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Die Versorgung der Welt

Die Versorgung der WeltDie Logistik wird nicht wahrgenommen. Sie hat einfach zu funktionieren. Aber wehe, wenn sie stillsteht! Ein Plädoyer für die Logistik, denn sie ist das Schmieröl der Weltfabrik.

(eh) Schauen Sie doch mal an sich hinunter: Tragen Sie Jeans? Wenn ja, würden Sie sich vielleicht wundern, dass Ihr Beinkleid mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Reisekilometer auf dem Buckel hat, als Sie in diesem Jahr bewältigen werden; Urlaub und Dienstreisen eingeschlossen.

So eine Jeans legt nämlich alles in allem 19 000 Kilometer zurück, bevor sie gekauft wird. Und schuld daran ist die Logistik.

Die Reisen einer Jeans
Die Jeans im Zeitalter der Globalisierung beginnt ihre Reise als Baumwolle auf den Feldern der Plantagen in Kasachstan oder Indien und landet über die Garnspinnerei in der Türkei und die Stoffweberei in Taiwan erst einmal zum Färben in Frankreich (die Farbe kommt aus China). Von Frankreich aus geht es zum Nähen nach Honduras (unter Verwendung britischer Kurzwaren wie Knöpfe und Nieten) und von dort zur Endverarbeitung nach Griechenland. Verkauft und getragen wird die Hose dann in Deutschland oder der Schweiz – die im Leben einer Jeans eigentlich nur Zwischenstation sind. Denn wenn die Hose abgetragen ist, wandert sie mit etwas Glück in den Altkleidercontainer, der von Rotterdam aus mit Schiff und LKW nach Afrika reist, wo die Jeans dann in Ghana aufgetragen wird. Das bevorzugte Reiseunternehmen aller Jeans nennt sich Logistik. Die Logistik ist eine neuzeitliche Boombranche. Gemeinhin wird sie auch als Motor der Globalisierung bezeichnet. Denn Globalisierung bedeutet Mobilisierung.

Der Motor schnurrt
In den letzten Jahren wuchs das weltweite Transportaufkommen jährlich ungefähr doppelt so schnell wie die weltweite Produktion von Gütern. In Jeans gerechnet: Wenn, sagen wir, die Produktion von Jeans im letzten Jahr um eine Million anstieg, dann wurden insgesamt zwei Millionen Jeans mehr als im Vorjahr durch die Welt gekarrt, geschifft und geflogen. Es wird mehr produziert, aber sehr viel mehr davon durch die Welt transportiert.

Auch das bedeutet Globalisierung: Die Welt und ihre Waren werden immer mobiler. Unseren Jeans, Shrimps, Auto-getrieben oder Orangen sehen wir das nicht an. Aber unseren Autobahnen. Sie werden immer voller. Immer mehr Lkws tummeln sich darauf. Das grosse Problem dabei ist, einmal abgesehen von den Staus, die Verwechslungsgefahr. Viele Laien, von denen manche auch im Parlament oder im Management sitzen, verwechseln den Lkw mit Logistik. Dabei übersetzt der Kenner «Logistik» nicht mit Transport, sondern mit Versorgung. Die Logistiker selbst haben einen alten Spruch, der ihren Beruf umfassend beschreibt: Logistik sorgt dafür, dass die richtige Ware in der richtigen Qualität in der richtigen Menge zur richtigen Zeit zu den richtigen Kosten am richtigen Ort ist. Das ist viel mehr als Transport. Und das ist viel schwieriger, als es früher mal war.

Die gute alte Zeit
Früher war alles einfacher. Damals produzierte eine Fabrik ein Produkt praktisch wie im Durchlauferhitzer: Vorne kam die Baumwolle rein, hinten die Jeans heraus. Heute ist das ganz anders. Branchenübergreifend kommen nur noch rund 50 Prozent eines Produktes aus der Fabrik des Herstellers. Die andere Hälfte kommt von anderen Fabriken. Der Fachmann sagt: Die interne Wertschöpfungstiefe ist gesunken. Buy statt make: Viel mehr Vorprodukte werden jetzt extern eingekauft. Kfz-Kenner zum Beispiel witzeln, dass bei einigen neuen Automodellen nur noch das Emblem vorne auf dem Kühler vom Hersteller kommt, der grössere Rest von sogenannten Systemlieferanten.

