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Gekommen, um zu bleiben. Vielleicht.

Läden, die aufmachen und bald wieder schliessen, sind beliebt. Pop-up-Stores erobern in der Schweiz Einkaufszentren, Innenstädte und Bahnhöfe. Während die Händler sich begeistern, kommen die Liegenschaftsbesitzer erst langsam auf den Geschmack.

Ein leeres Schaufenster hier, ein Schild «Pop-up-Store» dort. Das Berner Kaiserhaus ist im Umbruch: Ab 2018 wird renoviert und umgebaut, die Mieter haben die Kündigung bereits erhalten. Einige von ihnen haben die Einkaufspassage schon verlassen. Dort, wo bis im Jahr 2018 Leerstand wäre, hat es Platz für sogenannte Pop-up-Stores. Einen davon betreibt der Versandhändler Gebana, der auf Fairtrade- Lebensmittel spezialisiert ist.

Flüchtiges Format mit vielen Vorteilen
Pop-up-Stores sind mittlerweile ein beliebtes Detailhandelsformat, das so flüchtig wie vielfältig ist. Die «Läden auf Zeit» öffnen für eine Dauer von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten; im Falle von Gebana ganze 24 Monate. Für die Händler ist die zeitliche Beschränkung attraktiv: Langjährige Miet-verpflichtungen fallen weg, das Risiko ist überschaubar. Gerade für Start-ups ist das eine gute Einstiegsmöglichkeit. Etablierte Anbieter nutzen das Format, um neue Produkte zu präsentieren, alte Ware abzuverkaufen oder die Bekanntheit zu steigern. Durch die künstliche Verknappung entsteht für die Kunden ein weiterer Kaufanreiz. Die Pop-ups erfüllen damit zwei Hauptfunktionen: Distribution und Kommunikation.

Erklären im Laden
Für Gebana erfüllt das Ladengeschäft vor allem die Kommunikationsfunktion. «Hier wollen wir unsere Kunden kennenlernen und unser Motto ‹weltweit ab Hof› greifbar machen», sagt Tho-mas Rogalla, Head of Direct Sales. «Wir verkaufen im Pop-up-Store die beliebtesten und erklärungsbedürftigsten Produkte.» Dazu gehören Frischprodukte, die über Sammelbestellung erhältlich sind. «Die Kunden können zum Beispiel eine Kiste Orangen vorbestellen. Die Früchte werden erst geerntet, wenn sie reif sind, und dann direkt zu den Kunden geliefert. So sind sie frisch.» Dies sei jedoch ein Konzept, das über persönliche Beratung besser zu vermitteln sei. Auch zur kürzlich lancierten Plattform «Marktanschluss», über die Konsumenten Bauern in Entwicklungsländern bei ihrem ersten Export unterstützen können, wird im Laden informiert. Das Ladengeschäft ergänzt den Webshop mit Produkten im Offenverkauf und mit Degustationen. Während beispielsweise Trocken-früchte und Nüsse online nur ab einem Kilogramm erhältlich sind, können sie von den Kunden vor Ort probiert und in Mengen nach Wunsch gekauft werden.

Dem Onlinehandel ein Gesicht geben
Pop-up-Stores finden sich nicht nur in Immobilien, die aufgrund von Umbau oder Ähnlichem Flächen für eine Zwischennutzung zur Verfügung stellen. So sind temporäre Läden seit Ende 2015 fester Bestandteil des Zürcher Hauptbahnhofs. Sie haben sich laut Olivier Dischoe von der SBB-Medien-stelle bewährt. Dennoch seien an anderen Bahnhöfen vorerst keine weiteren Stores geplant. Onlinehändler Brack hat die Flächen im Zürcher Hauptbahnhof im Juli und August genutzt. Es war sein mittlerweile dritter Pop-up-Store nach den Gastspielen im Shoppi Tivoli und im Westside. Brack dienen die  Läden auf Zeit vor allem zu Kommunikationszwecken. «Wir möchten damit Neukunden gewinnen und gleichzeitig bei unseren Bestandskunden Nähe demonstrieren», erklärt Markus Mahler, CEO von Brack. «Wir möchten als kompetenter und persönlicher Onlineshop auftreten.» Die Pop-up-Stores seien deshalb kein Testlauf für einen Einstieg in den stationären Handel. Sowohl Brack als auch Gebana sind zufrieden. «Der Laden wurde vom ersten Tag an gut angenommen», meint Thomas Rogalla von Gebana. «Wir waren überrascht, wie viele Kunden den Pop-up-Store nutzen und sich die Ware dorthin liefern lassen», sagt Markus Mahler. Und dennoch haben beide keine weiteren Pop-ups geplant. «Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, prüfen wir sie. Wir suchen aber nicht aktiv», sagt Thomas Rogalla. Ähnlich äussert sich Markus Mahler.

