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Gleichlauf der Daten

Gleichlauf der DatenStammdaten sind das Kapital jedes Unternehmens. Stammdaten sind statische Grunddaten zu Waren, Lieferanten, Patienten und Mitarbeitenden. Sie sind für die automatische Erfassung und Verarbeitung unerlässlich. Eine hohe Stammdatenqualität ist wichtig. Um eine Mehrfacherfassung und Fehler zu vermeiden, werden Stammdaten über Stammdatenpools ausgetauscht.

(jh) Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2007 zum Thema «Zustand der Artikelstammdaten» bemängelten rund ein Drittel der Einzelhändler die Konsistenz der Artikelstammdaten. Bei über 50 Prozent entsprach die Artikelbeschreibung nur teilweise oder gar nicht den realen Produkten.

Und wie sieht es im Gesundheitswesen aus? Ein sauberer Austausch von Produktstammdaten für Medizinprodukte ist eine Voraussetzung für effiziente Geschäftsprozesse und erhöht die Patientensicherheit. Trotz Sortimentsstraffung führt die zunehmende Spezialisierung zu immer mehr Artikeln.

Das kann teuer werden
Die Artikelkataloge der Hersteller werden in den unterschiedlichsten Formaten den Benutzern zur Verfügung gestellt. Jeder Lieferant hat seine eigenen Vertriebs-und Übermittlungsmethoden, wie die Stammdaten den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden. Die Lösung sieht Jan Denecker, Marketing Manager Healthcare, GS1 Global Office, in elektronischen Artikelkatalogen im GS1 Standardformat, die als GS1 XML-Meldung über das Internet ausgetauscht werden. Die Verwendung nicht korrekter Stammdaten kostet die Gesundheitsbranche jährlich viele Milliarden. Zur Verdeutlichung hier einige Beispiele aus den USA:
• Im amerikanischen Gesundheitswesen werden jeden Tag 24 bis 30 Prozent der Verwaltungszeit für die Bereinigung und Korrektur von Stammdaten aufgebracht.
• Aufgrund unzureichender Daten entstehen der Branche jährlich Kosten in Höhe von 2 bis 5 Milliarden US-Dollar.
• 30 Prozent der Produktinformationen in den Krankenhäusern sind nicht auf dem korrekten Stand. So bestellen die Einkäufer im Gesundheitswesen Produkte auf der Grundlage alter und falscher Informationen.
• Die Korrekturen der falschen Transaktionen kosten zwischen 60 und 80 US-Dollar pro Vorgang.
• 60 Prozent aller Rechnungen enthalten Fehler. Die Behebung jedes Rechnungsfehlers kostet 40 bis 400 US-Dollar.
• Falsche Daten führen zu einer Erhöhung der Lieferkosten um 3 bis 5 Prozent.
Diese Situation treffen wir aber nicht nur in den USA an, sondern sie steht stellvertretend für das ganze Gesundheitswesen in allen Ländern. Die Kosten, die durch falsche Stammdaten im Gesundheitswesen verursacht werden, sind enorm.

