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Strategie, Struktur und Kompetenz

Robert Vogel, Präsidenten GS1 Schweiz (jh) Er ist Netzwerker und Motivator und sucht im direkten Gespräch nach unkonventionellen Lösungen. Robert Vogel, am 27. Mai 2011 zum neuen Präsidenten von GS1 Schweiz gewählt, im Gespräch mit GS1 network.

GS1 network: Der Vorstand hat Sie an der letzten Sitzung als neuen Präsidenten nominiert und die Generalversammlung hat den Vorschlag bestätigt. Hat Sie die Wahl überrascht?
Robert Vogel: Ja, klar war ich überrascht, als der Vorstand das Ergebnis bekannt gab, denn die weiteren Kandidaten waren echte Alternativen. Der Vorstand wurde ja damit beauftragt, einen geeigneten Kandidaten aus der Schweizer Wirtschaft zu evaluieren.

Zu diesem Zweck wurde ein Nominationskomitee gegründet. In der Folge hat der Ausschuss mögliche Kandidaten genannt. Darunter waren bekannte Vertreter aus Handel und Industrie, aber auch mein Name wurde aufgeführt. Da stand ich natürlich vor der Frage, ob ich eine solche Kandidatur überhaupt annehmen möchte. Ich wusste zwar, dass ich als möglicher Nachfolger von Wolfgang Winter im Rennen war, aber dass der Vorstand mir mit der Nomination sein Vertrauen schenkt, ehrt mich natürlich.

In welchen Bereichen oder Themen werden Sie als Präsident in den nächsten Jahren Schwerpunkte setzen? Oder: Was werden Sie ändern?
Meine Aufgabe wird es sein, die definierte Strategie zu überprüfen, aber auch zu festigen. GS1 Schweiz ist eine SupplyChainOrganisation, und ich möchte entlang dieser breiten, vielfältigen Aufgabenkompetenz klare Schwerpunkte setzen und den Verband strategisch so ausrichten, dass er sich klar fokussiert, eine deutliche Positionierung am Markt einnimmt und kundenorientiert handelt.

In welchen Bereichen sehen Sie Reformbedarf?
Ich sehe keinen Reformbedarf. Der Verband ist gut aufgestellt. Mein Ziel wird es sein, die Kommunikation zwischen Präsidium, Vorstand und Geschäftsstelle dahingehend zu optimieren, dass wir den Kunden genau diejenigen Dienstleistungen anbieten, die sie brauchen, und diejenigen Kompetenzen vermitteln, die notwendig sind, um die Wertschöpfungskette für alle Beteiligten zu optimieren.

Gibt es aus Ihrer Sicht Potenziale bei GS1 Schweiz, die noch besser genutzt werden können? Wenn ja, welche?
Die Organisation leistet gute Arbeit. Keine Frage. In Zukunft möchte ich aber, dass sie sich vermehrt mit dem ganzheitlichen SupplyChainGedanken auseinandersetzt. GS1 Schweiz soll sich zum kompetenten Ansprechpartner für Handel, Industrie, Behörden und Ämter zu Fragen rund um die SupplyChainThematik weiterentwickeln. Im Vordergrund müssen die Bedürfnisse der Verbandsmitglieder als Nutzer der Supply Chain sein. In Zukunft werden effiziente Versorgungswege, ausgerichtet auf die Nachfragebedürfnisse, für die Unternehmen noch mehr an Bedeutung gewinnen, als dies heute bereits der Fall ist. Dazu ist ein gemeinsames Strategieverständnis aller Präsidiums und Vorstandsmitglieder und aller Mitarbeiter der Geschäftsstelle notwendig. Jeder einzelne muss die Strategie, die Ausrichtung und die Vision der Geschäftsstelle kennen, danach handeln und zur Umsetzung beitragen. Wenn wir das erreichen und unsere Optik in Zukunft der gesamten Supply Chain widmen und nicht mehr nur losgelöst einzelnen Teilbereichen, dann sind wir gut aufgestellt und werden auch als Kompetenzpartner wahrgenommen.

