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Mit Augmented Reality zur effizienten Intralogisitik

Augmented Reality zur effizienten IntralogisitikDer digitale Zwilling macht vieles leichter: Gilgen Logistics hat das Potenzial der Digitalisierung bei einer Transportanlage für Denner konsequent genutzt.

Das Lager von Denner in Lyss hat eine neue Aufzugsanlage mit Vorzone im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss erhalten. Die Anlage umfasst rund 20 konstruktive Elemente wie Rollenbahnen und Kombiförderer sowie Aufzüge und Schwenktische. Pro Stunde können gegen 80 Paletten verarbeitet werden.

Der digitale Zwilling
Die Anlage hat aber auch einen digitalen Zwilling bekommen. Dieser hat nicht nur Planung, Verkauf und Realisierung erleichtert, sondern macht auch die Wartung einfacher. Die Projektbeteiligten können alle Bauteile parallel sowohl physisch als auch mit digitalen Einblendungen auf einem Smartphone, einem Tablet oder in einer AR-Brille sehen. Via Cloud besteht Zugriff auf Konstruktionsdaten und Teilelisten. Die Verknüpfung der realen mit der virtuellen Welt erledigt der GS1 Digital Link, der auf allen Elementen per Aufkleber aufgebracht ist.

«Man spart sich vor allem die Wege zu den physischen Daten», charakterisiert Daniel Fricker, Leiter Entwicklung bei Gilgen Logistics, die Vorteile durch die Digitalisierung. Via Tablet, Handy oder eben ARBrille können Anlagezeichnungen und Teilestücklisten direkt vor Ort eingesehen werden. Der Datenstand ist dabei stets aktuell und es kursieren keine älteren Versionen, wie das bei einer papiergestützten Dokumentation regelmässig der Fall ist. Jeder hat immer die gleichen und aktuellen Daten zur Anlage zur Verfügung.

Der Bau der Anlage verlief reibungslos. Einige auftauchende Schwierigkeiten konnten via Remote Support gelöst werden. Dazu nutzte man Microsoft Teams und teilte den Bildschirm. So konnte der Ingenieur am Unternehmenssitz den Monteur auf der Anlage direkt unterstützen und hilfreiche Anweisungen geben. «Der Monteur agiert wie ein verlängerter Arm des Ingenieurs, der die Reparatur steuert und beaufsichtigt», meint Fricker. Aufkleber aufgebracht ist.

Virtuelle Planung zeigt Hürden früh auf
Zufrieden ist auch der Kunde: «Gilgen Logistics hat uns seit der ersten Kontaktaufnahme sehr gut beraten und unser Anliegen sofort verstanden», sagt Denner- Sprecher Thomas Kaderli. Im Fall von Unsicherheiten gab es gute Inputs und dann wurde eine realistische Planung erstellt, die sehr gut auf notwendige bauliche Massnahmen und personelle Ressourcen abgestimmt war. Im betrieblichen Alltag wiederum funktioniert die Anlage laut Kaderli einwandfrei. «Wir sind sehr zufrieden », stellt er fest. Das besondere Highlight ist natürlich der digitale Zugriff auf die Anlage. Dadurch kann Gilgen Logistics jederzeit remote auf das System zugreifen, Fehler oder Störungen beheben und Auswertungen vornehmen. Das ist für Techniker ein enormer Vorteil und hat die Frist zur Inbetriebnahme und die allgemeine Stillstandszeit deutlich verkürzt.

Die Vorgeschichte dieses Digitalisierungsprojekts reicht bis 2019 zurück. Die Vision war die Loslösung von der umfangreichen papierhaften Dokumentation, welche mit technischen Projekten bisher einherging. Je nach Anlagengrösse seien das bis zu 20 Bundesordner gewesen, erinnert sich Fricker. Das Ziel war die Verfügbarkeit der Daten direkt an der Anlage.

Zusammen mit der Berner Fachhochschule wurde ein von der Innovationsförderagentur Innosuisse unterstütztes Projekt konzipiert. Das erste Ergebnis – ein Bauelement mit digital animierter Wartungsanleitung – sollte 2020 an der Fachmesse Logimat vorgestellt werden, doch diese fiel wegen Corona aus. Bei Gilgen Logistics verfolgte man das Projekt indessen über das Innosuisse-Stadium hinaus weiter.

