welche die Kunden- und Marktbedürfnisse als Ausgangspunkt ermittelte. Auf dieser Basis wurden technische Möglichkeiten eruiert, das Konzept entwickelt und schliesslich eine Kostenschätzung und Nachfrageprognose erstellt. Damit einher ging die Abklärung der nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen. Es wird für CST ein eigenes Gesetz brauchen; derzeit werden relevante Bundesämter und Parlamentarier vom Förderverein bereits aktiv eingebunden.

Kleinteilige Logistik der Zukunft
Eine grundlegende Annahme für die Projektentwicklung war, dass die künftige Logistik immer kleinteiliger wird. Es wird laut Sutterlüti weniger grosse Trucks mit gleicher Ladung geben als vielmehr On-demand-Lieferungen nach den Bedürfnissen der Empfänger, seien das nun einzelne Shops oder Industriestandorte. Mit CST könne man Paletten oder Kleinbehälter bis in Einzelhandelsläden hinein transportieren. Die Lieferung erfolge kontinuierlich statt gebündelt. Das gehe rascher als zu warten, bis ein Lkw voll sei und dann losfahre. Wenn CST auf der ersten Strecke zwischen Härkingen und Zürich richtig eingelaufen ist, erwartet Sutterlüti ein Transportvolumen von 350 Millionen Tonnenkilometern. Dazu addieren sich weitere 65 Millionen Tonnenkilometer für die anschliessende Citylogistik. Die CST-Systeme sollen gut an die Logistik- und Betriebszentralen der Kunden angebunden werden, um die vollautomatische Steuerung des Transports zu optimieren. «Weil Cargo sous terrain ein integriertes System ist, haben wir sehr starke Steuerungsmöglichkeiten», meint Sutterlüti. Es könne nicht jeder einfach reinfahren wie auf der Strasse, und Personen- und Güterverkehr seien getrennt.
Grosse Hubs will CST an bereits bestehenden Zentralen grosser Kunden unterhalten, beispielsweise bei Coop oder Migros. Dort könne Ware dann direkt ins System übergeben werden. Diese Hubs sollen auch Ware anderer Kunden aufnehmen, automatisch ab der CST-Rampe. Man setzt bewusst auf die parallele Nutzung bestehender Hubs, um keine neuen bauen zu müssen. CST dürfte die Direktverkehre vermindern, weil Ware nicht mehr zu grossen Ladungen konsolidiert werden muss.

100 Millionen Franken bis zur Baubewilligung
Derzeit ist der Förderverein daran, aus der Machbarkeitsstudie heraus den Businessplan zu entwickeln und Investorengespräche zu führen. Bis zur Baubewilligung werden rund 100 Millionen Franken benötigt. Parallel dazu müssen die gesetzlichen Vorlagen erarbeitet werden, damit das System überhaupt erlaubt wird. Als Investoren peilt Sutterlüti vor allem langfristig interessierte Anleger an. Das seien Versicherungen, Pensionskassen und andere Unternehmen. Zudem wird es für Investoren möglich, wahlweise Eigentum am System zu erwerben oder Anteilseigner der Betreibergesellschaft zu werden. Neben den grossen Transportröhren ist die vorgesehene Citylogistik das zweite Hauptelement von CST. Die Rolle der Citylogistik wurde untersucht, weil der Raum Zürich für das Gesamtprojekt eine grosse Bedeutung hat. Laut Yvette Körber, Vorstandsmitglied von CST, sollte das System auch im städtischen Raum zu einer deutlichen Entlastung bestehender Infrastrukturen beitragen. Diese hätten heute vor allem in Spitzenzeiten Probleme – mittags davankönne man durchaus ohne Stau nach Zürich hineinfahren. CST erarbeitet die Konzepte für die Citylogistik zusammen mit der Stadtverwaltung Zürich und vor allem auf Basis realer Transportmengendaten, welche die dem Förderverein angeschlossenen Unternehmen zur Verfügung stellen. Darunter sind laut Körber Handelsfirmen ebenso wie produzierende Betriebe.

Autonome Auslieferung in Zürich
Die Planungen sehen im Stadtraum Zürich insgesamt vier Hubs vor, an denen Palettenfahrzeuge aus dem Tunnel ans Tageslicht kommen. Im Idealfall können diese teils sogar autonom zu ihren Bestimmungsorten weiterfahren, stellt Körber in Aussicht. Man schaue derzeit mit der Stadt, wieweit das in begrenzten Räumen denkbar sei. Allerdings könnte autonomes Fahren bis gegen 2030 auch bereits allgemeiner Standard sein, meint Körber. Alternativ erfolgt die Feinverteilung durch konventionelle Fahrzeuge, die je nach Wesen der Güter gekühlt sind oder nicht. Auch anhand der Menge kann dann an jedem Hub die optimale Fahrzeuggrösse für den weiteren Transport bestimmt werden.
Die Anbindung an Lagerflächen, wie beispielsweise die Lagerhäuser Aarau, gibt CST zudem umfangreiche Pufferspeichermöglichkeiten im Raum Zürich. Dort kann Ware zwischenlagern, um Kapazitätsspitzen zu brechen. So könne Retailer-Ware am Abend ab 22 Uhr schon aus den Verteilzentralen losfahren und dann stadtnah bis zur Filiallieferung in Zürich abwarten. Für Körber sind die Kontinuität beim grossen Transportstrom in den Röhren und die anschliessende Kleinteiligkeit der Feinverteilung die zentralen Vorteile von CST. Logistikunternehmen werden ihrer Meinung nach in Zukunft beispielsweise nicht mehr 400 Lkws im Fuhrpark haben, sondern 200 Lkws und 200 CST-Palettenfahrzeuge. «Das System soll offen sein und heutige Stakeholder in einer klaren Rolle involvieren », stellt sie fest.

Alexander Saheb

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