Welches sind die Problemkreise, die den Vorstand zurzeit beschäftigen?
Es sind wohl eher Fragestellungen wie Überprüfung der Strategie, Fokussierung auf einzelne wichtige Bereiche und eine kundenorientierte Positionierung, mit denen sich der Vorstand heute und morgen beschäftigen muss. Und da erwarte ich, dass sich jedes Vorstandsmitglied aktiv einbringt und seine hervorragenden Kompetenzen einsetzt. In Zukunft werde ich den Vorstand aktiver in die Führungsarbeit miteinbeziehen. Also weg von der reinen Information hin zu einem aktiven Meinungsaustausch und einer Lösungsfindung zugunsten von GS1 Schweiz und ihren Mitgliedern. Ich erwarte von jedem Vorstandsmitglied ein klares Bekenntnis, sich für die Belange von GS1 einzusetzen und die Visionen gemeinsam umzusetzen. Nur so können wir den wachsenden Ansprüchen der Wirtschaft weiter gerecht werden und uns als proaktiver Dienstleister am Markt behaupten.

Werden Sie auf internationaler Ebene Akzente setzen? Wenn ja, in welchen Bereichen?
Ich glaube kaum, dass ich als Präsident von GS1 Schweiz international irgendwelche Akzente setzen kann und werde. Die Pflege des Meinungsund Erfahrungsaustausches innerhalb der internationalen Netzwerke von GS1 Schweiz ist primär die Aufgabe des Geschäftsführers Nicolas Florin und der Geschäftsleitung. Selbstverständlich sind die internationalen Bedürfnisse und Anforderungen an die Supply Chain unserer Miglieder jedoch bei der Strategie und deren Umsetzung zu berücksichtigen. Insofern werde ich mich gemeinsam mit Vorstand und Präsidium intensiv mit Fragen der globalen Supply Chain beschäftigen.

Wie wird GS1 Schweiz Ihrer Meinung nach in der Öffentlichkeit wahrgenommen?
Der Verband geniesst einen hohen Grad an Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Diesen Anspruch gilt es in Zukunft zu festigen und weiter auszubauen, denn die Erwartungshaltung der Mitglieder gegenüber dem Fachverband ist hoch. Für mich wird GS1 Schweiz noch zu stark mit Standards in Verbindung gebracht. Dieser Teilaspekt wird der Tatsache nicht gerecht, dass bei GS1 sämtliche Themen für eine funktionierende Supply Chain im Mittelpunkt stehen. Das ganzheitliche Denken über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg muss nach meiner Überzeugung in der künftigen Kommunikation und unseren Anstrengungen noch besser umgesetzt werden und sich nicht nur auf den Einsatz der GS1 Werkzeuge beschränken.

Erfüllt GS1 Schweiz gegenwärtig den Anspruch, das Kompetenzzentrum der Wirtschaft für Standards, Logistik, Supply und Demand-Management in der Schweiz zu sein?
Ja, ich bin der Meinung, dass wir heute durchaus den Anspruch erfüllen. Aber unsere Mitglieder erleben in ihrem Umfeld permanente Veränderungen. Anpassung und Neuausrichtung gehören zum Tagesgeschäft. Um weiterhin dem Anspruch gerecht zu werden, muss sich auch GS1 Schweiz laufend den Änderungen anpassen. Ich behaupte, dass wir heute hervorragend aufgestellt sind, aber wir werden jeden Tag dafür Sorge tragen müssen, dass diese Excellence in der Supply Chain weiter verbessert und aktualisiert werden kann. Betrachten Sie nur mal die Entwicklung vom normalen Handy zum Smartphone. Die heutigen Geräte funktionieren wie kleine PCs im Taschenformat und eröffnen einzelnen Branchen ganz neue Geschäftsmodelle. Die Geräte sind heute mehr als nur ein einfaches Telefon, als Strichcodelesegerät können sie zur Produktrückverfolgung eingesetzt werden, sind OnlinePoststelle und digitaler Wetterdienst und überwachen unseren Gesundheitszustand. Und mit der Entwicklung der iGepirApplikation hat GS1 Schweiz die gelben Seiten der Supply Chain auf die Smartphones gebracht.