Falsch kann teuer werden
Vor drei Jahren wurde in Australien eine Untersuchung der Pharma-Lieferkette durchgeführt. Dabei wurden die Produktdaten eines Herstellers mit den Daten im Informationssystem in einer Spitalapotheke verglichen. Die Daten des Herstellers wurden dem National Product Catalogue entnommen. Insgesamt wurden 384 Datensätze verglichen. Nur gerade 97 Datensätze, also 25 Prozent, waren im Apothekensystem überhaupt vorhanden. Bei einer vertieften Analyse der Datensätze stellte sich heraus, dass zwischen den Produktdaten des Herstellersystems und den Daten der Spitalapotheke erhebliche Unterschiede bestanden. Einige Abweichungen waren besonders interessant: So wurde ein Posten vom Hersteller als Abführmittel eingestuft und im Krankenhaus als Multivitaminmittel bezeichnet. In einem anderen Beispiel ging aus den Herstellerdaten hervor, dass es sich bei einem Posten um eine Einzeleinheit handelte, während dieselbe Position in der Krankenhausapotheke als über seinen Datenpool.
Verpackung mit 18 Einzeleinheiten ausgewiesen wurde. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Mitarbeitenden ihre Entscheidungen für den Wareneinkauf ohne vollständige und genaue Produktinformationen trafen. Aufgrund von Rückfragen, Abweichungen und zusätzlichen Bestellungen und Lieferungen entstehen für beide Partner der Lieferkette erhebliche Kosten. Bezüglich der Nachfrageseite schätzt die australische Regierung, dass die Kosten für die Erfassung einer neuen Position im Spitalsystem bei 47 australischen Dollar liegen. Wenn man von durchschnittlich etwa 10 000 Positionen pro Spital ausgeht, beträgt der Aufwand für die Datenerfassung ohne Datenverwaltungszeit 470 000 australische Dollar. Dafür sind über 10 000 Arbeitsstunden oder fünf Mannjahre aufzubringen. 24 Prozent der Verwaltungszeit im Krankenhaus werden mit Datenbereinigung und Korrekturen verbracht. Auch die Hersteller investieren erheblichen Zeitaufwand in die Datenbereinigung, Korrektur und Abstimmung von Bestellungen, die sie mit falschen Angaben, Kennungen und Beschreibungen erhalten. In der Studie wird die Schätzung eines Herstellers zitiert, wonach 47 Prozent aller Preisfehler in Bestellungen auf schlechte Stammdaten der öffentlichen Krankenhäuser zurückzuführen sind, was jährlich Kosten in Höhe von 40 000 australischen Dollar verursacht. Die Kosten für die Bestellbereinigung falscher Artikelbezeichnungen und Masseinheiten beziffert der Hersteller auf weitere 50 000 Dollar.

Stammdaten im Fluss
Vollständige und genaue Stammdaten sind die Grundlage vieler Planungs- und Geschäftsprozesse. Damit in diesen Prozessen keine Fehler entstehen, müssen die Stammdaten aktuell, fehlerfrei und vollständig sein. Vergleichbar mit einem Steckbrief wird jedem Produkt eine ganze Reihe von Eigenschaften zugeordnet. «Wichtige Merkmale sind die eindeutige Artikelnummer in Form der Global Trade Item Number (GTIN) und der Global Location Number (GLN)», erklärt Jan Denecker. Unzählige weitere beschreibende Merkmale kommen hinzu. Alle Informationen bilden den Stammdatensatz. Struktur und Umfang der Datensammlung unterscheiden sich je nach Unternehmen. Das Stammdatenmanagement bildet eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Der Aufwand für die Pflege und Aktualisierung lässt sich erheblich reduzieren, wenn die Daten elektronisch ausgetauscht werden. Zentrale Stammdatenpools unterstützen dabei die Datensynchronisation zwischen den Beteiligten im Gesundheitswesen. Die Unternehmen können frei wählen, über welche Plattform sie die Stammdaten den Geschäftspartnern zur Verfügung stellen. Laut Jan Denecker sind zurzeit 28 Datenpools durch das Global Data Synchronisation Network zertifiziert. So wird die Datensynchronisation in mehr als 90 Ländern auf der ganzen Welt sichergestellt.

