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Der lange Weg zur Norm

Der lange Weg zur NormManche Dinge sind selbstverständlich, sodass wir uns einfach keine Gedanken mehr darüber machen. Oder haben Sie sich schon mal überlegt, warum die Verschlusskappe auf die PET Flasche passt?

(jh) Sie schrauben eine Glühbirne ein und finden es selbstverständlich, wenn die Fassung und das Gewinde zueinander passen. Sie stecken Ihren Brief in den Umschlag und erwarten, dass die Adresse vollständig im Fenster des Umschlags zu sehen ist.

Sie vergeben einen Auftrag und möchten vergleichbare Angebote bekommen. Sie verschicken Ihre Bestellung elektronisch und erwarten, dass sie für den Empfänger lesbar ist. Die Reihe der Beispiele können wir beliebig fortsetzen. Sie zeigen jedoch eines auf: ohne Normen und Standards geht nichts. Sie begleiten uns im Beruf und im Privatleben auf Schritt und Tritt. Geregelt ist fast alles. Von der Dicke der Banane über den Fensterbau bis hin zur Sicherheit von Rolltreppen. Selbst Schlafsäcke, Markisen und Teddybären werden nach europäischen Normen getestet. Aber einheitliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke gibt es nicht.

Standard oder Norm?
Dazu gibt es klare Definitionen, beispielsweise vom British Standards Institute: «Ein Standard ist ein öffentlich zugängliches technisches Dokument, das unter Beteiligung aller interessierter Parteien entwickelt wird und deren Zustimmung findet. Der Standard beruht auf Ergebnissen aus Wissenschaft und Technik und zielt darauf ab das Gemeinwohl zu fördern.» In der deutschen Sprache unterscheidet man die Begriffe Norm und Standard. Im englischen Sprachraum wird diese Unterscheidung nicht gemacht, die von den Normungsorganisationen herausgegebenen Dokumente heissen «standards», der Normungsprozess wird als «standardization» bezeichnet. Ein Standard hat sich im Laufe der Jahre durch die Praxis vieler Anwender und verschiedener Hersteller als technisch nützlich und richtig erwiesen. Er wird von einem geschlossenen Kreis von Unternehmen oder auch nur einem Unternehmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit entwickelt. Ein Standard ist das Ergebnis einer Vereinheitlichung, die innerhalb eines Unternehmens oder einer Branche, national oder international vereinbart wurde. Der Konsens beschränkt sich auf die zahlenden Mitglieder, die wiederum hoffen, den Standard am Markt durch setzen zu können. Im Produktlebenszyklus werden Standards meist zu einem früheren Zeitpunkt entwickelt als Normen. Eine Norm ist ein Dokument, das durch eine breite Beteiligung aller interessierten Kreise übereinstimmend erarbeitet wird. In der Regel bezieht es sich auf ein Produkt oder eine Anwendung, die bereits eine gewisse Marktreife erlangt hat. Normung hat zum Ziel, national wie international den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu fördern und technische Handelshemmnisse zu verhindern. Normen stellen den jeweils aktuellen Stand von Technik und Wirtschaft dar und sind als qualifizierte Empfehlungen zu betrachten. Sie sind für jedermann zugänglich und die Anwendung ist grundsätzlich freiwillig. Normen bilden immer öfter die Voraussetzung für die Lösung oder Weiterentwicklung technischer und wirtschaftlicher Aufgaben. Ein möglicher Ansatz zur Unterscheidung zwischen Norm und Standard bezieht sich auf die Faktoren Konsensgrad und Zeit. Eine Norm ist ein Dokument, das durch ein «offizielles Gremium» erarbeitet wird, die Teilnahme ist für alle interessierten Parteien offen und alle Seiten haben das gleiche Mitspracherecht. Die Entscheidungsprozesse basieren auf Übereinstimmung. Ein solches Gremium stellt auf nationaler Ebene die Schweizerische NormenVereinigung dar und auf internationaler Ebene die ISO (International Organization for Standardization).

Der Normungsprozess
Im Prinzip kann jeder Normungsarbeiten veranlassen, vorausgesetzt ein begründeter Normungsantrag liegt vor. Der zuständige Normungsausschuss entscheidet über die Annahme oder Ablehnung des Antrags. Dabei ist zu prüfen, ob zu diesem Thema bereits ein europäischer Normungsprozess besteht. Falls nicht, ist zu klären, ob für den Normungsgegenstand ein Bedarf besteht und ob die interessierten Kreise am Normungsvorhaben mitarbeiten und zur Finanzierung beitragen. Der zuständige Ausschuss erarbeitet nach dem Konsensprinzip einen NormEntwurf. Dieser wird veröffentlicht, und nicht am Normungsprozess Beteiligte haben die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Nach Ablauf der Einsprachefrist wird die Norm durch den Ausschuss verabschiedet und durch die nationale Normierungsorganisation veröffentlicht.

