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Kreislaufwirtschaft: Von der Vision zur Realität

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist komplex, aber nicht neu. Der Wandel wird einfacher, wenn Unternehmen von Anfang an einige Kriterien beachten.

Die Idee der Kreislaufwirtschaft ist schon einige Jahrzehnte alt. Erstmals umriss Kenneth Boulding 1966 die Anwendung eines Wirtschaftsmodells, welches lebenden Systemen nachempfunden wurde. Es zeichnete sich dadurch aus, dass die Wiederverwertung von Materialien inhärent, also eingebaut ist. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft beschreibt somit eine Industriewirtschaft, in der Materialströme fortlaufend auf qualitativ hohem Niveau zirkulieren, wenn man ihre Eigenschaften, ihre Funktionen und das Nutzungsspektrum betrachtet. Mit Ausnahme biologischer Nährstoffe gehen keine Materialien in die Biosphäre über. Diese Definition findet sich in der Publikation «Kreislaufwirtschaft», die von den Akademien der Wissenschaften Schweiz (AWS) herausgegeben wurde.

Nur wenige Jahre nach Boulding führte 1969 Otto Schmitt den Terminus Biomimetik/Biomimikry ein. Darunter beschrieb er einen Ansatz zur technischen Imitation von Modellen, Systemen und Naturelementen. Insbesondere skizzierte er die synthetische Herstellung nachhaltiger Produkte durch künstliche Mechanismen, die natürliche Mechanismen nachahmen. Aus diesem Ansatz entstand die Idee für das Konzept eines nachhaltigen Designs, welches Produkte und Verfahren von Anfang an so gestaltet, dass die Umweltbeeinträchtigungen minimal sind oder die Ressourcen optimal regeneriert werden können.

Rohstoffmangel fördert Interesse
Allerdings wurde das Konzept der Kreislaufwirtschaft keineswegs sofort umgesetzt und es ist bis heute auch nicht das einzige Nachhaltigkeitskonzept geblieben. Erst im Zuge des wachsenden Rohstoffmangels stieg das wirtschaftlich begründete Interesse am bisherigen Abfall als neuer Materialquelle. Ab den 1990er-Jahren verlagerte sich die Wahrnehmung weg von Produkten und Prozessen hin zu einem integrierten und systemischen Ansatz. Die Publikation der Akademien betont, dass für ein solide umgesetztes Konzept der Kreislaufwirtschaft mehrere Faktoren notwendig sind: Dazu gehören eine nicht restriktive Staatsstruktur, neue Geschäftsmodelle, speziell ausgebildete Fachleute sowie angemessene Indikatoren, ein zuverlässiges Kontrollsystem und internationale Standards.

Für GS1 ist das Konzept der Kreislaufwirtschaft ein ideales Szenario. In den vergangenen Jahrzehnten haben standardisierte internationale Systeme wie das GS1 System schon längst gezeigt, welche positiven Auswirkungen sie auf die Optimierung zahlreicher ökonomisch und ökologisch wichtiger Aspekte haben. «Ein nachhaltiger Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft kann nur stattfinden, wenn Daten zu Ressourcen und deren Prozessen strukturiert sind und über globale und offene Standards wie jene von GS1 ausgetauscht werden», betont GS1 Switzerland in einem White Paper zur Kreislaufwirtschaft.

Daten sind entscheidend
Aus Sicht von GS1 erfordert das Modell der Kreislaufwirtschaft ein fundamentales Überdenken der Produktions-, Verteilungs- und Konsummodelle. Vor diesem Hintergrund hat die Verfügbarkeit von hoch qualitativen Datensätzen grosse Bedeutung. Besonders wichtig wird in diesem Konzept der «unendlichen Liefernetzwerke» vor allem die gemeinsame Nutzung der Daten über Unternehmensgrenzen hinweg sein.

Nur mit standardisierten Datensätzen lässt sich der von der EU im Rahmen des Green Deal angestrebte digitale Produktpass realisieren. Dieser soll die wichtigen Umwelt- und Materialdaten im Lebenszyklus eines Produkts oder einer Dienstleistung enthalten. Er wird über alle Herstellungsschritte hinweg fortlaufend aktualisiert und ergänzt.

Gerade bei solchen Projekten ist die Verwendung einer gemeinsamen Sprache mit einheitlicher Semantik, Ontologie und Taxonomie entscheidend und letztlich die einzige Möglichkeit, die vom Konzept der Kreislaufwirtschaft benötigte Effizienz zu erreichen. Allein ein solcher Standard für die Datenerfassung und den Datenaustausch erlaubt es, das Kreislaufwirtschaftskonzept über alle Wertschöpfungsnetzwerke hinweg zu realisieren.

Früh ansetzen zahlt sich aus
Mit Blick auf konkrete Produkte oder Prozesse betont das White Paper von GS1 zudem die Bedeutung der Konzeptphase hinsichtlich der optimalen Gestaltung In der frühen Entwicklungsphase werden allein durch das Design bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen und bis zu 70 Prozent der späteren Produktkosten festgelegt. Nur gegen 20 Prozent entfallen auf die Materialkosten. Deshalb sollte sich die gewählte Materialzusammensetzung von Beginn weg an einer späteren Wiederverwendbarkeit orientieren. Das beeinflusst die Wahl der Inhaltsstoffe, den Einsatz von Sekundärrohstoffen und andere Aspekte. Künftig dürfte die Kundschaft ihr Kaufverhalten zudem vermehrt an Themen wie der effizienten Energie- und Materialausnutzung ausrichten. Sie dürfte auch bereit sein, für entsprechend ausgezeichnete Produkte mehr zu bezahlen.

GS1 Switzerland legt den Fokus darauf, Informationen über das Businessmodell Kreislaufwirtschaft zur Verfügung zu stellen und technische Lösungsansätze aufzuzeigen, Anwendungsempfehlungen zu erarbeiten und den Nutzen von GS1 Standards in der Kreislaufwirtschaft deutlich darzustellen.

Joachim Heldt

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