Globales Stammdatennetz
Das Global Data Synchronisation Network (GDSN) ist ein durch das GS1 Global Registry verknüpftes Netzwerk global verteilter Datenpools. Die angeschlossenen Unternehmen können mithilfe dieses Netzwerks Artikelstammdaten standardisiert über das Internet austauschen und aktuell halten. Dabei dient GS1 XML als Übertragungsformat. «Über das GDSN-Netzwerk lassen sich alle Unternehmen, mit denen eine Geschäftsbeziehung besteht, zusammenschliessen, sodass sich die einzelnen Datenpools wie eine integrierte Lösung präsentieren», so Jan Denecker. Das GDSN-System wurde 2004 eingeführt. Per April 2010 nutzen 23 689 Unternehmen das GDSN-Netzwerk, um Stammdaten mit ihren Geschäftspartnern auszutauschen. Von April 2005 bis April 2010 wurden über fünf Millionen GTINs im Global Registry erfasst. Davon sind 2,6 Millionen Artikel einer Warenklassifikation (Global Product Classification) zugeordnet. Die Zuordnung erlaubt allen beteiligten Partnern einen zielgerichteten und effizienten Austausch der gewünschten Produktinformationen. Mit 46 Prozent sind die Warenkategorien Nahrungsmittel, Getränke, Tabak und Hygieneartikel am stärksten vertreten. Interessant ist die Feststellung, dass sich das Gesundheitswesen verstärkt mit der GDSN-Thematik befasst. Die globale Datensynchronisation über das GDSN-Netzwerk funktioniert. Eine Untersuchung in der Konsumgüterindustrie hat ergeben, dass sich die Auftrags-und Artikelverwaltung im Detailhandel durch die Datensynchronisation um 50 Prozent verbessert hat. Der Datenverwaltungsaufwand wurde um 30 Prozent reduziert. Insgesamt konnte die Verfügbarkeit der Artikel verbessert werden. Bei den Herstellern wurde der Zeitraum bis zur Verfügbarkeit im Verkaufsgeschäft durchschnittlich um zwei bis sechs Wochen verkürzt. Die Auftrags-und Artikelverwaltung konnte um 67 Prozent verbessert werden und die Probleme mit falschen Verkaufsdaten am POS sanken um 25 bis 55 Prozent.

Klassifizierung schafft Ordnung
Das GDSN-System setzt sich aus einer Reihe von Produktattributen zusammen. Dabei handelt es sich um logische Attribute oder solche, die sich auf Produktstatus, Daten oder automatisch erzeugte Felder beziehen. Die GDSN-Healthcare-Arbeitsgruppe hat für das Gesundheitswesen 228 Produktattribute festgelegt. Weitere können von den Partnern der Lieferkette definiert werden. Im Gesundheitswesen existieren über 20 Einstufungssysteme, wie zum Beispiel das UNSPSC der Vereinten Nationen, CLADIMED in Frankreich, eClass in Deutschland oder NHS e-class in England. GDSN unterstützt die einzelnen Einstufungssysteme durch die Verwendung des Attributs «Additional Classification Agency» und stellt zwei GPC-Codes zur Verfügung. Damit können Medikamente und medizinische Geräte klassifiziert werden. In der Schweiz bieten gleich drei Anbieter ihre Dienste rund um die zentrale Datenhaltung an: GHX, Medical Columbus und e-mediat. Pharmazeutische Produkte sowie Fachpersonen können über die Referenzdatenbanken von e-mediat ermittelt werden. Medizinische Produkte stellen GHX und Medical Columbus zur Verfügung.

So funktioniert’s
Nach der Festlegung der Artikelstammdaten speichert der Hersteller seine Daten in einem GDSN-zertifizierten Datenpool. Der Betreiber der zentralen Datenbank überprüft alle Daten auf Vollständigkeit und GS1 Konformität und erfasst anschliessend die GLN und GTIN in der GS1 Global Registry. Die Partner der Lieferkette können die Daten erst dann erhalten, wenn der Hersteller dies genehmigt hat. Über ein elektronisches Mitteilungssystem erfolgt die Anfrage und Bestätigung zum Datenbezug. Die einzelnen Datenpools stellen die Vertraulichkeit der vom Hersteller zur Verfügung gestellten Daten sicher. «Die GS1 Standards sollten als die reine Artikelwahrheit im Gesundheitswesen vorangetrieben werden», sagt Jan Denecker. «Die Gesundheitsbranche braucht konsistente und gültige Daten.» Das GDSN-Netzwerk ist wie ein Dach, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Gesundheitswesen mit standardisierten GS1 Komponenten die Effizienz erhöht. Dazu gehören die Produktidentifikation (GTIN), die Partneridentifikation (GLN), die elektronische Artikelkennzeichnung (EAN-13, GS1-128 und GS1 Data Matrix) und der Kommunikationsstandard EANCOM oder GS1 XML. GDSN ermöglicht als «Single Point of Entries» für Artikelstammdaten eine weltweite Datensynchronisation, auch im Gesundheitswesen.

Joachim Heldt

 

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