Dieser sprunghaft gestiegene unternehmerische Einkauf wirft zwei Probleme auf: Erstens müssen die eingekauften Teile alle transportiert werden. Aus diesem Grund wächst die Logistik mit wachsender Arbeitsteilung und wachsendem Outsourcing. Und zweitens müssen die vielen Anlieferungen alle irgendwie koordiniert werden: Das Chassis aus Osteuropa, die Getriebeteile aus Malaysia, das Design aus den USA, die Software für die Car-Elektronik aus Indien und der Motor aus Deutschland müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass alle Lieferungen in richtigem Zustand und zur richtigen Zeit, eben Just in Time oder gar Just in Sequence am Fertigungsband ankommen, damit am Ende ein Auto dabei herauskommt, das läuft und sich rentiert. Und das für 4000 bis 6000 Teile eines Autos.

Diese Koordinationsaufgabe der Logistik ist in den letzten Jahren so komplex geworden, dass es dazu inzwischen eine eigene Wissenschaft und ein neues Berufsfeld gibt: Supply Chain Management. Die Supply Chain Manager steuern die globalen Beschaffungsnetzwerke so, dass eine unglaublich arbeitsteilige und internationalisierte Wertschöpfungstiefe so reibungslos funktioniert, als wäre sie tatsächlich eine riesige, länderübergreifende Fabrik. Eine virtuelle, globale Fabrik sozusagen. Und eine krisenresistente darüber hinaus. Denn der Logistik geht es auch in der Krise gut.

Krisenfest
Die Branche ist, verglichen mit dem Maschinenbau oder der Automobil-Industrie mit ihren stellenweise 20 bis 30 Prozent Umsatzrückgang, weitaus weniger stark betroffen. Das liegt auch an der Querschnittsfunktion der Logistik: Sie ist quer durch alle Branchen vertreten, weil sie für alle anderen Branchen transportiert, versorgt und andere Dienstleistungen erbringt und daher stark krisengeschüttelte Kundenbranchen mit weniger stark beeinträchtigten kompensieren kann.

Nichtsdestotrotz ist die Logistik jedoch noch so stark betroffen, dass etliche Spediteure ihren halben Fuhrpark abmelden und einige auch Insolvenz anmelden mussten. Der branchenweite Umsatzrückgang beläuft sich auf sieben Prozent. Auf der anderen Seite: Es gibt keine Insolvenzwelle in der Logistik, und es gibt viele Spediteure mit keinen oder geringen Umsatzeinbrüchen. Der Markt wird deshalb auch in den nächsten Jahren nicht schrumpfen, sondern sich erholen.

Der starke Rückgang im ersten Halbjahr 2009 liegt vor allem daran, dass das Boomjahr 2008 viele Unternehmen dazu verführte, intensiv Kapazitäten aufzubauen, um den Boom voll auszunutzen. Als sich herausstellte, dass der Boom nicht von Dauer ist, begann der Kapazitätsabbau. Dieser Abbau ist weitgehend beendet. Die ersten Anzeichen sprechen bereits für eine Erholung der Logistikkonjunktur. Doch nicht die Konjunktur macht den Logistikern die meisten Sorgen.

Sorgen
Wer Logistikern derzeit beim Schimpfen zuhört, begreift recht schnell, dass neben den sehr differenzierten Einflüssen der aktuellen Krise vor allem die Energiepreise Sorgen machen. Der Öl-preis geht wie ein Jojo auf und ab. Er ist der gravierendste Risikofaktor, da er kaum berechenbar ist, sich sehr spekulativ entwickelt. Danach kommt die Maut, weil sie in vielen Fällen nicht an den Auftraggeber weitergegeben werden kann und damit die ohnehin oft sehr schwache Gewinnmarge des Logistikers schmälert. Auch Umweltauflagen belasten den Transport, zum Beispiel die eingeschränkte Zufahrt von Ballungszentren für Lkws oder die komplette Sperrung ganzer Strassen für den Güterverkehr.

Natürlich sind solche Auflagen für den Umweltschutz notwendig und sinnvoll. Etwas bizarr wird die Situation nur dann, wenn erregte Bürger die Sperrung ganzer Stadtgebiete für den Lkw-Verkehr fordern – und dazu Jeans aus Bangladesh tragen. Wie sollen die Jeans denn in die Boutique kommen, wenn die Brummis nicht mehr fahren dürfen? Mit diesen und anderen Umweltfragen beschäftigt sich Green Logistics, eine nachhaltig orientierte Denkart im Versorgungswesen, die seit wenigen Monaten von sich reden macht.

