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«Qualität hat ihren Preis.»

Stefan Schena, CEO, Krankenkasse ÖKKStefan Schena, CEO, Krankenkasse ÖKK, Landquart

GS1 network: Der Gesundheitsmarkt ist ein 55-Milliarden-Markt, der wächst und Arbeitsplätze schafft. Wie sehen Sie sein Entwicklungspotenzial? Wo liegen seine Grenzen?
Stefan Schena: Das Gesundheitswesen ist ein Angebotsmarkt; anders als in der Ökonomie, wo sich das Angebot proportional der Nachfrage anpasst, ist das Gesundheitswesen ein boomender Wirtschaftszweig mit steigender Tendenz.

Die Kosten steigen dabei überproportional. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) betrugen die Gesamtkosten für das Gesundheitswesen in der Schweiz 2007 tatsächlich 55,3 Milliarden Franken. Das entspricht rund 7280 Franken pro Kopf. Weltweit liegt die Schweiz damit hinter den USA auf Platz zwei. Dieser Angebotsmarkt hat aber auch seine Grenzen, die Kosten können nicht ungebremst weiter steigen. Man kann schliesslich nicht mehr ausgeben, als man hat. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er stets das Beste möchte. Das gilt auch für die Krankenpfl ege. Doch Qualität hat ihren Preis. Die Diskussion dreht sich immer um die steigenden Prämien. Was sich hinter diesen Prämien genau verbirgt, wird selten hinterfragt. Wir sollten uns die grundlegende Frage stellen, wie viel uns das Gesundheitswesen wert ist. So könnte der gegenseitigen Schuldzuweisung ein Ende gesetzt werden. In diesem Zusammenhang muss die Finanzierbarkeit diskutiert werden.

Wie lautet Ihr Rezept (bzw. der effektivste Hebel), um der Kosten explosion im Gesundheitswesen entgegenzuwirken?
Wichtig ist, dass wir die Kosten stabilisieren können. Rationalisierung oder Rationierung muss, kann und soll diskutiert werden – am Schluss sind wir immer wieder bei den Leistungen. Um die Kosten in den Griff zu bekommen, muss der Leistungskatalog der OKP gestrafft und wenn nötig sogar abgebaut werden. Ebenfalls sollte die Leistungserbringerdichte geklärt werden. Weniger Spitäler heisst nicht weniger Qualität, sondern lediglich ein längerer Weg bis zum nächsten Spital. Eine Aufhebung des Vertragszwangs könnte Kosten ebenso eindämmen wie tiefere Preise für Medikamente, Gegenstände und Mittel. Hier ist die Schweiz im Vergleich zum Ausland zu teuer. Damit wir die Kosten längerfristig in den Griff kriegen, ist jeder Einzelne von uns gefragt: Weit vorne auf der Prioritätenliste steht die Eigenverantwortung der Versicherten/Patienten. Versichert zu sein bedeutet nicht, dass die Versicherung automatisch alles bezahlt. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Die Krankenversicherung darf nicht zu einem Selbstbedienungsladen werden, in dem alles bezahlt wird. Eine Versicherung bezahlt ihrem Sinn nach diejenigen Kosten, die man selber nicht bezahlen kann.

Und wie beurteilen Sie die eHealth-Strategie des Bundes?
Bei eHealth geht es um den Einsatz von elektronischer Informations- und Kommunikationstechnik zur Gestaltung, Unterstützung und Vernetzung von Prozessen und Teilnehmenden im Gesundheitswesen. Um deren Effizienz zu steigern, geht es darum, die Akteure zu koordinieren und durchgängige Prozesse zu fördern. Indem behandlungsrelevante Informationen stets zur Verfügung stehen, können Zwischenfälle und Fehlbehandlungen verhindert werden. Die Patientensicherheit wird dadurch automatisch erhöht. Meine Forderung: Es braucht verbindliche technische Standards und marktgerechte, betriebswirtschaftlich sinnvolle Lösungen statt kollektiv finanzierte Grossprojekte wie zum Beispiel die Versichertenkarte mit wenig Nutzen, dafür mit hohen Kosten für die Versicherer.

Wie stufen Sie die Supply Chain im Gesundheitswesen bezüglich Transparenz, Sicherheit und Durchgängigkeit ein?
Die Planung der gesamten Wertschöpfungskette muss in Zukunft gefördert und gefordert werden. In diesem Dreieck zwischen Leistungserbringer, Versicherer und Patienten können wir die stets verlangte und diskutierte Zusammenarbeit beweisen. Wichtige Elemente dieser Versorgungskette sind das Case und Care Management. Diese sind zwar bereits vorhanden, sie müssen aber auch getragen werden. Damit das Gesundheitsmanagement funktionieren kann, muss die Thematik und Problematik des Datenschutzes diskutiert werden. Dieser Bereich muss offener gestaltet werden, damit längerfristig nicht alles verhindert wird

Wo sehen Sie das grösste Einsparungspotenzial – ohne dass Leistung abgebaut werden müsste?
Ich denke, dass ganz generell durch Rationalisierung und Rationierung viel eingespart werden kann, und dies ohne Qualitätsabbau. Es ist wichtig, dass Redundanzen abgebaut und die Strukturen gestrafft werden. So ist beispielsweise der 24-Stunden-Bereitschaftsdienst ein grosser Kostenfaktor. Durch eine Straffung dieses Dienstes könnte viel eingespart werden. Straffung der Strukturen (Stichwort Leistungserbringerdichte) und Abbau von Redundanzen führen dabei nicht zu einem Qualitätsverlust. Ein sehr wichtiger Punkt ist auch, dass die Eigenverantwortung der Patienten bzw. Versicherten erhöht wird. Wenn wir krank sind, wollen wir immer das Beste; wenn wir gesund sind, ist uns das Billigste gut genug. Diese Rechnung geht nicht auf. Das System kann nur funkti onieren, wenn wir uns mit dem Optimalen anstatt dem Maximalen zufriedengeben. Dadurch könnte viel eingespart werden.

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