Die europäische Normung wird im Rahmen der drei Organisationen CEN, CENELEC und ETSI durchgeführt. CEN bezeichnet sich als ein «System formaler Prozesse zur Herstellung von Normen, das durch die 29 nationalen Mitgliedsorganisationen getragen wird». Die nationalen Mitgliedsorganisationen stimmen über europäische Normen ab und implementieren diese. Das Ziel der europäischen Normung ist die Harmonisierung der in den einzelnen Mitgliedsländern gültigen Normen durch die einheitliche Einführung von europäischen Normen. Dadurch sollen Handelshemmnisse abgebaut werden und gleiche Rahmen und Wettbewerbsbedingungen für den europäischen Markt geschaffen werden. Ist der Schlussentwurf einer europäischen Norm in einer formellen Abstimmung von der Mehrheit der abstimmenden Länder angenommen worden, so muss er von den Mitgliedsorganisationen in das nationale Normenwerk übernommen werden. Laut der VilamuraRegelung der Europäischen Union mit dem CEN muss jedes Mitglied der Europäischen Union das komplette Regelwerk in das nationale Regelwerk zu 100 Prozent übertragen. Dieses Verfahren soll nicht nur helfen, Handelshemmnisse abzubauen, sondern auch die Benachteiligung von wirtschaftlich schwächeren Ländern gegenüber den stärkeren vermindern. Die internationale Normung wird im Rahmen der drei Organisationen ISO, IEC und ITU durchgeführt. ISO und IEC haben pro Land nur ein Mitglied, das die gesamten Normungsinteressen dieses Landes zu vertreten hat. Für die Schweiz ist die SNV (Schweizerische NormenVereinigung) Mitglied der ISO. Ziel der internationalen Normung ist es, internationale Vereinbarungen als internationale Normen zu veröffentlichen. Ihre Aufgabe ist, die Normung und damit zusammenhängende Bereiche weltweit zu fördern, um den internationalen Waren und Dienstleistungsverkehr zu erleichtern. Die Mitarbeit in der internationalen Normung erfolgt nach ähnlichen Prinzipien wie bei der europäischen Normung. Normen, die von der ISO herausgegeben werden, müssen nicht in das nationale Regelwerk übernommen werden. Aus diesem Grund hat CEN mit der ISO eine Vereinbarung getroffen, die vorsieht, dass ausgewählte internationale Normen in das europäische Regelwerk übernommen werden und die müssen wiederum in das nationale Regelwerk übernommen werden. Soll aber eine internationale Norm in das nationale Normenwerk übernommen werden, so darf dies nur als vollständige, identische Übernahme erfolgen.

Langwieriges Verfahren
Ob Standard oder Norm – eines haben beide gemeinsam: Bis ein Dokument den Status internationale Norm oder Standard erhält, vergeht Zeit, viel Zeit. Unzählige Ausschüsse, Arbeitsgruppen und Kommissionen überprüfen den Inhalt und dessen Relevanz. Das ist auch gut so. Es folgen Abstimmungen, Anpassungen und auch schon Abweisungen. Um zu verstehen, wie ein Normungs und Standardisierungsprozess entsteht und abläuft, braucht es einige Jahre. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass man von Normung spricht, wenn die Ergebnisse der Standardisierung Eingang in das Regelwerk einer anerkannten nationalen oder internationalen Normungsinstitution finden. Übrigens stammt das Wort Standard wie auch die Standarte von dem altfränkischen Wort «standord» ab und ist unschwer als Standort zu erkennen. Bei der Standarte handelt es sich um ein an einer Stange gehisstes Fähnlein oder Feldzeichen. Sie markierte früher den Versammlungsort eines Truppenteils in der Schlacht. Standarte und Standard haben zwar den gleichen Ursprung, aber sonst nichts gemeinsam.

Joachim Heldt

 

Das Papierformat A4
(jh) Als gängige Norm ist Ihnen sicher DIN A4 bekannt. Das Papierformat gibt es seit 1922; es wurde vom Mathematiker und Ingenieur Walter Porstmann entwickelt. Damals wurde die Norm 476 über Papierformate veröffentlicht. Dahinter verbirgt sich einiges an Mathematik. Das Ausgangsformat A0 hat eine Fläche von einem Quadratmeter. Das Verhältnis der Seitenlängen jedes Blattes im DINFormat beträgt 1 zu 1,4142 oder mathematisch ausgedrückt: eins zur Quadratwurzel 2. Der praktische Nutzen: Beim Halbieren eines solchen Blattes entstehen zwei Blätter im gleichen Seitenverhältnis. Auf diese Weise geht jedes kleinere Format durch einmaliges Falten aus dem jeweils grösseren Format hervor. Das A4Format gibt es heute auf der ganzen Welt, nur in Nordamerika und China existieren daneben noch andere Formate.

 

Ausgefallene EU-Normen
(jh) Eine EUNorm regelt genau, wie gross der Abstand zwischen den Grillstäben sein darf: maximal 20 Millimeter, nicht mehr, sonst fällt das Würstchen in die Kohle. 
Egal wie krumm die Banane ist: Die EUBananenverordnung schreibt vor, dass sie mindestens 14 Zentimeter lang und 24 Millimeter dick sein muss. 
Die Pizza Margherita muss beim Anfassen und im Biss weich sein, schreibt die EUVerordnung vor. Aber wehe, sie ist dicker als vier Zentimeter. 
Ein Kondom muss 17 Zentimeter lang sein, einen Durchmesser von 56 Millimetern haben und mindestens fünf Liter müssen in das Kondom passen – so schreibt es die EU vor. 
Bei der Erdbeere muss laut EUNorm der Querdurchmesser mindestens 18 Millimeter betragen und bei Äpfeln besteht ein Mindestgewicht von 90 Gramm. Alles drunter fliegt raus. 
Und beim Brot darf der Salzanteil nicht mehr als 1,5 Prozent des Mehlanteils betragen.

 

 

 

 

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