Green Logistics
Wer mutmasst, dass Logistiker sich nicht gerade über Umweltschutzauflagen freuen, muss sich eines Besseren belehren lassen: Bei einer Umfrage unter führenden deutschen Logistikdienstleistern kam heraus, dass nahezu 100 Prozent sich für Green Logistics engagieren, auch wenn das für sie Kostensteigerungen bedeutet. Weil sie glauben, dass ein nachhaltig versorgendes Unternehmen auch bei seinen Kunden besser angesehen ist. Das trifft weitgehend zu.

Viele Hersteller verpflichten ihre Logistikdienstleister inzwischen zur Einhaltung von scharfen Umweltschutzbestimmungen, die noch weit über das gesetzliche Minimum hinausgehen. Auch um sich selbst als «grün» zu profilieren. Der Haken daran ist bloss: Viele von ihnen halsen dem Logistikunternehmer die ganzen zusätzlichen Kosten des grünen Transports ganz alleine auf. Das ist nicht fein, wird sich aber mit der Zeit ändern: Green Logistics ist noch eine sehr junge Disziplin.

Weltmeister
Einige der grössten Logistikkonzerne der Welt sind deutscher und schweizerischer Herkunft. Sie haben die Welt der Logistik revolutioniert, zum Beispiel mit den sogenannten Value Added Services. So werden zum Beispiel die Autos japanischer Hersteller in Bremerhaven längst nicht mehr von Toyota und Konsorten für den europäischen Markt endkonfektioniert. Das macht inzwischen der Logistiker, der die japanischen Autos auch verschifft hat. Spediteure bauen Autos! Das hat es früher nicht gegeben. Heute dagegen greift diese Entwicklung im Zuge des Outsourcing-Trends immer weiter um sich. So transportieren Spediteure inzwischen nicht nur Hemden, sie bügeln sie auch auf, etikettieren sie und sortieren sie im Einzelhandel in die Regale.

Wer nicht nur transportiert, dem geht es gerade auch in der Krise besser bis gut. Vor allem, da viele Hersteller eben wegen des Kostendrucks gerade in der Krise immer stärker Wertschöpfungsprozesse auslagern – an Logistikdienstleister. Da gibt es noch viel Business. Voraussetzung für dessen Nutzung ist, dass ein Logistikdienstleister schon vor Jahren strategisch gedacht hat – oder spätestens jetzt. Dass er sich nicht nur auf seine Kernkompetenz Transport beschränkt, schmal aufgestellt bleibt, sondern sich zumindest so breit aufstellt, dass er Monokultureffekte vermeidet. Denn Monokulturen sind immer riskant. A propos Risiko.

Risiko!
Haben Sie schon gehört? Erst kürzlich haben Piraten vor Somalia wieder einen Frachter aufgebracht und geentert. Viele andere Schiffe werden seit etlichen Monaten festgehalten. Das ist schlimm für die Matrosen, Kapitäne und deren Angehörige sowie für die Reeder. Es heisst aber auch: Da kommt eine Ware nicht an! Wenn es Turnschuhe sind, fehlen sie im Regal des Sporthändlers um die Ecke. Sind es Investitionsgüter oder Vorprodukte, dann steht irgendwo in der Fertigung einer Fabrik das Band still. Es sei denn, das Unternehmen verfügt über einen guten Supply Chain Risk Manager, der es vor genau solchen Risiken schützen kann. Viele Unternehmen haben bereits einen solchen. Denn während die Konsumenten Shrimps aus Taiwan und Äpfel aus Südafrika geniessen, haben für die Unternehmen, die solche Annehmlichkeiten anbieten, die Unannehmlichkeiten exponentiell zugenommen; die sogenannten Supply Chain Risks. Die somalischen Piraten sind dabei lediglich das spektakulärste Risiko.

Ein viel weniger spektakuläres fegt gerade wie ein Erdrutsch durch die internationale Automobilindustrie: Ganze Lieferketten brechen zusammen, weil viele Lieferanten pleitegehen. Die Risiken in globalen Netzwerken haben dramatisch zugenommen. Nicht jedoch die Kompetenz der Manager, diese Risiken zu managen: Es gibt noch viel zu wenige Supply Chain Risk Manager. Daran sind ausnahmsweise nicht nur die Manager schuld, sondern auch die Jugend des Landes: Die studierte bislang lieber hoch modisch Marketing oder Finance, wenn es hoch kam noch International Business Management. Aber nicht das, was eine globalisierte Welt so dringend benötigt wie Luft zum Atmen: Supply Chain Management. In den Hörsälen unserer Universitäten spielen sich daher manchmal lustige Szenen ab.

