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Automobilzulieferer gegen Produktpiraten

Unternehmen, die qualitativ hochwertige Teile für komplexe Maschinen liefern, sind in einem wettbewerbsintensiven Umfeld immer häufiger mit Produktfälschungen konfrontiert. Mit der Anwendung des GS1 Systems nutzen sie ein Instrumentarium, das nicht nur der Echtheitsprüfung, sondern auch der Rückverfolgbarkeit und der Planung von Instandhaltungszyklen dient.

Der Trend ist eindeutig: Die Zulieferindustrie spielt beim Bau von Automobilen und Eisenbahnfahrzeugen eine zunehmend wichtigere Rolle. Über die Jahre hat sich ihr Anteil der Wertschöpfung am Automobil gegenüber den Markenherstellern, die nur noch die Endmontage besorgen, vergrössert. Man schätzt diesen Anteil auf mindestens drei Viertel des Gesamtwerts eines Fahrzeugs. Zahlreiche verschiedene Bestandteile haben in ihrem Zusammenspiel die Funktionstauglichkeit und die Sicherheit des fertigen Fahrzeugs zu gewährleisten.

Produktpiraterie
Gerade die Automobilzulieferer sind jedoch hohem Druck ausgesetzt. Als Faktoren sind der zunehmend globale Wettbewerb, der Kosten- und der Preisdruck seitens der Abnehmer und teilweise auch der Anstieg der Materialpreise zu nennen. In einem 2017 herausgegebenen und an die Automobilbranche gerichteten Thesenpapier schreibt das Beratungsunternehmen Ernst & Young: «Wo der Kostendruck steigt, öffnen sich zwangsläufig Einfallstore für Wirtschaftskriminalität und Korruption.»

Zu den wesentlichen Gefährdungen zählt die Produktpiraterie, welche die Reputation der gesamten Fahrzeugindustrie unterminiert und die Sicherheit der Kunden gefährdet. Insbesondere bei Reparaturfällen besteht beim Einbau von Ersatzteilen das Risiko von Produktfälschungen. In der Praxis würden die eingebauten Teile nur selten auf Echtheit und damit auf Qualitätsstandards überprüft, heisst es im Bericht von Ernst & Young.

Nulltoleranz-Strategie
Die Schaeffler-Gruppe, ein global tätiger Automobil- und Industriezulieferer, sieht diese Gefahr ebenfalls. Das Unternehmen liefert Präzisionskomponenten für Motoren, Getriebe und Fahrwerke sowie Wälz- und Gleitlager für eine Vielzahl von Anwendungen. Die Frage nach Original oder Fälschung stellt sich schon seit Langem nicht mehr nur bei Uhren und Handtaschen, sondern auch bei Maschinenteilen wie zum Beispiel Wälzlagern. Produkt- und Markenpiraterie ist ein globales und branchenübergreifendes Problem. Angesichts des guten Rufes seiner Produkte ist das Unternehmen in hohem Masse verwundbar und verfolgt deshalb eine Nulltoleranz-Strategie gegenüber Produktfälschungen.

Einer gleichen Ausgangslage sind diverse Marken des Automobilzulieferers Continental ausgesetzt. «Sicherheitsrelevante Bremsenprodukte wie Bremsflüssigkeit, Bremsbeläge und Bremsscheiben stehen bei den Produktpiraten hoch im Kurs», sagt Oliver Heil, Mediensprecher bei Continental Aftermarket GmbH. Aufgrund der mangelnden Qualität der Fälschungen bestehe ein grosses Sicherheitsrisiko für Autofahrer. Gefahren seien insbesondere im freien Zubehörmarkt zu orten.

GS1: ein globaler und bewährter Standard
Im Kampf gegen die Produktpiraterie könnte ein Unternehmen auch die Einführung eines firmeneigenen Identifikationssystems evaluieren. Die Schaeffler- Gruppe hält hingegen fest: Man habe sich für den GS1 Standard entschieden, weil es sich um einen globalen Standard handle, der bei der Erstellung eines einzigartigen Codes hilfreich sei. Darüber hinaus entspreche dieser Lösungsansatz der Empfehlung des nationalen und des europäischen Branchenverbands der Automobilzulieferer (VDA und CLEPA). Ingrid Bichelmeir- Böhn, Global Brand Protection bei Schaeffler, fügt ein weiteres Argument hinzu: «Es ist hilfreich, auf ein eingeführtes System zurückgreifen zu können, das bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad bei unseren Kunden erreicht hat.»