Skepsis weicht nur langsam
Während sich immer mehr Händler für Pop-ups begeistern, scheinen sich die Liegenschaftsbesitzer nur langsam damit anzufreunden. «Zunächst war es sehr schwer, eine geeignete Immobilie zu finden», sagt Markus Mahler. «Erst jetzt sind die führenden Einkaufs-zentren auf den Pop-up-Zug aufgesprungen.» Philip Schur ist CEO von Brickspaces, einem Onlinemarktplatz für gewerbliche Zwischenmiete in der DACH-Region. «Manche scheuen den Aufwand oder haben Angst um ihr Ob-jekt.» Die Bedenken sind jedoch unbegründet. «Meiner Erfahrung nach sind die meisten Kunden Start-ups, die etwas testen möchten. Pop-up-Stores, in denen nur alte Kollektionen verhökert werden, sind eher selten.»

Ein «Ramsch-Image» entstehe deshalb nicht. Auch der Aufwand halte sich in Grenzen. «Gerade junge Unternehmer haben Freude an einem spartanischen Laden und verändern nicht viel am Objekt.» Davon abgesehen seien Pop-ups gute PR. «Ich weiss von einem Fall, bei dem ein Besitzer innerhalb von einer Woche sechs Anfragen bekommen hat, nachdem ein Pop-up-Laden eingezogen war. Vorher hatte sich niemand für diese Liegenschaft interessiert.» Übers Ganze gesehen sei das Verhält-nis von Angebot und Nachfrage mittlerweile ausgeglichen. «Vor einem Jahr waren es rund 150 Flächen. Heute sind es mehr als 1000.» Für die Zukunft ist Schur optimistisch: «Pop-up-Stores sind mehr als ein Hype.» Fünf- bis zehnjährige Verträge, wie sie bei ge-werblichen Objekten üblich sind, seien nicht mehr zeitgemäss. Schur geht deshalb davon aus, dass Pop-up-Stores weiter zunehmen und sich neben dem stationären Handel etablieren werden. «Die Zukunft ist hybrid.»

(K)ein Ende in Sicht
Die ursprüngliche Charakterisierung als «Guerilla-Store» hat an Bedeutung verloren. Heute «poppen» die Läden nur noch selten in Nacht- und Nebelaktionen auf, um einen exklusiven Kundenkreis zu erfreuen. Im Gegenteil: Auf Plattformen wie popup-radar.com tragen Händler ihre Pop-up-Stores ein. Betrieben wird sie ebenfalls von Brickspaces. «Wir hatten immer wieder Anfragen von Journalisten und Kunden, die wissen wollten, wo gerade Pop-ups zu finden sind. So entstand die Idee», sagt Philip Schur. Widersprüchlich findet er das nicht. «Nicht alle erhalten genug Aufmerksamkeit in den Medien. So ist popup-radar.com vor allem für Start-ups eine gute Gelegenheit, ihren Laden zu bewerben.»

Andere Pop-ups werden über Wettbewerbe publik gemacht: So zogen Ende letzten Jahres drei Pop-up-Stores ins Zürcher Einkaufszentrum Sihlcity ein. Sie wurden in einem medienwirksamen Wettbewerb aus über 100 Bewerbern ausgewählt – und sind heute wieder Geschichte. Ende dieses Jahres findet der zweite Pop-up-Market statt: eine Messe für Pop-up-Stores. Das Format scheint Erfolg zu haben; die zweite Auflage findet gleich an zwei Standorten statt.

Das Luxus-Modelabel «Comme des garçons», das vor einigen Jahren regelmässig mit Pop-up-Stores arbeitete, hat derzeit übrigens keine weiteren Pop-ups geplant. Vielleicht ist das nicht mehr exklusiv genug. Effekt «verpoppt».

Katharina Balande

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