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Recht im Netz

Recht im NetzGeht es darum, den Konsumenten zu schützen, finden sich sehr oft Mehrheiten. Die meisten von uns sind und fühlen sich als Konsument. Bei der Frage, wie dieser Schutz aussehen soll und in welchen Bereichen der Konsument geschützt sein muss, gehen die Meinungen auseinander.

(rv) Konsumentenschutzorganisationen beklagen, dass die schweizerischen Regelungen einen geringeren Schutz der Verbraucher vorsähen, als dies im übrigen Europa der Fall sei.

Immerhin kann gesagt werden, dass die heute beinahe vollständige Überprüfung schweizerischer Gesetze auf deren Europakompatibilität eine Tatsache ist,

dass die Schweiz – etwa im Gegensatz zu Frankreich mit dem Code de la Consommation, einem eigenständigen Erlass für Verbraucherschutz – kein Gesetz kennt, das sich ausschliesslich mit dem Schutz der Konsumenten befasst. 

Rechtsverhältnisse im eCommerce
Der eCommerce ist für einige bereits im Alltag integriert, viele Konsumenten stehen den damit verbundenen Möglichkeiten aber weiterhin skeptisch gegenüber. Die grossen Unsicherheiten und damit das fehlende Vertrauen dürften beim eCommerce insbesondere mit den rechtlichen Grundlagen und dem Datenschutz zusammenhängen. Im Wesentlichen finden sich rechtliche Grundlagen für die Beurteilung der Vorgänge im eCommerce im Obligationenrecht (OR), dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Konsumenteninformationsgesetz (KIG) sowie dem Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG). Eine eigene Gesetzgebung zu diesem Thema existiert (noch) nicht. 

Aus Sicht des Schweizer Konsumenten sind einige Punkte beim Kauf im eShop zu beachten. Die Identifizierung des Anbieters kann unterbleiben. Lediglich unlauteres Verhalten eines Internet- Anbieters ist sanktionierbar. Zudem fehlen klare Vorgaben bezüglich der Informationsvermittlung, will heissen, dass der Anbieter zwar nach dem KIG die wesentlichen Produkteigenschaften erwähnen muss, doch ist dies in der Praxis infolge einer wenig ausgeprägten Durchsetzungsmöglichkeit weitgehend toter Buchstabe geblieben. Das führt ebenso zu Unzulänglichkeiten bei den Gewährleistungen (Garantie) des Verkäufers. Im Gegensatz zum europäischen Recht fehlt zudem ein Widerrufsrecht.
Ein grosses Problem ist die Durchsetzung von Rechtsansprüchen. Bis heute ist kein Fall bekannt, in welchem von der Möglichkeit, Ansprüche über ein Gerichtsverfahren einzufordern, Gebrauch gemacht worden ist. Ganz offensichtlich scheint der Aufwand, der für ein Gerichtsverfahren betrieben werden muss, Konsumenten abzuschrecken.
Ein weiterer, komplexer Bereich, der diese Unsicherheiten im eCommerce erhöht, ist die Frage nach dem anwendbaren Recht und dem zuständigen Gericht. Bei der Bestimmung dieser beiden Parameter können folgende rechtlichen Grundlagen Hinweise vermitteln:

  • Vertragsrecht: Sofern sich die Parteien über einen Gerichtsstand und das anwendbare Recht einigen, sind die Fragen relativ einfach zu beantworten. Zu prüfen gilt es dann höchstens noch, ob nicht zwingende Gerichtsstände und damit häufig auch die zwingende Anwendung eines bestimmten Landesrechts bestehen. Das ist vielfach bei Regelungen in völkerrechtlichen Verträgen, die innerhalb der einzelnen Staaten durch die Unterwerfung unter den Gesetzgebungsprozess zu Landesrecht geworden sind, der Fall. Achtung: im Bereich des eBusiness bedeutet dies, dass der Konsument häufig über Anklicken der vom Anbieter integrierten Kauf- und Lieferbedingungen dieselben akzeptiert. Darin enthalten sind meist ein Gerichtsstand und anwendbares Recht, die dem Anbieter Vorteile bringen.
  • Sofern keine vertraglichen Regelungen getroffen worden sind, kann die Anwendung von Preisbekanntgabevorschriften Hinweise auf ein anwendbares Recht geben, auf das sich der Anbieter beruft.
  • Auch die für den Preis des Produkts verwendete Währung kann als Argumentation zugunsten oder zu Ungunsten eines Gerichtsstandes verwendet werden. Dasselbe gilt für verwendete Mehrwertsteuersätze, Verweise auf Produkthaftpflichtbestimmungen, Anwendung oder Beobachtung bestimmter Produktund Werbevorschriften, Verweis auf vorgezogene Entsorgungsgebühren.

