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Die MarkenDNA erleben

Thomas Stiefel, CEO Retailpartners AG(jh) Der Film «Frühstück bei Tiffany» machte die New Yorker Filiale von Tiffany & Co. zum bekanntesten FlagshipStore. Heute stehen sie in allen grossen Metropolen der Welt. Die Produkte sind aufwendig in Szene gesetzt. GS1 network im Gespräch mit Thomas Stiefel über moderne Markentempel und Inspiration.

GS1 network: Was sind eigentlich Flagship-Stores? Was ist der Reiz und das Besondere an diesen Geschäften?
Thomas Stiefel: FlagshipStores sind inszenierte, das heisst künstlich erstellte, aber authentische Orte, an denen der Gast ein Unternehmen, eine Marke jenseits der reinen Produktqualität erlebt. Sie bringen zum Ausdruck, für welche Werte ein Unternehmen steht, und nicht nur, welche Produkte oder Dienstleistungen es vertreibt. Die Erlebnisqualität ist das eigentlich Neue an den seit Mitte der Neunzigerjahre entstandenen FlagshipStores, im Gegensatz zu den seit jeher bekannten «Hauptgeschäften». Es sind Erlebnisräume, welche die MarkenDNA erlebbar machen.

Worin unterscheiden sich Flagship-Stores von herkömmlichen Verkaufsgeschäften?
Für die Inszenierung von Marken spielt die Erlebnisdimension eine zentrale Rolle. Ihr Erinnerungswert wird erhöht
– es wird ein Markenerlebnis geschaffen. Im idealen Fall ist es so stark, dass sie zu einer Art biografischer Station für den Kunden wird. Der höchste Grad an Erlebbarkeit wird durch Involvierung erreicht. Nehmen wir den VictorinoxFlagshipStore an der New Bond Street in London. Neben den Exponaten wurde eine grosse Zahl von «Touch Points» geschaffen, welche die emotionale Welt des Besuchers ansprechen und mit denen er aktiv an der Marke Victorinox teilhaben und in ihr verweilen kann. Auf Englisch könnte man sagen: «try before you buy». Die emotionale und interaktive Begegnung mit Victorinox wird im Untergeschoss auf den Punkt gebracht. Dort kann der Kunde sein ganz individuelles Taschenmesser zusammenstellen. Solche inszenatorischen Elemente erzeugen im Gegensatz zu üblichen Ladenkonzepten einen hohen Grad der Emotionalisierung der Produkte beim Besucher.

Was sind die wesentlichen Elemente solcher Vorzeigegeschäfte?
Das sind die besondere Art der Architektur, in der Regel ein komplettes Sortiment und eine prominente Lage. Es gibt selten FlagshipStores, die nicht an erstklassigen Einkaufsstrassen beheimatet sind, die Vorzeigefunktion der Stores gebietet das. Das ist ein teures Unterfangen und liesse sich oft nicht allein durch den im FlagshipStore erzielten Umsatz rechtfertigen. Die Ausstrahlung ist aber so gross, dass sich der Effekt indirekt, über den weltweiten Absatz rechtfertigt.

Aus der Sicht des Kunden geht es um seinen Erlebniswert, häufig durch Auseinandersetzung und Involvierung mit einer Marke. So gelangt er zu seinem persönlichen, massgeschneiderten Produkt. Nehmen Sie Adidas: Im FlagshipStore laufen Sie als Kunde über einen Laufsteg, werden gefilmt und analysiert. Schliesslich erhalten Sie einen auf Sie massgeschneiderten Laufschuh. Beim Portable Shop führten wir als Erste eine Sofortreparatur ein. Auch solche Serviceleistungen machen eine Marke erlebbar, erhöhen die Dimension der Erfahrbarkeit und geben ihr mehr Kontur, mehr «Tiefgang».