Wie haben Sie bisher als Vizepräsident die Verbindung zwischen Präsidium und Geschäftsleitung erlebt? Wird sich unter Ihrem Präsidium etwas ändern? Wenn ja, was?
Bei der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Gremien ging es immer um die Sache, und das in einer freundschaftlichen Atmosphäre. Damit ist auch die Grundlage vorhanden, etwas zu bewirken, und das ist für mich entscheidend. Strukturen müssen ganz klar der Strategie und der Zielsetzung folgen. Deshalb ist es für mich auch wichtig, dass ich gemeinsam mit dem Vorstand und der Geschäftsstelle eine Überprüfung der Strategie vornehme. Erst dann werde ich mich entscheiden, wie allfällige neue Strukturen auszusehen haben.

Was war Ihre Motivation, sich für das Amt des Präsidenten zu bewerben?
Seit über 27 Jahren bin ich in der Logistikbranche tätig. Die Themen der Logistik oder heute diejenigen entlang der Supply Chain haben mich schon immer stark fasziniert. Es sind die Komplexität der Abläufe, die unterschiedlichen Transportgüter und Kunden und die damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen auf globaler Ebene, die mich immer wieder aufs Neue beeindrucken. Dazu kommt, dass ich von Anfang an im Vorstand von GS1 Schweiz bin und die Entwicklung der Organisation selber miterlebt habe. Ich möchte das weiterführen, was meine Vorgänger geformt und gestaltet haben. Gemeinsam mit einem motivierten Team möchte ich die Organisation noch dynamischer gestalten und effizienter aufgestellt haben, sodass GS1 Schweiz in der Wirtschaft und bei Behörden als kompetenter Gesprächspartner für Belange der Supply Chain wahrgenommen wird.

Wie viel Stellenprozente werden Sie für das Präsidium von GS1 Schweiz aufwenden?
In den ersten zwei Jahren rechne ich mit zirka zwanzig Prozent. Anschliessend wird sich der Aufwand aber voraussichtlich reduzieren. Die flache Organisationsstruktur lässt schnelle Entscheidungswege zu und hat den Vorteil, dass die Organisation übersichtlich und in ihren Entscheidungsprozessen für alle nachvollziehbar ist.

Was wird Ihre erste Amtshandlung sein?
Bereits im Vorfeld meiner Wahl habe ich mich auf die präsidialen Aufgaben vorbereitet, da nur zehn Tage nach der Wahl die erste Vorstandssitzung stattfindet. Wichtig dabei ist, dass die Vorstandsmitglieder sehr rasch meine Ziele und die Absicht zur Umsetzung kennen. Ich will keine Zeit verlieren. Draussen im Markt wartet niemand, bis ich mich eingearbeitet habe. An der Generalversammlung habe ich mich bei den Mitgliedern für die Wahl bedankt und meinen Vorgänger Wolfgang Winter verabschiedet. In den nächsten Tagen werde ich noch offiziell die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle begrüssen.

Wo steht GS1 Schweiz in fünf Jahren?
Ich gehe davon aus, dass in fünf Jahren hoch motivierte Mitarbeitende der Geschäftsstelle zugunsten unserer Kunden ihre persönlichen Kompetenzen innerhalb der Bereiche der Supply Chain, die wir definiert haben, so gut erfüllen können wie sonst niemand in der Schweiz. Auf Vorstandsebene sehe ich, dass die einzelnen Vorstände aktiv und aus eigener Initiative und Motivation bei der Definition und Erfüllung der Bedürfnisse unserer Mitglieder die Arbeiten von GS1 Schweiz unterstützen. Die Vorstandsmitglieder werden als Impulsgeber und Promoter agieren. Und last but not least werden wir von den Kunden als das Kompetenzzentrum wahrgenommen, wenn es um Fragen der Supply Chain geht.