Die Schaeffler Gruppe hat überdies den Bedarf erkannt, Kunden bei der Echtheitsprüfung von Wälzlagern mit einfachen Mitteln zu unterstützen. Zurzeit werden sehr viele Produkte mit einer Etikette versehen, die ein GS1- Data-Matrix-Symbol beinhaltet. Die Markteinführung dazu ist annähernd abgeschlossen. Zudem wird bei immer mehr Teilen der GS1 DataMatrix direkt mit einem Laser aufgebracht, in erster Linie bei Präzisionslagern oder Grosswälz- und -gleitlagern. Im GS1 DataMatrix ist die GTIN-Identifikationsnummer verschlüsselt, die den Artikel des Unternehmens genau identifiziert, zudem eine zufällig generierte Seriennummer, die das einzubauende Ersatzteil als einzigartig kennzeichnet.

Doppelt genäht …
Auch Continental investiert viel Geld, um seine Originalteile durch verschiedene Markenschutz-Technologien zu schützen. Deshalb sind so gut wie alle Produktverpackungen (diverser Marken wie Continental, ATE, Barum, VDO) mit einer zweistufigen, fälschungssicheren Sicherheitsetikette zur eindeutigen Identifizierung der Originalteile gekennzeichnet. Ihre erste Stufe besteht aus einer selbstklebenden Polymer-Etikette mit verschiedenen Prüf- und Sicherheitsmerkmalen. Die zweite Stufe bildet ein GS1 DataMatrix, der sogenannte MAPP-Code (Manufacturers against Product Piracy). Der MAPP-Code geht auf eine Initiative namhafter Automobilzulieferer zurück und beinhaltet die GTIN und die Seriennummer. Durch diese Kombination wird ein Höchstmass an Sicherheit erzielt. Die Echtheitsüberprüfung erfolgt über die ATE-Website oder per Mobiltelefon in Verbindung mit der ATE-App; dabei wird sofort angezeigt, ob es sich um ein Original aus dem Hause Continental handelt.

Zur Produktschutz-Strategie gehört neben rechtlichen Mitteln auch die Sensibilisierung von Autowerkstätten und ihren Kunden, wie Oliver Heil erläutert: «Grundsätzlich sollten Autofahrer skeptisch werden, wenn ihnen Ersatzteile der Marken ATE, Continental oder VDO im Internet oder auf Märkten zu einem Bruchteil des Listenpreises angeboten werden. Es ist immer besser, einem Fachhändler zu vertrauen. »

Auch die Schaeffler-Gruppe stellt digitale Hilfsmittel zur Verfügung, damit Behörden, Händler und Endkunden den Kampf gegen die Produktpiraterie unterstützen. Die eigens entwickelte OriginCheck-App kommt bei Markenprodukten von Schaeffler, wie zum Beispiel Kugel- und Wälzlagern der Marken INA und FAG, die mit einem DataMatrix- Code versehen sind, zur Anwendung. Damit ist ein schnelles und sehr einfaches digitales Instrument zur Hand, um die Ersatzteile einer ersten Prüfung auf Echtheit zu unterziehen.

Vielfältiger Nutzen
Die Automotive-Unternehmen sehen in der Anwendung der Methodik des GS1 Systems gleich mehrere Vorteile. So lässt sich die Echtheit jedes Einzelteils schnell und einfach prüfen. Und die Kennzeichnung der Teile mit dem GS1 DataMatrix ermöglicht die Rückverfolgbarkeit, vom Ort und Zeitpunkt der Fabrikation bis zur installierten Anlage, wo das Einzelteil bis vor der Revision verbaut war. Und schliesslich ermöglicht es den Unternehmen, die Instandhaltungszyklen in Zukunft genauer zu modellieren.

Manuel Fischer

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