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Normen – ein Muss für die Welt von morgen

Normen spielen bei der Umsetzung von Industrie-4.0-Anwendungen eine Schlüsselrolle. Eine Arbeitsgruppe «Normen und Standards» innerhalb der Initiative «Industrie 2025», die durch die drei Verbände asut, Swissmem und SwissTnet ins Leben gerufen wurde, befasst sich mit einer Bestandsaufnahme bestehender Regelwerke. Nebst Vertretern der Maschinen-, Telekom- und Elektrotechnikbranche bringt auch GS1 Switzerland ihre Sichtweise ein.

Das Konzept Industrie 4.0 erfordert eine noch nie dagewesene Integration digital gesteuerter und vernetzter Produktionssysteme über Unternehmens-, Abteilungs- und Hierarchiegrenzen sowie Lebenszyklusphasen hinweg. Deswegen spielen Normen und Standards bei der Umsetzung von Industrie-4.0- Anwendungen eine Schlüsselrolle.

Anforderungen an die moderne Industrie
Die Initiative «Industrie 2025» verweist auf ihrer Website auf ein Grundlagenpapier des österreichischen Partnerinstituts mit dem Titel «Normungs- Kompass Industrie 4.0». Man unterstreicht darin den Nutzen von Normen. So könnten Unternehmen mit innovativen Produkten und Lösungen einen Wettbewerbsvorteil ausspielen, wenn sie bei der Schaffung von Normen mitwirken und weltweit akzeptierte Standards auch anwenden. Man verweist zudem auf die Gefahr von De-facto- Standards, die von marktbeherrschenden Konzernen ohne Abstimmung mit Normungsgremien durchgesetzt werden.

Der Normungskompass nennt eine der zentralen Anforderungen an moderne industrielle Tätigkeit: «Durch die voranschreitende Digitalisierung sind Produktionsbetriebe immer stärker mit der Herausforderung konfrontiert, eine steigende Variantenvielfalt in der Produktion bei immer kürzer werdenden Technologiezyklen» abzuwickeln, dabei auf hohe Qualität und auf die Kosten zu achten. Eine automatisierte und unternehmensübergreifende Abwicklung sei auf eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Schnittstellen angewiesen, die auf «einheitlichen Begriffs- und Methodenstrukturen» basiere.

Als weitere Herausforderung wird das komplexere Produktionsumfeld eines industriellen Betriebs beschrieben: «Auf allen Produktionsstufen existieren unterschiedliche, heterogene Werkzeuge und Softwaresysteme mit proprietären Schnittstellen, die nicht kompatibel sind und angepasst oder umprogrammiert werden müssen. Standardisierte Schnittstellen vereinfachen den Datenaustausch zwischen Komponenten und Systemen. Anhand solcher Beispiele postulieren die Autoren die Notwendigkeit von (a priori elektronisch-elektrotechnischen) Normen. Solche werden – um nur einige zu nennen – von internationalen Gremien wie IEC (International Electrotechnical Commission) und ISO (International Organization for Standardization) festgelegt.

Bestandesaufnahme, Normenkatalog
Eine innerhalb der Initiative «Industrie 2025» gebildete Arbeitsgruppe «Normen und Standards» erstellt eine Bestandesaufnahme über die bereits bestehenden internationalen und nationalen Normen im Geltungsbereich von Industrie 4.0. Die Gruppe hat auch die Absicht, fehlende Normen und Standards anhand von Anwendungsfällen in der Praxis zu benennen. Zudem will man die laufenden Normungsaktivitäten mit Bezug auf den übergeordneten Rahmen Industrie 4.0 noch stärker koordinieren.

Die von einer österreichischen Expertengruppe ausgewählten «Industrie- 4.0-relevanten» Normen und Standards wurden von der schweizerischen Arbeitsgruppe mit den entsprechenden Links und Ansprechpersonen versehen, ergänzt und in einem Online- Normenkatalog abgebildet. Die nicht weniger als 320 aufgelisteten Normen betreffen die zum Einsatz kommende Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT), wovon allein die Hälfte die Kommunikation zwischen ICT-Systemen regulieren.

Der Normungskompass 4.0 nennt als Beispiele die Diagnose der Leistungsfähigkeit und die Fehlerdiagnose intelligenter Produktionsprozesse als neue Herausforderungen. Modellgestützte, selbstlernende Diagnosemethoden auf Basis sensorischer Mustererkennung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Hierzu sind verlässliche Sensornetzwerke notwendig. Standards legen fest, was solche Netzwerke zu leisten vermögen. Als weiteres Beispiel seien hier Software-Instandhaltungs-Pläne für cyber-physische Systeme genannt, die wiederum auf einem Standard beruhen müssen.

Automatische Identifikation und Datenerfassung
Nicht nur die elektrotechnischen Industrien und nationale Normungsorganisationen sind eingeladen, eine Übersicht zu bestehenden Normen darzulegen. Auch GS1 Switzerland, als nationale Agentur einer globalen Standardisierungsorganisation, ist Partner der Initiative «Industrie 2025». GS1 arbeitet sowohl im globalen «Joint Technical Committee» JTC 1 von ISO als auch im nationalen Spiegelkomitee mit. Das Gremium entwickelt in verschiedenen Arbeitsgruppen die Standards im Bereich «Automatische Identifikation und Datenerfassung» (AIDC) weiter.

Barcode-Symbologien für die automatische Datenerfassung von Objekten sind längst etabliert. Gerade das ausgereifte GS1 System regelt – in einer von ihm festgelegten Syntax – die Verwendung global eindeutiger Identifikationsschlüssel, den Einsatz standardisierter, maschinenlesbarer Datenträger (Barcodes, Radiofrequenzidentifikation RFID, 2D-Symbole, usw.) und den Austausch strukturierter Daten (Stamm-, Bewegungs- und Ereignisdaten), die sich auf die gekennzeichneten Objekte beziehen. Man spricht dieselbe Sprache – über die Grenzen von Unternehmen hinweg.

Detailhandel, Gesundheit, Autos und Eisenbahn
Bereits in den 1980er-Jahren hatte der Detailhandel die vielen Vorteile einer eindeutigen, interpretations- und überschneidungsfreien Kennzeichnung von Gütern im Warenfluss einer Wertschöpfungskette erkannt. Auch hinsichtlich der Forderung des Gesetzgebers nach Rückverfolgbarkeit hat die Branche mit dem GS1 System ein starkes Instrumentarium zur Verfügung.

Weitere Sektoren wagen den Schritt in die AIDC-Methodik, teils aus Eigeninteresse, teils aufgrund neuer staatlicher oder supranationaler Richtlinien. Experten in Gesundheitsministerien und Branchenorganisationen erkannten rasch: Mithilfe von AIDC lässt sich beispielsweise die Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten in der Versorgungskette handhaben, und Arzneimittel lassen sich fälschungssicherer kennzeichnen.

Infrastruktur- und Verkehrsunternehmen der Eisenbahn und ihre Zulieferer vereinbaren die Kennzeichnung von Fahrzeugen und deren Bestandteilen sowie Infrastrukturteilen mit dem GS1 System, um eine proaktive Wartung zu unterstützen. Firmen der Automobilzulieferindustrie setzen in ihrem Kampf gegen Produktpiraterie auf Lösungen aus dem GS1 System. Die Erfahrungen der einzelnen Unternehmen mit dem GS1 System fliessen in die Arbeitsgruppe «Normen und Standards» ein.

Manuel Fischer

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