Lustig im Hörsaal
Alle Manager beklagen den weltweiten grossen Mangel an universitär ausgebildeten Supply Chain Managern. Nur wenige tun etwas dagegen. Darunter auch Dr. Hugo Eckseler, CPO von Deutsche Post World Net, einem der weltweit grössten Logistikunternehmen. Er ist in der Branche berühmt für seine Exkursionen in die Hörsäle von Universitäten. Auf einer dieser Exkursionen überzeugte er jüngst einen Jahrgang junger Leute davon, ihre Berufswahl noch einmal zu überdenken.

Anlässlich einer Gastvorlesung vor 50 BWL-Studierenden fragte er zu Beginn seiner Ausführungen in den Hörsaal hinein: «Wer von Ihnen möchte später mal ins Marketing?» 48 Arme gingen hoch. Und ins Supply Chain Management oder den inzwischen funktionsverwandten Einkauf? Da waren es bloss zwei – und wahrscheinlich auch nicht aus Überzeugung, sondern eher aus Pietät dem Vortragenden gegenüber. Nach seiner Gastvorlesung wollten plötzlich alle fünfzig in den Einkauf oder das Supply Chain Management. Und zwar aus Überzeugung.

Warum? Dr. Eckseler hatte ihnen erzählt: «Wer Marketing studiert, darf nach drei Jahren im Beruf vielleicht bestimmen, dass die Verpackung zwei Millimeter höher wird. Wer als Einkäufer bei uns anfängt, verhandelt bereits nach kürzester Zeit über Millionendeals und das weltweit und mit allen Bereichen im Unternehmen zusammen. Welche andere Abteilung kann das bieten?» Einkauf und Supply Chain Management zählen inzwischen zu den attraktivsten Bereichen eines Unternehmens. Der Haken ist bloss: Wer weiss das schon?

Hier ist die Karriere
Dr. Eckseler hätte auch sagen können: «Wenn Sie in Einkauf oder Supply Chain Management einsteigen, dann machen Sie sich auf Gehaltserhöhungen von 50 Prozent gefasst.» Mit diesen Summen werden zum Beispiel in asiatischen Ländern seine Einkäufer und Supply Manager von anderen Unternehmen geködert. Eben weil es viel zu wenige kompetente Supply Manager und Supply Chain Manager mit universitärer Ausbildung gibt – auf der ganzen Welt fehlen Zehntausende –, sind die wenigen vorhandenen Manager extrem umworben und können Gehaltserhöhungen fordern (und einstreichen), von denen Manager anderer Funktionsbereiche nur träumen können.

Leider hilft Geld allein nicht. In manchen Ländern wären die benötigten Supply Chain Manager selbst für Millionengehälter nicht zu haben. Einfach weil es zu wenige von ihnen gibt. Weil die Universitäten noch viel zu wenige Supply Chain Manager ausbilden. Deshalb gründen die Unternehmen der Best Practice in der Zwischenzeit eigene Universitäten, sogenannte Supply Chain Universities. Dort werden «normale» Logistiker dann zu global kompetenten Supply Chain Managern ausgebildet.

Was sich wie ein sehr teurer Spass anhört – immerhin kostet eine eigene Universität keinen Pappenstiel –, ist eigentlich ein sehr cleveres und gutes Geschäft: Da die Studierenden an so einer Firmen-Uni an konkreten Fragestellungen aus dem eigenen Unternehmen studieren und Verbesserungsprojekte durchziehen, die Kosten sparen und Effizienz steigern, finanzieren sich solche Universitäten nicht nur selber. Sie werfen auch für das ganze Unternehmen einen Gewinn ab. Das ist das Schöne am Supply Chain Management: Es hat einen grossen Hebel. Es fördert den Erfolg eines Unternehmens inzwischen genauso stark wie Innovation, Produkt oder Marketing. Das hat es auch seiner rasant sich entwickelnden Technologie zu verdanken, Stichwort RFID.

RFID
Die Radio Frequency Identification (RFID) kennen viele Menschen seit einem unterhaltsamen IBM-Werbespot. Der Zuschauer sieht einen Lkw-Fahrer hinter dem Steuer seines typisch amerikanischen, chromblitzenden Supertrucks den Highway entlangdonnern. Plötzlich reisst der Trucker entsetzt die Augen auf und steigt mit vollem Körpereinsatz in die Bremsen: Vor ihm ist mitten auf dem Highway wie aus dem Nichts ein Schreibtisch aufgetaucht, an dem eine kühle blonde Vorzimmerdame mit streng gefasstem Haarzopf und schwarzem Business-Kostüm sitzt. Der Truck kommt mit qualmenden Reifen zum Stillstand. Der Fahrer springt wutentbrannt auf den rauchenden Asphalt, stampft auf den Schreibtisch zu und herrscht die Vorzimmerdame zornig an: «Was machen Sie denn hier?» Worauf die Dame kühl lächelnd erwidert: «Das wollte ich Sie gerade fragen. Sie sind auf dem Weg nach Kalifornien, haben aber Wollmützen für Aspen geladen.» – «Woher wissen Sie das denn?», will der verdutzte Trucker wissen. Darauf die Dame: «Ihre Ladung hat mir das verraten.» Dank einem kleinen RFID-Chip, der am Etikett jeder Wollmütze hängt, die der Truck transportiert.

