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Schlanke Prozesse dank Kaizen

Schlanke Prozesse dank KaizenDer Frankenschock von 2015 und seine Folgen: Das Sanitärtechnik-Unternehmen R. Nussbaum AG verschlankt seine Prozesse mithilfe von Lean-Management-Methoden. Am Themen-Fokustag von GS1 wurden den Teilnehmenden wichtige Etappenziele wie die Neugestaltung der Arbeitsplätze, der Intralogistik und die Shopfloor-Führungstools präsentiert.

Noch hat sich die industrielle Wertschöpfung nicht aus der Schweiz verabschiedet, wie ein Besuch im Werk Trimbach des Sanitärarmaturenherstellers R. Nussbaum AG auf eindrückliche Weise zeigte. Das Unternehmen öffnete vergangenen November seine Tore und war Gastgeber des Fokustags von GS1 zum Thema Lean Management (LM). Rund zwei Dutzend Logistikverantwortliche aus Unternehmen diverser Branchen erhielten so die Gelegenheit für lehrreiche und tiefe Einblicke in den Transformationsprozess eines Traditionsunternehmens.

Zwischen Hammer und Amboss
Die seit 114 Jahren in Familienhand geführte Firma ist willens, auch weiterhin eine spezialisierte Produktion für Armaturen und Installationssysteme in der Schweiz langfristig aufrechtzuerhalten. Doch wie geht das? Schon seit Langem muss sich die Industrie hierzulande auf wertschöpfungsintensive Tätigkeiten konzentrieren und sich immer wieder an neue Bedingungen anpassen. Am 15. Januar 2015 hob die Schweizerische Nationalbank den Euro- Mindestkurs auf. Der Franken verteuerte sich auf einen Schlag um fast 20 Prozent. Gerade im verarbeitenden Gewerbe bestand die Furcht vor einem Kahlschlag. So schlimm kam es nicht, dennoch wurden Zehntausende Stellen im industriellen Sektor gestrichen.

Dieser Schock bereitete auch der Geschäftsleitung der R. Nussbaum AG nicht geringe Sorgenfalten. Zwar produziert das Werk in Trimbach haupt- sächlich für den Schweizer Markt. Daneben beliefert der Armaturenhersteller in geringerem Masse auch den europäischen Binnenmarkt aufgrund einer schon länger andauernden Allianz- Partnerschaft mit einem deutschen Unternehmen. Bislang galt: Der Mehrwert der Herstellung komplexerer Armaturen aus schweizerischer Produktion für den Export hielt sich die Waage mit den Mehrkosten infolge des teureren Standorts.

«Als Folge des Frankenschocks wurde bald klar, dass die Herstellungskosten für gewisse Produkte zu hoch waren und auf das Niveau vergleichbarer Produktionsstätten im Euroraum gesenkt werden müssen», schilderte Beat Bobst, Leiter der Armaturenfabrik in Trimbach, die Ausgangslage. Aufgrund einer umfangreichen Potenzialanalyse formulierte man die Zielvorgabe, bis Ende des Jahres 2018 die Durchlaufzeit der Werkstücke um rund die Hälfte zu senken.

Mitbestimmung und Unternehmenskultur
Auf der Suche nach Ansätzen und Methoden, industrielle Prozesse zu verbessern, kam das Kader in Kontakt mit mehreren Firmen, die bereits in die «Schule» des Lean Management gehen. Üblicherweise begleiten spezialisierte Beratungsunternehmen ihre Kunden bei der Anwendung von Lean- Management-Methoden. Dies war auch im Fall der R. Nussbaum AG nicht anders. Dennoch hält Beat Bobst fest: «Man ist aufgefordert, selbst Etappenziele zu formulieren und einfach mal anzufangen, mit dem Instrumentenkasten aus dem Lean Management zu arbeiten.»