Wie verbreitet sind solche Markentempel in der Schweiz?
Wir kennen zahlreiche FlagshipStores. In Zürich sind das etwa Navyboot, Kuoni, Swisscom, Freytag, Bally, Miele, Alprausch. In Genf finden Sie Bata, Patek Philippe, Swatch, Omega, Chopard, Jaeger oder Bocheron, um nur einige zu nennen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie sich im Heimmarkt an bester Lage, in Zürich meist an der Bahnhofstrasse und in Genf an der Rue du Rhône, befinden. So sind die meisten FlagshipStores entstanden, lange bevor sie diesen Namen trugen. Wie für Privatliegenschaften gilt das Prinzip «Location, Location, Location». Sie befinden sich an erstklassiger Einkaufslage, ihre Werterhaltung respektive Wertsteigerung ist integrierender, ja matchentscheidender Bestandteil des Marketingkonzepts. Der Absatz allein würde in den meisten Fällen die hohe Miete nicht rechtfertigen.

Dienen die exklusiven Verkaufsgeschäfte nur der Markenpräsentation oder werden sie auch als Testumgebung für neue Shopkonzepte genutzt?
FlagshipStores bilden nicht selten den Auftakt für die Inszenierung eines neuen Ladenkonzepts. Der VictorinoxFlagshipStore in London wird nach und nach weltweit zum Einsatz kommen. Swarovski engagierte für sein Geschäft in Tokyo den Architekten Tokujin Yoshioka. Jetzt geht es darum, dieses Leitformat zu interpretieren und umzusetzen in ein wirtschaftlich tragbares Format für an die dreitausend Läden weltweit. Auch Prada hat hier Massstäbe gesetzt: Man arbeitet mit berühmten Architekten, die sicherstellen, dass schon allein die Architektur eines Shops zum Erlebnis wird. Designelemente weisen bei Prada von der Architektur zur Mode und zurück. In beiden wird der Markenkern sichtbar.

Wie setzen Dienstleistungsunternehmen Flagship-Konzepte zur Imageförderung ein?
Nehmen Sie das Beispiel Banken. Der Differenzierungswettbewerb unter den Banken spielt sich als Gegentrend zum Geldbezug über Bankomaten und zum Internet heute ganz wesentlich am Touch Point mit dem Kunden ab. Unabhängig von ihrer funktionalen Aufgabe von Geldtransaktionen oder Hypothekargeschäften stellen Banken einzigartige Orte der Begegnung und der Kommunikation mit dem Kunden dar. Hier wie an keinem anderen Ort lässt sich eine Marke erfahrbar und differenzierbar machen. Dieser Schritt ist eine grosse Herausforderung. Heute beschäftigen sich alle Bankinstitute mit dem Thema, wie man die ehemaligen Schalterhallen in Orte der Begegnung und der Markenerfahrung verwandelt. Gibt es ein besseres Imageinstrument, als beim Kunden richtig «anzukommen»? Damit ist auch gesagt, dass FlagshipKonzepte keine alltäglichen, sondern einzigartige Modelle darstellen.

Wohin geht der Trend? Werden wir in Zukunft grosse, designte Markenerlebnis-Parks antreffen?
Sie sind heute bereits Realität.

Sie inszenieren Einkaufserlebnisse, verführen und begeistern den Konsumenten. Nennen Sie mir die Quelle Ihrer Inspiration?
Wir lassen uns von unterschiedlichsten Quellen inspirieren: von internationalen Gastronomiekonzepten wie etwa dem Trendclub «Sketch» in London, aber auch von Marketingevents oder Messeinszenierungen, weil es hier wie bei FlagshipStores um Emotionen, Begeisterung und Verführung geht. Der Gast wird mit allen Mitteln der Kunst in eine andere Welt transportiert. Dieser Aspekt wurde zu wenig beachtet, und hier kann man sehr viel lernen. Weiter spielt der sensorische Bereich eine grosse Rolle. Er verstärkt die Erlebnisdimension eines Markenraums. Solche Themen versuchen wir zu adaptieren.

Die Fragen stellte Joachim Heldt.

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