Worin liegen die Stärken des neuen Präsidenten Robert Vogel?
Meine Stärken liegen in der Kommunikation, im offenen Zugehen auf Menschen und im Kampf um die Sache mit den Menschen. Ich versuche die Stärken der Menschen zu erkennen und zu fördern sowie Sehnsüchte zu wecken. So wie SaintExupéry einst gesagt hat: «Wenn du Menschen lehren willst ein Schiff zu bauen, lehre sie nicht das Handwerk, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem Meer.»

Welches ist Ihre Botschaft an die Leserinnen und Leser von GS1 network?
Volle Kraft voraus. GS1 Schweiz verfügt bereits heute über ein umfassendes Produktportfolio im Bereich der globalen Supply Chain mit Zukunftspotenzial. Nutzen Sie das Knowhow der Organisation, denn die absehbare Endlichkeit von Ressourcen wird in Zukunft bei den Anforderungen und Bedürfnissen der Kunden an die Versorgung neue Massstäbe setzen. GS1 mit ihrem gesamtheitlichen, vom Kunden ausgehenden Ansatz wird genau in diesem Umfeld ihre Stärken zugunsten ihrer Mitglieder optimal einsetzen können. Die Kenntnisse der Anforderungen von globalen Versorgungsketten, Technologie und Prozessstandards, aber auch die Mitwirkung gut ausgebildeter Fachleute werden Schlüssel für den künftigen Markterfolg Ihres Unternehmens sein. Ihr Wissen, liebe Leserinnen und Leser von GS1 network, wird uns dabei unterstützen und den Weg weisen. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.

Die Fragen stellte Joachim Heldt

 

Zur Person
Nach erfolgreichem Studium an der Universität Bern zum lic. jur. erwarb Robert Vogel das Fürsprecherpatent des Kantons Aargau. Das Nachdiplomstudium in internationalem Wirtschaftsrecht schloss er im Jahr 2000 an der Universität Zürich mit einem Master of Laws (LL.M.) erfolgreich ab. Seine berufliche Laufbahn begann nach diversen Praktika im In und Ausland im Jahr 1983 bei der Kartellkommission in Bern. Unter anderem verbrachte Robert Vogel knapp zwei Jahre in Asien als Mitglied der Schweizer Delegation der Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC) in Panmunjom, Korea. Später wechselte er in den KonzernRechtsdienst des damaligen Logistikdienstleisters Danzas. Ab 1987 war Robert Vogel Leiter dieses Rechtsdienstes und befasste sich unter anderem mit der Durchführung weltweiter Unternehmenskäufe und verkäufe. Er begleitete das Unternehmen bei der Umstrukturierung von einer Stammhaus in eine Holdingstruktur in den Bereichen Recht, Versicherungen und Public Relations. 1992 wurde er in die Geschäftsleitung der Danzas Management AG berufen. Seit 1994 ist er Gründer und Partner der Kanzleigemein schaft Röthlisberger Vogel Bircher in Aarau. In seiner Funk tion als Anwalt ist er Mitglied und Präsident diverser Verwal tungsräte. Als Rechtsanwalt befasst sich Robert Vogel vor allem mit dem nationalen und internationalen Transport und Speditionsrecht, dem Gesellschafts, Handels und Ver sicherungsvertragsrecht sowie dem und WettbeKartellwerbsrecht. Zu den weiteren Schwerpunkten zählt er die Betreuung diverser Rechtsdienstfunktionen international tätiger Unternehmen. Robert Vogel ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Zu seinen Hobbys zählen seine Familie und Jazzmusik
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