Alles beginnt mit der Überzeugung der höchsten Führungsetage, dass Lean Management mannigfaltige Vorteile bringt. Doch dann folgt die Umsetzung im Betriebsalltag. Daniel Odermatt, Geschäftsführer der LeanCom GmbH, die den Sanitärproduktehersteller in Lean-Transformation unterstützt, nannte am GS1 Thementag die Fallstricke eines missglückten Lean Management: «Häufig wird kopiert anstatt kapiert. Einzelne Projekte sind überladen. Es fehlt eine strukturierte Vorgehensweise. Und sehr häufig werden den Teams keine Ressourcen – sprich: keine Zeit – für die Umsetzung gewährt.»

Gemäss Beat Bobst bereitete man sowohl die Angehörigen des Kaders wie auch die ganze Belegschaft sorgfältig auf die bevorstehenden Veränderungen vor, die nichts Geringeres als die Umwandlung der Unternehmenskultur zur Folge hatten: «Es braucht viel Durchhaltewillen am Anfang und ein gehöriges Umdenken bei den Vorgesetzten. Viel Entscheidungskompetenz wird an die Wertschöpfung verlagert. Wir vertrauen auf das Mitdenken und das selbstständige Handeln unserer Beschäftigten.»

Taktfahrplan im Nachschub
Anlässlich des GS1 Thementages präsentierte das Unternehmen anhand von Praxis-Workshops erfolgreich eingeleitete Massnahmen. Einige der dort präsentierten Projekte wurden als Resultate eines über 12 Wochen angelegten Prozesses aus kontinuierlichen Verbesserungsschritten nach der Methode des Kaizen entwickelt.

Lean Management beginnt nicht selten mit einer effizienten Struktur am Montage- Arbeitsplatz nach sogenannten «5S»-Gesichtspunkten, so auch in unserem Beispiel. Einheitliche Kennzeichnungen, Beschriftungen und Markierungen sollen am Arbeitsplatz die Orientierung erleichtern. Häufig benötigte Werkzeuge sollen unter ergonomischen Gesichtspunkten leicht greifbar und auffindbar sein.

Nicht selten entstehen in der Fertigung «Verschwendungen», die den optimalen Produktionsfluss erheblich stören, so etwa beim fabrikinternen Materialnachschub. Dazu Beat Bobst: «Man versorgte die Produktion zweimal am Tag mit kommissionierten Einzelbestandteilen und nahm produzierte Ware ins Fertiglager mit. Das hatte – je nach Schicht – extreme Belastungsspitzen zur Folge.» Hier kam Kanban zum Einsatz, eine LM-Methode der Produktionsprozesssteuerung, die sich am tatsächlichen Verbrauch von Materialien an den Arbeitsplätzen orientiert. Ein sogenannter «Milkrun» wurde eingerichtet, eine Art Taktfahrplan aus dem Einzelteilelager, der das Auftragsvolumen in der Produktionslogistik glättet und den Materialbestand wie auch die Anzahl gefertigter Werkstücke an den Montageplätzen klein hält.

Schliesslich bedingt ein Mitgestalten und Mitentscheiden durch alle Teams auch das Offenlegen aller Informationen zu den relevanten Prozessen im Betrieb. Dies geschieht durch das sogenannte Shopfloor Management. An weissen Visualisierungstafeln werden Produktionsziele (und festgestellte Abweichungen davon) angeschlagen, ebenso die Abwesenheits-Planung, Störungsmeldungen und der Fortlauf der geplanten Verbesserungsschritte. Vom Shopfloor Management als Führungsinstrument am Ort der Wertschöpfung verspricht sich das Unternehmen viel. Die dadurch erzeugte Transparenz reduziert den Kommunikationsaufwand zwischen den Führungsebenen erheblich. Im Fokus des LM ist zudem die erhöhte Flexibilisierung des Personaleinsatzes im ganzen Betrieb durch beständige Schulung.

Mit dem GS1 Thementag erhielt das Unternehmen einerseits eine Bühne, die bisherigen Etappenerfolge zu präsentieren, andererseits aber auch den Einbezug einer kritisch-konstruktiven Aussensicht. Ein Grund mehr, den eingeschlagenen Weg mutig weiterzugehen. Dazu Beat Bobst: «Wir wollen in Zukunft noch mehr Zeit für die Umsetzung von Verbesserungsmassnahmen einplanen – und zwar mit erhöhter Kaizen-Frequenz.»

Manuel Fischer

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