Datenschutz und eCommerce
Der Datenschutz im eCommerce stützt sich auf das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG). Das DSG enthält keine spezifischen Artikel für den Bereich des eCommerce. Für die konkrete Auslegung von einzelnen Artikeln und Begriffen wäre der Verweis auf Gerichtsentscheide unerlässlich. Da bis jetzt keine solchen Entscheide bestehen, ist Rechtsunsicherheit die Folge. Hinzu kommt, dass die Aufsicht über Bundesorgane und Privatpersonen bezüglich DSG dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) obliegt und er somit für den Erlass von Empfehlungen und Verhaltensregeln beim eBusiness bezüglich Datenschutz zuständig ist. Auch wenn Ansätze von Empfehlungen bezüglich Datenschutz sichtbar werden, hat der Datenschutzbeauftragte seine Kompetenzen in diesem Bereich noch lange nicht ausgeschöpft.
Am Beispiel des Vorgehens des EDSB gegen die Publikationen von Strassenansichten mit Personen durch Google Streetview wird sich mit der Zeit erkennen lassen, in welche Richtung sich der Datenschutz im Internet aus schweizerischer Sicht entwickeln wird. Mangels vorhandener gerichtlicher Entscheidungen in diesem Bereich wäre es aus Konsumentensicht von Interesse, dass die vom EDSB gegenüber Google Streetview angedrohte gerichtliche Beurteilung stattfinden würde. Damit wäre die Hoffnung verbunden, dass eine dichtere Regelung des Datenschutzes auch im übrigen Bereich des Internets an die Hand genommen würde.

Datendschungel
Die Dringlichkeit solcher Empfehlungen und Gerichtsurteile zeigt ein Verweis auf einige wenige Fakten im Bereich des Internet. Die Inhaber von Datenbanken können eine Verpflichtung, wonach sie gesammelte Daten auf deren Richtigkeit zu überprüfen haben, nicht einhalten. Die Anonymität des Internets, dessen unzählige Quellen und die komplexe, sich ständig wandelnde Architektur des Netzes lassen eine Überprüfung mit zumutbarem Aufwand einfach nicht zu. Im Weiteren ist es für Konsumenten nicht verfolgbar, wo und durch wen ihre persönlichen Daten in einer Datenbank geführt werden. Auch sind die rechtlichen Instrumente zur Verhinderung des Missbrauchs von Daten unvollständig. Zwar kann der Konsument gerichtlich verlangen, dass Daten bei einem nicht autorisierten Internetnutzer berichtigt, vernichtet und nicht an Dritte weitergegeben werden, aber er kann die Bearbeitung der Daten nicht untersagen.
Gesetze gelten verbindlich immer nur in demjenigen Land, in welchem sie erlassen worden sind. Sobald grenzüberschreitende Sachverhalte vorliegen, stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Recht. Um dieser Frage zu entrinnen, sind bereits heute in verschiedenen Bereichen völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten abgeschlossen worden, deren Bestimmungen durch die Zustimmung des jeweiligen nationalen Gesetzgebers (Parlamente) für die einzelnen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verbindlich werden. Von dieser rechtlich komplizierten Ausgangslage «profitieren » die Nutzer des Internets. So erlaubt die Schweiz die Bekanntgabe von Daten durch Unternehmen in Länder, welche einen der Schweiz gleichwertigen Datenschutz aufweisen. Im Gegensatz zur EU strebt die Schweiz bei Staaten ohne gleichwertigen Datenschutz zurzeit keine vertragliche Regelung an. Schweizer Unternehmen müssen mit jedem einzelnen Unternehmen in einem Staat ohne gleichwertigen Datenschutz deshalb individuelle Verträge aushandeln. Ohne es zu wissen, untersteht der schweizerische Konsument dadurch vielfach dem schweizerischen Recht, was er subjektiv meist auch als Vorteil empfindet, da er sich der schweizerischen Rechtslage näher fühlt. Dies hat jedoch zur Folge, dass er in zahlreichen Fällen weniger gut geschützt ist als ein europäischer Konsument.

Schlussfolgerungen aus heutiger Sicht
Solange keine einheitliche Regelung die Interessen der Konsumenten systematisch und umfassend aufnehmen wird, dürfte die heutige Rechtslage mittels partieller Verbesserungen durch Gesetzesrevisionen kaum zur Erhöhung der für alle Marktteilnehmer wünschbaren Rechtssicherheit führen, auch wenn der Schutz der Interessen der Konsumenten insgesamt verstärkt werden kann. Fraglich bleibt zudem, ob sich die Geschwindigkeit der Vorgänge im Bereich des eCommerce mit den Mitteln der «traditionellen» Rechtsdurchsetzung überhaupt erreichen lässt. Fragen, welche die Zukunft schon sehr rasch beantworten muss.

Robert Vogel
lic. jur. Rechtsanwalt LL.M. Internationales Wirtschaftsrecht

Zum Schluss
«Das Leben ist ungerecht, aber denke daran: nicht immer zu deinen Ungunsten.» (John F. Kennedy)

 

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