Anspruchsvolle Software realisiert
Ein Meilenstein war die Programmierung für die digitale Darstellung der physischen Bauelemente. Diese übernahm das Zürcher Unternehmen Netcetera. Es erstellte ein Template am Beispiel einer Rollenbahn. Auf dieser Basis kann Gilgen Logistics nun mit hausinternen Ressourcen für viele andere Bauteile einer Anlage ein digitales Abbild realisieren. Dabei werden die Daten nur einmal aufbereitet und im gesamten Prozess weitergegeben. Wie in einem Baukastensystem werden weitere Daten und Parameter ergänzt. Dazu wurden verschiedenste Systeme (ERP, CAD, SPS, Microsoft Exchange) miteinander durch automatisierte Schnittstellen verbunden. Dadurch war der Entwurf einer neuen Anlage völlig virtuell möglich, indem die vorhandenen digitalen Bauelement-Zwillinge einfach zu einer Anlage kombiniert wurden. Das geschah in einer CAD-Software mit Drag-and-Drop. Für jedes Element sind die relevanten Parameter gleich hinterlegt, von den Abmessungen bis zu den Sensoren-Positionen oder dem Aufladegewicht.

Viel Aufmerksamkeit verlangte die Wahl der richtigen Software für die virtuelle Darstellung. Die Technologie ist allgemein noch recht neu und es bestehen nicht viele etablierte Systeme. Bei Gilgen Logistics entschied man sich für Vuforia Studio. Die dreidimensionale Darstellung wirkt auch im Verkaufsprozess positiv, weil eine realitätsnahe Visualisierung möglich ist. «Für Entscheider ist das einfacher greifbar als ein Papierplan im A0-Format», stellt Fricker fest. Schliesslich haben der CEO oder CFO eines Unternehmens oft kein primär technisches Fachwissen.

GS1 Standard als Schlüssel zu allen Daten
Die dreidimensionale Visualisierung überzeugte auch bei Denner. Laut Kaderli war es sehr hilfreich, sich die Anlage bereits in der Planungsphase via Augmented Reality im Raum anzuschauen und so allfällige Probleme wie Durchgänge oder Aufgabestellen frühzeitig zu erkennen. «Aufwand und Kosten, die mit derartigen Korrekturen verbunden sind, steigern sich im Laufe des Projekts um ein Vielfaches», betont er.

Aus der virtuell durchgeplanten Anlage wird dann nach dem Transfer der Daten ins ERP eine Stückliste. Jedes Element bekommt eine eigene Identifikationsnummer, den GS1 Global Individual Asset Identifier (GIAI). Dadurch ist es eindeutig identifiziert, die entsprechenden Produktinformationen sind in der Cloud. Über den QR-Code verbindet der GS1 Digital Link jedes physische Produkt mit seinem digitalen Zwilling. Dazu wird der Digital Link als QR-Code auf einem Aufkleber ausgedruckt und auf dem Bauelement angebracht. Alles, was an Daten im Zusammenhang mit dem Bauelement vorhanden ist, kann über den QR-Code via Cloud abgerufen werden.

Projekt mit Leuchtturmcharakter
Der Vorteil des GS1 Digital Link ist, dass er einen standardisierten Code darstellt und der Zugriff indirekt über die Server von GS1 erfolgt. Deshalb können die bei Gilgen Logistics hinterlegten Daten frei geändert werden. Das wäre bei einem konventionellen QR-Code, der nur einen direkten Link enthält, nicht möglich. Das GS1 System hat überzeugt, weil die Tests laut Fricker gut verliefen und auch die Installation auf dem globalen GS1 System wie gewünscht möglich war. Bisher sei etwas Ähnliches in der Industrie noch nicht umgesetzt worden, meint er.

Ein wesentliches Erfolgselement für das Projekt war ferner, dass die zahlreichen Anforderungen, die von verschiedensten Seiten gestellt wurden, schon früh kanalisiert und bewertet wurden. Man startete also mit den als besonders wichtig empfundenen Funktionen und achtete auf ein erweiterungsfähiges und skalierbares System. «Es war anspruchsvoll, am Anfang schlank zu arbeiten», sagt Fricker. Dadurch habe man sich aber nicht mit Anforderungen überfrachtet.

Als nächster Schritt ist eine Optimierung der Datenablage vorgesehen. Ausserdem will man Predictive Maintenance-Konzepte integrieren und für die Kunden aus den laufenden Steuerungsdaten der Anlage ein Live-Cockpit bauen. Zwei weitere Anlagen sind bereits in Planung: In Villmergen entsteht für GLC eine Anlage für die Verarbeitung von Gebinden der Grossverteiler, und der Haustechniker Meier Tobler hat Ausrüstung für sein Lager in Oberbuchsiten bestellt.

Alexander Saheb

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