Manche kennen diese Möglichkeit auch als Track & Trace von privaten Paketen. Das Plus von RFID: Die Wollmütze meldet sich nicht nur an bestimmten Gates, Checkpunkten beim zentralen System. Sie kann vielmehr dank GPS jederzeit und überall über ihren RFID-Chip geortet werden. Und der RFID-Chip kann, wenn es statt der Mütze ein Tiefkühlschnitzel ist, dem Lageristen vom Supermarkt auch sagen, ob die Kühlkette beim Transport unterbrochen wurde. Einige der führenden Unternehmen stecken gerade Millionen in RFID-Projekte. Denn die Möglichkeiten der Technologie sind atemberaubend vielfältig. Sie bieten Potenzial für ungeahnte Kostensenkungen, Transparenz-und Effizienzsteigerungen innerhalb einer Supply Chain. Eine dieser Möglichkeiten ist die menschenfreie Supply Chain.

Die Utopie
Irgendwann müssen Menschen an der Rampe keine schweren Kisten mehr schleppen. Der Lkw entlädt sich selbst. Die Technik zum Warentransport gibt es bereits. Das einzige Problem war bislang: Woher weiss die Ware, wohin sie muss? In die Produktion oder ins Lager? Und an welchen Stellplatz im Lager? Dazu brauchte man bislang dann doch wieder den Mann an der Rampe oder den Lageristen.

Dank RFID können beide anspruchsvollere Aufgaben ausführen. Denn der RFID-Chip auf der Ware sagt dem Entladeroboter, wohin er welche Ware bringen soll. Forscher nennen diesen Zukunftsentwurf «Das Internet der  nach Kalifornien, haben aber Wollmützen für Aspen geladen.» – «Woher wissen Sie das denn?», will der verdutzte Trucker wissen. Darauf die Dame: «Ihre Ladung hat mir das verraten.» Dank einem kleinen RFID-Chip, der am Etikett jeder Wollmütze hängt, die der Truck transportiert. Manche kennen diese Möglichkeit auch als Track & Trace von privaten Paketen. Das Plus von RFID: Die Wollmütze meldet sich nicht nur an bestimmten Gates, Checkpunkten beim zentralen System. Sie kann vielmehr Dinge». Ein virtueller Raum, in dem Waren sich selbst managen, indem sie mit den Maschinen und Robotern «sprechen», die sie transportieren, lagern, kommissionieren und ausliefern. Ein System ganz im Dienste des Menschen. Wer das für Utopie hält, der sollte sich mal mit dem beschäftigen, was die NASA logistisch vorhat.

Space Logistics
Irgendwann werden die Rohstoffe auf der Erde so knapp und teuer werden, dass die lunare Förderung von Bodenschätzen sich lohnt. Die NASA entwickelt bereits Pläne zum Abbau von bestimmten Metallen auf dem Mond und auf Meteoriten und Kometen, die dann von der Weltraum-Logistik zur Erde befördert werden. Technisch ist das kein Problem. Und sobald der Preis für Rohstoffe auf der Erde wegen der Verknappung hoch genug gestiegen ist, wird die Versorgung der Menschheit aus dem All auch wirtschaftlich darstellbar. Wann genau dies der Fall sein wird, steht noch in den Sternen. Doch wenn es dann der Fall sein wird, wird sich zumindest für die Logistik nichts Wesentliches geändert haben. Sie tut dann immer noch, was sie seit der Erfindung des Rades getan hat: Sie übernimmt und gewährleistet die Versorgung der Menschheit.

Evi Hartmann


Angaben zur Person
Prof. Dr. Evi Hartmann, Leiterin der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-Dienstleistungswirtschaft (ATL) und Lehrstuhlinhaberin BWL, insbesondere Logistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Fraunhofer ATL
Prof. Dr. Evi Hartmann Nordostpark 93 D-90411 Nürnberg
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